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Politik

China-Bashing in der Corona-Krise

Frank Sieren
22. April 2020

Der US-Präsident will China in der Viruskrise zum globalen Sündenbock machen, um im Wahljahr innenpolitisch zu punkten. Das mag gelingen. Die Europäer jedoch spielen nicht mit, meint Frank Sieren.

USA | Donald Trump | Coronavirus Briefing
Bild: AFP/M. Ngan

Ende Januar hatte Donald Trump Chinas Staats-und Parteichef Xi Jinping noch für seine "harte Arbeit" und "Transparenz" im Kampf gegen das Coronavirus gelobt und ihm sogar im Namen des amerikanischen Volkes gedankt. Damals war Corona noch Xis Problem - Trump schien fein raus. Mittlerweile sind in den USA fast zehn Mal so viele Menschen gestorben wie in China - zumindest wenn man den chinesischen Zahlen trauen mag. Und das bei nur einem Viertel der Einwohnerzahl.

Nun muss Trump davon ablenken, dass auch er wertvolle Wochen hat verstreichen lassen und sein Krisenmanagement eher holprig ist. Die Chinesen müssten zur Verantwortung gezogen werden, da sie "wissentlich" zum Ausbruch beigetragen hätten, sagt Trump. Damit spielt er auf die Zensur und die Einschüchterungsversuche an, mit denen der repressive Staat gegen frühe Warnungen von Ärzten und Medien vorgegangen ist. Aber auch auf die Gerüchte, das Virus sei einem unsicheren biologischen Forschungslabor in Wuhan entwichen. Inzwischen sind sich jedoch selbst amerikanische Wissenschaftler sehr sicher, dass das Virus nicht von Menschen gezüchtet wurde, sondern von Fledermäusen stammt.

Regressforderungen wegen Corona?

Trump denkt bereits laut über Regressforderungen nach, wobei der Präsident mal eben vergisst, dass auch in der Weltfinanzkrise 2008 weder die Europäer noch die Chinesen Schadensersatz von den USA gefordert haben. Und so steigen die europäischen Politiker auch kaum auf seine polternde Vorlage ein, sondern bleiben vernünftig.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

"Wir müssen harte Fragen stellen, wie es dazu kam und wie es früher hätte gestoppt werden können", sagt Dominic Raab, der amtierende Premierminister Großbritanniens. Ebenso zurückhaltend kritisch ist Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: "Es sind offensichtlich Dinge geschehen, von denen wir nichts wissen." Eine sicherlich sinnvolle Feststellung. Und der deutsche Außenminister Heiko Maas betont, dass Chinas Regierung nun zeigen müsse, wie transparent sie tatsächlich mit dem Virus umgehen wolle. Vor allem nachdem Wuhan die Zahl der Toten nach oben korrigieren musste. "Das sind alles Fragen, die beantwortet werden müssen, und da gehe ich davon aus, dass China, so wie es ja auch öffentlich vertreten wird, dabei eine konstruktive Rolle spielt." Auch ihm geht es mehr um Zusammenarbeit als um Konfrontation mit China. 

Bei der Wiedereröffnung der Tiermärkte, die Maas kritisiert, schießt er allerdings über das Ziel hinaus: "Da kann sich niemand darauf berufen, dass irgendwelche Dinge bei einem schon immer so gewesen sind." Tatsächlich gibt es solche Märkte überall auf der Welt, besonders in Schwellenländern. Es sind Märkte, auf denen neben Gemüse und Obst auch frisches Fleisch und Fisch an offenen Ständen verkauft wird. Den Bauern und Fischern diese Möglichkeit nehmen zu wollen, ist schon ein wenig unrealistisch.

Schluss mit dem illegalen Wildtierhandel

Was allerdings gefährlich war und ist: der Verkauf von wilden Tieren. Das ist nun zwar seit Ende Februar verboten - sogar auf WeChat kann man "illegalen Wildtierhandel" standardmäßig per Klick melden ­- jedoch leider viel zu spät. Die Regierung hätte schon nach der SARS-Epidemie 2002 den Wildtierhandel radikal unterbinden müssen. Ein schwerer Fehler. Zumal selbst chinesische Wissenschaftler ausführlich vor den Risiken gewarnt haben. Warum das ignoriert wurde, darüber wird man reden müssen.

Solche Märkte wie hier in der chinesischen Provinz Guangxi müssten eigentlich schon längst verboten seinBild: picture-alliance/dpa/Wu Hong

Insgesamt ist die Kritik der europäischen Politiker jedoch maßvoll und konstruktiv. Sie lassen sich nicht von Trump den Ton vorgeben. Schon gar nicht schwer betroffene Länder wie Spanien und vor allem Italien, die dankbar sind für die medizinische Hilfe aus China.

Offener Widerstand gegen Trump in Berlin

Als Donald Trump verkündet hat, die Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auszusetzen, regte sich sogar offener Widerstand. Auch in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu allen anderen Anwandlungen von Trump vornehm geschwiegen hat, stellte sich klar hinter die Arbeit der WHO - obwohl auch da über Schwächen gesprochen werden muss.

Die Versuche von Trump, Europa für sein China-Bashing zu gewinnen, laufen also in Leere. Die Europäer setzen auf konstruktive Zusammenarbeit und nicht auf die Isolierung einzelner Staaten. Vor allem nicht eines Staates, der allein 30 Prozent zum Wachstum der Weltwirtschaft beiträgt und dessen Markt der größte Wachstumsmarkt der Welt ist.

Dass Trump mit seinem Vorstoß in Europa nicht ankommt, wird ihn wieder einmal ärgern. Wirklich schlimm ist es nicht. Ihm geht es derzeit vor allem darum, einen Feind außerhalb der USA zu schaffen, um die Amerikaner für die Wahl zu einen. Sie sollen im November denjenigen wählen, der gezeigt hat, dass er sich nicht scheut, den Chinesen Paroli zu bieten. Es steht zu befürchten, dass seine Strategie zumindest in dieser Hinsicht aufgeht.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über zwanzig Jahren in Peking.

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