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Politik

Sierens China: Teurer Schaden

Frank Sieren
18. Dezember 2019

Donald Trumps "Phase-Eins-Deal" ist allenfalls ein Waffenstillstand. Er zeigt jedoch, dass Washington stärker unter Druck steht als Peking und China seine Industriepolitik kaum ändern wird, meint Frank Sieren.

Peking Staatsbesuch Trump in China
Bild: picture-alliance/dpa/A. Wong

Viel Lärm um Nichts? Kurz vor dem Stichtag am 15. Dezember hat Washington die groß angekündigte nächste Runde an Strafzöllen gegen China ausgesetzt. Im letzten Moment wurde eine Einigung erreicht, nach rund anderthalb Jahren Handelsstreit, jubiliert Trump - und verkauft dies als Erfolg. Vier Mal jedoch ist er nach ähnlichen, vermeintlichen Verhandlungserfolgen in der Vergangenheit wieder zurückgerudert. Auch dieser von Trump sogenannte "Phase-Eins-Deal" ist eher ein wackeliger Waffenstillstand als ein Durchbruch. Auch wenn der US-Präsident  es anders darstellt.

Peking hätte nicht nur umfangreichen Käufen von US-Produkten zugestimmt, sondern auch strukturellen Reformen, was die eigene Wirtschaft betrifft, twitterte der US-Präsident. Peking äußerte sich dagegen nur sehr zurückhaltend zu dem "Teilabkommen". Washington will, dass das 86 Seiten lange Dokument bereits in der ersten Januarwoche unterschrieben wird. Peking möchte es erst noch genauer übersetzen und von Juristen prüfen lassen. Da könnten einige weitere Gespräche nötig werden. Man hoffe, "gleichberechtigt und in gegenseitigem Respekt mit den USA zusammenzuarbeiten", heißt es aus Peking. "Marktprinzipien müssen dabei entscheidend sein", ebenso "Restriktionen der WTO".

Vieles in der angeblichen Einigung ist weiterhin offen

Und da wird es schon schwierig: Trump erklärt, dass China eingewilligt habe, jährlich Agrarprodukte im Wert von bis zu 50 Milliarden Dollar in den USA einzukaufen - rund doppelt so viel wie vor dem Handelsstreit. China wird aber sicher nicht mehr kaufen, als es verbrauchen kann. Gerade Soja aus den USA kommt in China vor allem als Tierfutter zum Einsatz. Durch die afrikanische Schweinepest hat sich der Bestand an Tieren in China jedoch drastisch verkleinert. Auf der anderen Seite muss das Land ohnehin mehr Fleisch importieren, ob mit oder ohne "Phase-Eins-Abkommen". Dass die chinesischen Zugeständnisse nur "stufenweise" abgewickelt werden sollen, ist eine weitere Unsicherheit, denn niemand weiß bislang so genau, was das heißen soll. Und Peking ist es gewohnt, auf Zeit zu spielen.

Was die sogenannten "strukturellen Reformen" betrifft, ist ebenfalls vieles offen. Washington erklärt, dass China den Technologietransfer nicht mehr zur Bedingung für den Zugang zum chinesischen Markt machen wird. Das ist tatsächlich keine Neuigkeit, sondern gilt schon seit 2014. Und das nicht zuletzt aus Eigeninteresse: China hat mittlerweile selbst genügend Spitzentechnologien, die es schützen muss. Der globale Patentkönig im vergangenen Jahr war zum Beispiel Huawei.

Trump geht es bei alledem wie immer um die Symbolwirkung, darum, vermeintliche Erfolge vorweisen und ein Signal an die heimischen Farmer senden zu können, die unter dem Handelsstreit heftig leiden. Peking wiederum fordert, dass die bereits eingeführten Zölle ganz abgeschafft werden. Trump will den Großteil der bisherigen Strafzölle auf chinesische Waren - Zusatzabgaben von 25 Prozent auf Einfuhren im Wert von 250 Milliarden US-Dollar - jedoch aufrechterhalten, um ein Druckmittel für die weiteren Gespräche in der Hand zu haben. Das macht eine "Phase Zwei" nicht gerade einfacher.

Das chinesische Volk steht hinter seiner Regierung

In Europa entsteht durch die vielen Negativberichte über China - die Proteste in Hongkong, die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang - derzeit bei einigen Kommentatoren der Eindruck, dass Peking bald unter internationalem Druck einknicken könnte. Tatsächlich jedoch wächst  vor allem der Druck auf Trump. Der Handelsstreit hat die Weltwirtschaft bereits rund 700 Milliarden Dollar gekostet, hat der Internationale Währungsfonds errechnet. Die Finanzmärkte sind müde vom vielen Auf- und Ab. Die US-Demokraten, die beim Thema China durchaus auf Trumps Seite stehen, sagen jetzt natürlich, sein "Phase-Eins-Deal" sei "eine totale Kapitulation".

