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PolitikEuropa

"In manchen Dingen hatte Trump recht"

30. Oktober 2020

Der liberal-konservative EU-Abgeordnete und ehemalige Außenminister Polens, Radoslaw Sikorksi, bewertet im DW-Gespräch vor der US-Wahl die Politik von Donald Trump. Sein Fazit: Polen würde ihn vermissen.

Symbolfoto Verhältnis USA EU
Bild: picture-alliance/K. Ohlenschläger

Deutsche Welle: Was erwarten Sie von den Wahlen in den USA? Geht der Alptraum vorüber? Denn so haben viele Europäer die Trump-Administration gesehen. Oder gibt es eine Verlängerung?

Wir wissen nicht, wer gewinnen wird. Die Demokraten brauchen faktisch mehr Stimmen, um zu gewinnen, als die Republikaner. Das ist kein gutes Beispiel, dem man folgen sollte. Das ist ein Problem der amerikanischen Demokratie. Ich muss Ihnen sagen, zum ersten Mal werde ich wirklich die Berichte der Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) lesen.

Aber nehmen wir einmal an, Joe Biden gewinnt. Dann, denke ich, könnten wir einiges Vertrauen in den Beziehungen wieder aufbauen. Wir könnten einige der idiotischen Wirtschaftssanktionen loswerden und eine gemeinsame Strategie zur Bewältigung vieler Probleme entwickeln: Nicht nur Klimawandel und Terrorismus, sondern auch die wachsende Macht Chinas.

Was hat Präsident Trump ihrer Meinung nach für die europäisch-amerikanischen Beziehungen getan in den letzten vier Jahren. Geht es uns besser als zuvor?

Ich glaube, er hat das Vertrauen in die amerikanische Verlässlichkeit erschüttert, auch wenn er in manchen Dingen recht hatte. Es war richtig, die europäischen Verbündeten zu höheren Verteidigungsausgaben zu drängen. Ich muss sagen, auch Trumps Stil hat mir ein bisschen gefallen. Als George W. Bush und Barack Obama es freundlich versucht haben, hat es nicht funktioniert. Das sage ich aus meiner Perspektive als Pole.

Er hat richtig gehandelt, als er Sanktionen gegen das Pipelineprojekt Nord Stream 2 verhängt hat. Das ist ein Vorhaben, bei dem Deutschland seine ökonomischen Interessen den europäischen Interessen, besonders denen in Mitteleuropa, vorzieht. Also, von dieser Warte aus ist nicht alles völlig negativ gelaufen.

Natürlich ist aber die Art und Weise, wie er aus dem Pariser Abkommen und aus dem Iran-Atom-Abkommen ausgestiegen ist, negativ. Genauso wie die ineffiziente Diplomatie mit Nordkorea.

Radoslaw Sikorski per Skype aus seinem Heimbüro in PolenBild: Martin Luy/DW

Woran wir uns hier erinnern werden, ist der unglückliche Auftritt beim Gipfel in Helsinki mit dem russischen Präsidenten Putin. Da hat er gesagt, er traue Präsident Putin mehr als seinem eigenen FBI. Das hat dem Vertrauen, Präsident Trump würde sich gegen künftige russische Aggressionen stemmen, sehr geschadet.

Einige europäische Staaten waren gar nicht so unglücklich mit der Präsidentschaft Trumps. Sie haben ihr eigenes Heimatland Polen erwähnt. Auch andere mögen in Trump eine Art Vorbild sehen für einen nationalistischen und isolationistischen Ansatz.

In Polen haben wir eine nationalistische Regierung und einen Traditionalisten als Präsident. Sie haben voll und ganz auf eine ideologische Allianz mit Präsident Trump gesetzt. Im Gegenzug haben sie einige vage Versprechen bekommen, wonach Truppen von Deutschland nach Polen verlegt würden. Das ist etwas, was viele polnische Regierungen zuvor auch schon unterstützt haben. Sollte Trump verlieren, würden unsere Regierung und unser Präsident ziemlich im Abseits stehen. Für sie wäre es dann schwierig, eine Beziehung mit Joe Biden aufzubauen.

Wenig Gemeinsamkeiten: EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Präsident Trump im Januar 2020Bild: picture-alliance/Zuma Press/S. Craighead/White House

Würde das Europäische Parlament erleichtert aufatmen, wenn Joe Biden gewönne? Denn sie könnten ja auf eine Rückkehr zu einem multilateralen Vorgehen in den internationalen Beziehungen hoffen.

Bekannterweise hat Präsident Trump uns, die Europäische Union, als Gegner bezeichnet. Er hat mittlerweile seine Rhetorik etwas abgeschwächt. Ich bin aber, glaube ich, nicht alleine, wenn ich sage, er sieht die Allianz mit Demokratien als Belastung an und nicht als Bereicherung für die Vereinigten Staaten. Joe Biden ist eine berechenbare Größe. Ich habe ihn mehrmals getroffen. Wir wissen, dass er ein Transatlantiker ist. Und ich weiß zuverlässig, dass er und sein Team bereits an einer großen Änderung der Politik gegenüber der EU arbeiten. Ja, ich denke, es wäre einfacher für uns mit einem Amerika klarzukommen, dass von Joe Biden geführt würde.

Wenn Trump gewinnen und eine zweite Amtszeit antreten würde, nähme der Druck auf Europa und die Verbündeten dann noch zu? Würde er mehr Druck auf die NATO ausüben oder sogar drohen sie zu verlassen, wie das sein ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton angekündigt hat?

Wenn er eine zweite Amtszeit bekommt, dann werden wir die Amerikaner und das politische System in Amerika erst richtig kennenlernen. Natürlich müssten wir dann Ernst machen mit der europäischen Autonomie und der Vorsorge für die eigene Sicherheit. Zurzeit reden unsere politischen Führer nur darüber, aber handeln nicht. Sie geben kein echtes Geld für eine europäische Verteidigung aus und folgen nicht den Vorgaben aus dem EU-Vertrag von Lissabon, der eine gemeinsame Außenpolitik vorsieht. Sie reden, aber machen nichts. Wenn wir Trump II bekommen, hoffe ich, dass wir dann ernsthaft damit anfangen.

Ziemlich beste Freunde? Polens Präsident Duda (li.) und US-Präsident Trump im Weißen Haus (Juni 2020)Bild: picture-alliance/abaca

Welcher der beiden möglichen Präsidenten würde Russland besser in Schach halten? Biden oder Trump?

Präsident Trumps Verhältnis zum russischen Präsidenten Putin ist, sagen wir mal, seltsam. Aber schauen Sie sich an, wie er wirklich gehandelt hat. Er hat russische Diplomaten ausgewiesen nach der Vergiftung des Doppelspions Skripal in Großbritannien. Er hat die rotierende Stationierung von US-Truppen im Baltikum und in Polen aufrechterhalten. Ich bin nicht sicher, ob Präsident Putin damit, wie das läuft, wirklich zufrieden ist. Allerdings kann Trump die NATO mit einem einzigen Tweet auflösen, wenn er sagt, dass er Litauen oder Lettland nicht verteidigen würde. Wir wissen, dass Joe Biden einen solchen Tweet niemals senden würde. Wir müssen uns alle Sorgen machen, dass Präsident Trump dies tun könnte.

Radoslaw Sikorski ist Mitglied des Europäischen Parlaments und hat den Vorsitz in der parlamentarischen Delegation für die Vereinigten Staaten von Amerika inne. Der Politiker von der liberal-konservativen Bürgerplattform war von 2007 bis 2014 Außenminister Polens.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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