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Politik

Sigmar Gabriel - unterhaltsam, aber unberechenbar

24. Januar 2017

Netter Typ, herzlich, schroff, spontan: Langweilig ist Sigmar Gabriel nie. Jens Thurau hat den Noch-SPD-Chef in den vergangenen Jahren beobachtet. Sein Fazit: Schon richtig, dass er auf die Kanzlerkandidatur verzichtet.

Deutschland Treffen von Abgeordneten SPD, Linke und Grüne Sigmar Gabriel
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Zwei Erlebnisse mit Sigmar Gabriel - April 2016, Kairo: Der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler ist zu Gast in Ägypten, ein Balanceakt: Gabriel soll die Türen für deutsche Unternehmen am Nil öffnen, derweil das Regime von Präsident al-Sisi mit schweren Foltervorwürfen konfrontiert ist.

Aber nach einem Treffen mit dem umstrittenen Militärbefehlshaber tritt der SPD-Chef vor die Presse und nennt al-Sisi einen "beeindruckenden Präsidenten". Die deutschen Journalisten sind konsterniert. Und Gabriel, am Abend im Hotel darauf angesprochen, versteht die Aufregung nicht. Er habe das Gefühl gehabt, er habe mit al-Sisi alles besprechen können, der habe zugehört, auch bei heiklen Themen - also was ist?

Gutes Gefühl? Sigmar Gabriel (li.) zu Besuch beim ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-SisiBild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Minister Fremdenführer

Viele Jahre vorher - Israel, Sommer 2006: In Deutschland beginnt gerade das Fußball-Sommermärchen, Umweltminister Gabriel macht mit den deutschen Journalisten eine Busrundfahrt durch Jerusalem. Der von den  Israelis gebuchte Fremdenführer muss seinen Job aber nur ein paar Minuten machen, da ergreift Gabriel höchstpersönlich das Mikrofon, erklärt Geschichte und Gegenwart der Stadt, auf höchst unterhaltsame Weise.

Der Fremdenführer schaut etwas irritiert, aber Gabriel ist in seinem Element. Israel: Das ist eine seine Leidenschaften, schon als junger Mann und später immer wieder war er hier, seine Kontakte sind beeindruckend. Und das sollen alle sehen. Ein Delegationsmitglied tröstet den Fremdenführer: Nicht persönlich nehmen, so ist er halt.

Wilde Fahrten entlang der Positionen

Ja, so ist er halt. Sprunghaft, auf den Tag und seine Erfordernisse fixiert, spontan. Und leider oft genug gerade dadurch unberechenbar. Euro-Politik und Griechenland: Mal will Gabriel dem armen Land in Europas Süden unbedingt helfen, es ist eine Frage der Werte der EU, Solidarität ist gefragt. Dann wieder will er die Grenze der Belastbarkeit für den deutschen Steuerzahler nicht überstrapazieren.

In der Flüchtlingsdebatte sieht man ihn im Bundestag mit einem "Refugees welcome"-Sticker der Bild-Zeitung am Revers auf der Regierungsbank sitzen. Später sieht er dann ganz schnell  auch hier die Grenze der Belastbarkeit erreicht, diesmal nicht für den Steuerzahler, sondern für die Gesellschaft. Wilde Fahrten sind das durchs Spektrum der politischen Positionen.

Netter Typ, der zuhören kann

Dabei ist Sigmar Gabriel ein sympathischer, sehr gewinnender Typ, wenn er will. Er kann wirklich zuhören, er hat ein waches und klares Bild von dem, was die Anhänger seiner SPD erwarten. Er ist ein brillanter Wahlkämpfer. Dazu noch ein Beispiel: 2009 dümpelt der Bundestagswahlkampf vor sich hin, SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier kann vieles, aber nicht wahlkämpfen.

Mit Wahlkämpfen kennt sich Sigmar Gabriel aus - 2017 will er nicht im Fokus stehenBild: picture-alliance/dpa

Gabriel verliert die Geduld, er betreibt aus seinem Amt - dem Umweltministerin - heraus, einen fulminanten Wahlkampf gegen die Kernkraft, gegen die "fossilen Dinosaurier in den Energiekonzernen" und gegen deren "Lobbyisten" bei CDU und FDP. Er fährt nach Tschernobyl und mahnt vor der Reaktor-Ruine vor den Gefahren des atomaren GAUs. Er macht das großartig, die SPD verliert die Wahl, aber Gabriel hat sicher das Schlimmste verhindert.

Der geborere Kanzler - in einer anderen Welt

Auf irgendeinem anderen Stern, auf dem alle Politiker so sind, wäre Sigmar Gabriel kaum zu schlagen. Er sorgt sich, ihm ist nichts egal, er ist nicht in der Politik, um sich zu bereichern. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen, die ihm näher kommen,  ein positives Bild von ihm zeichnen.

Aber er kann auch schroff sein, launisch, unberechenbar. Zu oft ist er so. Und so hat sich ein Bild verfestigt, gegen das am Ende kein Kraut mehr gewachsen war. Berechenbarkeit ist ein hohes Gut, vor allem in Zeiten, wo an anderen Orten die Hybris regiert. Es war deshalb richtig von Gabriel, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten.

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