Eines ist klar: Peking lässt sich nicht so leicht in die Ecke drängen, solange es die eigene Bevölkerung im Rücken hat. Und die stützt sie, solange Chinas Wirtschaft wächst. Das Wachstum lässt zwar leicht nach, ist aber noch hoch genug, um genügend Zufriedenheit zu erzeugen. Chinas Erfolgsrezept liegt ja nicht in erster linie in seiner einseitigen Auslegung internationaler Handelsregeln, sondern in seiner politisch gut gemanagten Größe. In einem solchen Land wird der Binnenmarkt jeden Tag wichtiger. Und die Abhängigkeit vom Ausland eher geringer.

China setzt vor allem auf Stabilität

Die weitgehend gesättigten Märkte im Westen zwingen Unternehmen von dort ebenfalls, nach China zu gehen. Und Chinas Technologie wird gleichzeitig immer wichtiger für die Welt. Washington muss begreifen, dass ein neuer "Kalter Krieg" allein schon deshalb nicht funktioniert. 61 Länder hat Donald Trump bisher unter Druck setzen lassen, damit sie Huawei vom Netzausbau ausschließen. Gerade mal drei sind dem US-Beispiel gefolgt. China ist nicht die Sowjetunion - ein allein auf militärischer Stärke aufgebautes, künstliches Staatengebilde. Die Volksrepublik, die seit 1979 an keinem Krieg mehr teilgenommen hat, ist nicht mehr die revolutionäre Nation von einst, sondern ein Land, das Stabilität an allererste Stelle setzt.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Dass China sein Erfolgsmodell nicht umschreiben wird, nur weil Washington das so will, müsste deshalb eigentlich klar sein. Mit seinen Entkopplungsversuchen zerstört Trump nun vor allem die in vier Jahrzehnten aufgebauten Handelsbeziehungen und damit langfristig auch den Vorsprung der USA. Seit Nixons China-Besuch im Jahr 1972 war es die Strategie Washingtons, Chinas Öffnung zu unterstützen, das Land aber gleichzeitig in ein internationales Netz einzubinden und seine Macht zusammen mit anderen Ländern auszubalancieren. Als wirtschaftliches Gegengewicht war zuletzt etwa das TPP-Abkommen gedacht - Obamas großes Handelsabkommen mit den anderen Staaten Asiens. Das kündigte Trump jedoch als eine seiner ersten Amtshandlungen wieder auf, vor allem um sich als mächtiger Gegenspieler seines Vorgängers in Szene zu setzen. Bald darauf stieß er Südkorea mit der Ansage vor den Kopf, dass das Land finanziell stärker für den US-amerikanischen Schutz aufkommen müsse. Dass die dort stationierten US-Soldaten ein großes Stück amerikanischer Weltherrschaft ausmachen, erwähnte er dabei nicht. Ähnlich rücksichtslos legte sich Trump auch mit anderen traditionellen Alliierten wie Kanada, Australien oder der EU an. Derweil schlittert Japan, der andere große Player in Südostasien, infolge von Trumps engstirniger "America first"-Handelspolitik in eine Rezession.

Ausgrenzen statt Einbinden ist die falsche Strategie

Trump hat in einigen Punkten Recht, etwa wenn er Peking vorhält, die Handelsbeziehungen seien unausgewogen. Aber ob es uns gefällt oder nicht: Ausgrenzen statt Einbinden ist im Falle Chinas nicht nur die falsche Strategie, es ist auch kaum mehr möglich. Peking muss einen Platz am Tisch behalten, sonst wird es seine eigenen Regeln und Strukturen schaffen. So geschehen etwa mit der "Asian Infrastructure Investment Bank", die Peking ins Leben rief, weil es innerhalb der westlich zentrierten Weltbank und dem IMF nicht auf Augenhöhe mitentscheiden durfte.

Gleichzeitig sind wir in einer globalisierten Welt bei Fragen wie dem Klimawandel und Freihandel auf China angewiesen. Ohne Kompromisse kommen wir in einer multipolaren Weltordnung nicht voran. Das fällt den USA schwerer als China. Denn während die USA bei jedem Kompromiss Macht abgeben müssen, wächst Pekings Mitsprache. Wenn auch nicht so schnell, wie dort gewünscht. 

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.

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