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Politik

Sierens China: Zurück zum Geschäft

Frank Sieren
4. September 2019

Zeitgleich mit Hongkongs Massenprotesten wird Merkels China-Reise zum Balanceakt zwischen Wirtschaftsinteressen und politischen Werten. Für Merkel ist der Balanceakt keine große Herausforderung mehr, meint Frank Sieren.

China Peking Angela Merkel und Xi Jinping
Man kennt sich: Angela Merkel und Xi Jinping, hier im Mai 2018Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Peking braucht jetzt Freunde im Westen. Das weiß Angela Merkel. Allerdings will die kommunistische Regierung sich von ihr nicht vorschreiben lassen, was sie zu tun und zu lassen hat. Anderseits wird von ihr zu Hause erwartet, dass sie Tacheles redet. Das wiederum weiß Peking.

Diese Balance zu finden ist vielleicht für einen politischen Neuling schwierig, für Merkel ist das keine große Herausforderung. Das liegt auch daran, dass sie in Peking mit Wohlwollen empfangen wird. Sie gilt als die letzte verlässliche Politikerin im Westen. Diesen Status hat sie sich hart erarbeitet, nachdem sie am Anfang ihrer Amtszeit einige dicke Fehler gemacht hat. Inzwischen gelingt es ihr gut, Kritik so zu formulieren, dass ihre chinesischen Counterparts nicht das Gesicht verlieren und Merkels Botschaft doch klar und deutlich ankommt. Dieses Austarieren hat Merkel während ihrer vergangenen zwölf Besuche in China immer mehr verfeinert. Ja mehr noch: Es scheint ihr sogar Spaß zu machen.

Unkluge Drohungen

"In der momentanen Situation nur über die Verbesserung von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen, ist außerordentlich problematisch", versucht Bijan Djir-Sarai, der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion sich ungeschickt ins Spiel zu bringen. Dabei weiß jeder: Das wird Merkel nicht tun. Aber sie wird auch nicht drohen. Womit auch? Sollen wir keine Produkte mehr in China kaufen? Keine mehr nach China verkaufen? Keine mehr in China herstellen? Das wäre sicher nicht klug. Geschickter ist es zu erklären, warum es für China gut ist, wenn Hongkong eine freie Stadt bleibt. Merkel wird die Risiken der Erziehungslager in Xinjiang erläutern. Und darlegen, warum die Social-Credit-Systeme für ausländische Unternehmen Vor- und Nachteile haben, mit dem Ziel, dass man bei den Nachteilen womöglich an der ein oder anderen Stelle noch nachbessert.

DW-Kolumnist Frank SierenBild: picture-alliance/dpa/M. Tirl

Natürlich wird ihr Spielraum durch die intensiven Wirtschaftsbeziehungen eingeengt. Aber gleichzeitig ist das Vertrauensverhältnis gewachsen. Engen Geschäftspartnern hört Peking eher zu als Partnern, mit denen man nur lose Geschäftsverbindungen hat, vor allem dann, wenn sie wie Merkel den richtigen Ton treffen. Keine Frage, das ist schwieriger in Zeiten, in denen es der deutschen Wirtschaft nicht so gut geht. Im zweiten Quartal schrumpfte Deutschlands Wirtschaftsleistung, gebeutelt von Brexit und Trumps Handelsstreit, um 0,1 Prozent. Gleichzeitig besteht weiterhin die Gefahr, dass Donald Trump in Europa eine neue Front eröffnet - zum Beispiel mit Strafzöllen auf europäische Autos.

Vereint gegen Trump

Merkel wird natürlich nicht nur auf den Unterschieden herumreiten, sondern auch versuchen, gemeinsame Interessen herauszuarbeiten. Ein gemeinsames Interesse ist sicherlich, den globalen Schaden, den Donald Trump gerade anrichtet, so klein wie möglich zu halten. In diesem Zusammenhang wird Merkel betonen, wie wichtig ein starkes Europa ist. Dabei ist es durchaus ambivalent, wenn Peking mit Ländern wie Ungarn, Griechenland, Portugal, aber auch Italien so enge Beziehungen entwickelt, dass es schwierig für Brüssel ist, eine einheitliche Linie gegenüber China zu finden. Einerseits ist das genau der Plan von Peking, andererseits schwächt das die EU. Peking braucht aber gegen Trump eine starke EU.

Gelegenheit, den Ton auf dieser Reise zu setzen, gibt es genug. Neben einem Frühstück mit Premier Li Keqiang und einem Treffen mit Präsident Xi Jinping in der großen Halle des Volkes wird Merkel am Samstag in Wuhan auch vor Studenten der Huazhong-Universität sprechen. Spannend wird dabei die Frage, welche Themen sie öffentlich anspricht und welche nicht. Sie muss ja nicht Peking zum Dialog mit den Studenten in Hongkong auffordern, das würde schnell als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten angesehen. Aber sie kann von ihren Erfahrungen berichten, dass Dialog in schwierigen Situationen immer wieder geholfen hat. Und Merkel weiß, wenn sie die richtige Tonlage trifft, hören ihre Counterparts genau zu. Dass diese am Ende aber doch selbst entscheiden wollen, was für China richtig ist, kann man ihnen nicht verdenken, nachdem der Westen 500 Jahre lang die Spielregeln der Welt bestimmen konnte.

Unser Kolumnist Frank Sieren lebt seit über 20 Jahren in Peking.

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