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Sierens China: Wild-West-Weltpolitik

Frank Sieren 7. Juli 2016

Im Südchinesischen Meer gibt es Ärger unter Nachbarn. Daran wird auch ein anstehendes Urteil des Schiedsgerichts in Den Haag nichts ändern. Es fehlen einfach wirksame weltpolitische Instrumente, meint Frank Sieren.

Chinesische Soldaten auf einer der Spratley-Inseln (Foto: Reuters)
Chinesische Soldaten auf den Spratley-InselnBild: Reuters

Auf der globalen Bühne geht es immer noch zu wie in einem Western. China und die USA spielen Cowboy und Indianer im Südchinesischen Meer. Hier erhebt die Volksrepublik territoriale Ansprüche, die auch von den Nachbarländern erhoben werden. Die USA wiederum gebärden sich als der Schutzpolizist der Nachbarn Chinas. Das Problem: Es gibt niemanden, der die zwei Großmächte zur Ordnung rufen kann - keine Weltpolizei, kein Weltparlament und keine haltbare internationale Rechtsprechung. Es geht dort zu wie einst im Wilden Westen.

Da hilft auch die Klage der Philippinen nichts. Sie sind vor drei Jahren mit amerikanischer Unterstützung vor den Ständigen Schiedshof in Den Haag gezogen. 2014 hat Vietnam sich der Klage angeschlossen. China werden auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) territoriale Verletzungen vorgeworfen. Der Schiedshof soll prüfen, ob es sich bei den umstrittenen Spratley-Inseln und dem Scarborough-Riff um echte Inseln handelt, auf die China dann Anspruch erheben könnte oder lediglich um Felsformationen.

China will Schiedsspruch nicht akzeptieren

Peking selbst hatte das UNCLOS-Übereinkommen bei seiner Entstehung unterzeichnet, aber schon 2006 erklärt, dass territoriale Grenzziehungen nicht Teil des Übereinkommens seien und somit auch nicht gerichtlich unter UNCLOS geregelt werden könnten. Das ist auch der Grund, warum Peking die Klage in Den Haag von Anfang an deutlich ablehnte und ankündigte, den Schiedsspruch nicht zu akzeptieren.

Es ist also kein Zufall, dass die Chinesen gerade jetzt zum zweiten Mal an dem Militärmanöver RIMPAC teilnehmen. Mit mehreren Kriegsschiffen und 1.200 beteiligten Soldaten wird man unter anderem im Südchinesischen Meer bis zum 11. Juli militärische Übungen abhalten. Nur einen Tag später wird das Schiedsgericht sein Urteil verkünden, von dem man erwartet, dass es zugunsten der Philippinen ausfällt. Deutlicher können die Chinesen kaum zeigen, dass das Urteil aus Den Haag nicht mehr als eine Platzpatrone ist, bei der sie nicht einmal zusammenzucken. Denn das Gericht in Den Haag hat keine Möglichkeit, den Richterspruch auch tatsächlich durchzusetzen.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

USA haben Seerechtsübereinkommen nie ratifiziert

Darüber hinaus bleibt die Frage, warum China sich einem Urteil fügen sollte, dessen Basis nicht einmal von der Weltmacht USA anerkannt wird? Washington hat das UNCLOS-Übereinkommen gar nicht erst unterzeichnet. Peking nutzt nun die Gelegenheit, den USA als ebenbürtiger Gegenspieler zu demonstrieren, dass auch China in der Lage ist, sich quer zu stellen. Wie im Wilden Westen eben. Die Leidtragenden sind in diesem Fall Chinas kleine Nachbarstaaten. Denn die stecken in einer Zwickmühle. Und zwar ganz abseits davon, welche Seite im Inselstreit Recht hat: Zum einen können sie es sich nicht mit dem wichtigsten Handelspartner China verscherzen. Andererseits wollen sie nicht ganz ohne Rückgrat dastehen und vor Peking buckeln, sondern ihre territorialen Ansprüche verteidigen.

Philippinen haben sich auf China zubewegt

In diese chaotische Situation hinein wurde der neue philippinische Präsident Rodrigo Duterte gewählt. Vergangene Woche trat er sein Amt an und versucht nun, die Schiedsgerichts-Situation zu entschärfen. Am Dienstag gab er bekannt, dass man im Falle eines zugunsten der Philippinen gefällten Urteils für Gespräche mit China bereit sei. Konkreter wurde er bei dem Angebot leider nicht. Ihm seien aber freundliche Beziehungen zu Peking wichtig. Damit geht Duterte in seinen ersten Tagen als Präsident schon mal einen Schritt weiter, als sein Vorgänger Benigno Aquino es je gemacht hat.

Der hatte jegliche Gespräche mit der chinesischen Regierung verweigert. Stattdessen zog er es vor, Peking mit der Klage beim Schiedsgericht zu verärgern und die Beziehungen zu den USA zu stärken. Der diplomatischere Ansatz des neuen Präsidenten stellt quasi eine Kehrtwende dar. Inwieweit China sich aber überhaupt für Dutertes Angebot interessiert, wo die Führung sich bisher so gar nicht um Den Haag geschert hatte, wird sich erst nach dem Urteil zeigen.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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