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Gesellschaft

Silvia, Königin der Herzen

Gero Schließ
5. Oktober 2016

Trotz des hohen Ansehens von Bundespräsident Gauck: Unsere Sehnsucht nach gekrönten Häuptern ist ungebrochen. Schwedens Königin Silvia wird das beim Staatsbesuch spüren - und könnte uns überraschen.

Schweden König Carl XVI. Gustav und Königin Silvia von Schweden
Bild: Henrik Garlov

Es gibt einige Dinge, worum die Welt Deutschland beneidet: seine wirtschaftlichen Erfolge, seine Effizienz, seine Stärke im Zentrum Europas, seine politische Stabilität und - man traut es sich nach den jüngsten Pöbelprotesten von Dresden kaum auszusprechen: Die Welt beneidet uns auch um unsere Kanzlerin, um Angela Merkel.

Die Deutschen sind königstreu

Doch im Gegenzug gibt es auch etwas, worum die Deutschen die Welt beneiden, zumindest einige Länder dieser Erde: Das sind Königinnen und Könige, Prinzessinnen und Prinzen, die gekrönten Häupter und ihre weit verzweigten, ungewöhnlich fruchtbaren Familien. Daran hat sich auch in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Mögen Globalisierung und Digitalisierung den Blick auf die Welt neu geformt haben - die Deutschen bleiben eines: königstreu. 

Und so könnte der viertägige Staatsbesuch von Königin Silvia von Schweden und ihres Ehemannes Carl XVI. Gustav für viele Verehrer royaler Pracht einer der Höhepunkte des Jahres werden. Was wird Silvia anziehen? Welche Farbe hat ihre Abendrobe beim Staatsbankett? Wird sie königliche Juwelen tragen? Wir werden uns wieder weiden an jedem Detail. Und genau hinschauen beim Königspaar, das ja schon so lange verheiratet ist und wie jedes "gewöhnliche" Ehepaar durch Höhen und Tiefen ging: Hatte man nicht immer wieder von Carl Gustavs amourösen Extratouren gelesen? Wie werden die beiden miteinander umgehen? Mit welchen Blicken wird Silvia ihren Ehemann anschauen?

Unnahbar und kontrolliert

Ungewöhnlich offen: Königin Silvia Bild: DW/G. Schließ

Dass die schwedische Königin eine Deutsche ist und in Heidelberg auf die Welt kam, bringt sie vielen Menschen näher und hat ihre Popularität hierzulande noch zusätzlich verstärkt. Irgendwie ist sie ja auch "unsere Silvia", unsere Königin, schwingt da mit. Aber ist sie auch unsere Königin der Herzen? Anders als die junge Prinzessin Diana, die wir Deutsche hingebungsvoll verehrten und mit tiefem Mitgefühl bis in den Tod begleiteten, wirkt Silvia seltsam unnahbar und kontrolliert. Selbst ihr Lächeln scheint einer Choreografie zu folgen. Auch eine persönliche Begegnung im Stockholmer Stadtpalast, von ihrem Presse-Stab zwei Wochen vor dem Staatsbesuch arrangiert, beginnt zunächst so: Gemessenen Schrittes betreten die beiden den Raum. Silvias volles Haar ist wie immer perfekt gestylt. Man gibt die Hand zur Begrüßung erst, als die Königin selber ihre Hand ausstreckt. So hat es das Hofprotokoll eingetrichtert.

Silvia wird persönlich - und spricht deutsch

Im Gespräch wird Silvia dann aber weicher, vor allem, wenn sie ins Deutsche wechselt. Das tut sie immer, wenn sie persönlich wird. Berlin und die "Berliner Luft" haben es ihr angetan. Und natürlich die Berliner, die sie für "schnell denkend und neugierig" hält. Über den Wiederaufbau des Stadtschlosses freut sie sich. Ihr verstorbener Bruder habe sich immer dafür eingesetzt - jetzt werde es Wirklichkeit. Berlin ist auch der Ort, an dem sich Silvia mit ihrer Initiative "Childhood" für vernachlässigte Kinder einsetzt.

Und dann erzählt sie ungewöhnlich offen von einer brenzligen Situation an der damaligen innerdeutschen Grenze, die sie als 13jähriges Mädchen traumatisiert habe: Auf ihrer Rückreise von Berlin ins Heidelberger Internat wurde sie von DDR-Grenzern festgehalten, weil sie ihren Pass nicht anerkannten. "Die Angst sitzt noch immer tief".

"Fantastisch, wie Deutschland und Schweden die Flüchtlinge empfangen haben"

Königin Silvia mit DW-Korrespondent Gero SchließBild: Henrik Garlov

Das bringt sie zu den minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen, deren Not sie gut nachfühlen kann. Allein nach Schweden sind mehr als 40.000 von ihnen gekommen. Man müsse den Flüchtlingen helfen, sagt Silvia immer wieder und begibt sich dann mit Blick auf Angela Merkel und ihren Satz "Wir schaffen das" völlig überraschend aus der politischen Deckung: "Ich finde es wirklich fantastisch, wie Deutschland und Schweden die Flüchtlinge empfangen haben. Das ist die christliche Botschaft, dass man dem Nächsten hilft. Und wenn Frau Merkel sagt, das schaffen wir schon, sitzt das in uns allen, das man wirklich gerne hilft". Die politische Extremsituation hat möglicherweise auch die Königin neu gefordert - und menschlicher gemacht. Und vielleicht sehen wir sie jetzt auch mit anderen Augen, achten weniger auf Äußeres, sondern auf das, was sie sagt und tut. Es könnte gut sein, dass wir bei diesem Staatsbesuch Zeuge einer königlichen Transformation werden. Und dass Silvia für so manchen von uns zur neuen Königin der Herzen wird.

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