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Gabriel auf dem Weg an die Macht

Bettina Marx, z. Zt. Leipzig14. November 2013

Sigmar Gabriel ist als Vorsitzender der SPD wiedergewählt worden. 487 Delegierte stimmten für ihn, 76 gegen ihn. Jetzt muss er die Parteimitglieder von der angestrebten großen Koalition überzeugen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht beim Parteitag in Leipzig zu den Delegierten. Foto: Reuters
Bild: Reuters

Sigmar Gabriel ist auf dem Höhepunkt seiner Macht. Vom etwas belächelten Jugendbeauftragten seiner Partei, der für Popmusik zuständig war und deshalb scherzhaft "Siggi-Pop" genannt wurde, ist er zum anerkannten, wenn auch nicht völlig unumstrittenen Vorsitzenden aufgestiegen. Seit 2009 steht er an der Spitze der SPD, der ältesten demokratischen Partei Deutschlands. Immer wieder ist es ihm in den vergangenen Jahren gelungen, den Genossen wieder Mut einzuflößen und die Reihen der geschrumpften und innerlich zerrissenen Volkspartei zu schließen.

Nach dem Wahldebakel von 2009, als die SPD von 34 auf 23 Prozent der Stimmen absackte, richtete der ehemalige Umweltminister seine enttäuschten und frustrierten Parteifreunde beim Parteitag von Dresden mit einer mitreißenden und kämpferischen Rede wieder auf. In der Zeit der Opposition setzte er innerparteiliche Reformen durch. Gabriel schaffte das Parteipräsidium zugunsten eines erweiterten Vorstands ab und führte den regelmäßig tagenden Parteikonvent ein, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen. Auch das für Dezember geplante Mitgliedervotum über den Eintritt der SPD in eine große Koalition wurde von ihm entscheidend vorangetrieben.

Wiedergewählt

Nun wurde Gabriel von den rund 600 Delegierten des Leipziger SPD-Parteitags in seinem Amt bestätigt. Doch das Ergebnis war nicht berauschend. Nur 83,6 Prozent der Delegierten gaben ihm ihre Stimme, acht Prozentpunkte weniger als im Jahr 2011. Gabriel bedankte sich für das "ehrliche Ergebnis".

Im Schatten des legendären Parteivorsitzenden Brandt.Bild: picture-alliance/dpa

In Anbetracht der heftigen Diskussionen in seiner Partei, die um den Eintritt in eine ungeliebte große Koalition ringt, war vielleicht nicht mehr zu erwarten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er diesmal keine aufrüttelnde Rede gehalten hatte, wie auf früheren Parteitagen, wo er immer wieder mit seinem Temperament und seiner Rhetorik begeistern konnte. Stattdessen legte Gabriel dem Parteitag eine nüchterne und schonungslose Bestandsaufnahme vor. Es gebe nichts zu beschönigen, sagte er und: "Die politische Gesamtverantwortung für unser Wahlergebnis trage ich." Die SPD habe unter mangelnder Glaubwürdigkeit gelitten. Für die Menschen in Deutschland sei die stabile wirtschaftliche Lage wichtiger als das sozialdemokratische Gerechtigkeitsideal. Die SPD brauche daher ein stärkeres Wirtschaftsprofil. Ein Kanzlerkandidat, der dies verkörpere, reiche aber offenbar nicht aus, um Wahlen zu gewinnen.

Bittere Wahlschlappe

In der Tat hat die SPD bei der Wahl im September ihr bisher zweitschlechtestes Ergebnis erzielt. Nur 25,7 Prozent der Wähler gaben der Partei ihre Stimme. Auch Gabriel wurde für diese Wahlschlappe verantwortlich gemacht. Er sei dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück mit unglücklichen Äußerungen und nicht abgestimmten Vorschlägen in die Parade gefahren, lautete die Kritik. So hatte er mitten im Wahlkampf ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ins Spiel gebracht, diesen Vorschlag jedoch schnell und kleinlaut wieder zurückgezogen, als es Proteste hagelte. Außerdem habe er selbst Zweifel an der Eignung Steinbrücks gestreut, als dessen Kandidatur zu einem Fiasko zu werden drohte.

Kanzlerkandidat Steinbrück macht nach der Wahlschlappe den Weg frei für Gabriel.Bild: Reuters

Beim Parteitag in Leipzig war von solchen Misstönen nichts mehr zu hören. Seine Freundschaft zu Steinbrück habe auch über den Wahlkampf hinweg gehalten, so Gabriel in seiner Rede. "Wir beide sind als Freunde gestartet und haben als Freunde geendet. Du bist einfach ein feiner Kerl", sagte er an Steinbrück gerichtet. Der versöhnliche Ton kommt auch in der Öffentlichkeit gut an. Dort konnte der schwergewichtige Gabriel inzwischen Sympathiepunkte hinzugewinnen. Trotz seiner bärbeißigen Art - gern beschimpft er zum Beispiel Journalisten bei Interviews - stieg er in die Riege der beliebtesten Politiker auf.

Vizekanzler Gabriel?

Bald könnte der 54-jährige auch auf dem Gipfel der Macht ankommen. Wenn es ihm gelingt, die SPD-Mitglieder davon zu überzeugen, dass es keine Alternative zu einer Koalition mit der Union gibt, könnte er seine darniederliegende Partei in die Regierung führen und selbst Vizekanzler an der Seite von Angela Merkel werden. Sollten die Genossen ihrem Vorsitzenden aber in wenigen Wochen beim Mitgliederentscheid über die die Große Koalition die Gefolgschaft verweigern, dann wäre Gabriels Absturz vorprogrammiert. Dann bleibt für ihn vielleicht nur noch das Amt des Oberbürgermeisters seiner Heimatstadt Goslar. Das, so hatte er einmal augenzwinkernd gesagt, wäre die Erfüllung seines politischen Lebenstraums.

Wird Gabriel bald Vizekanzler in der großen Koalition?Bild: picture-alliance/dpa
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