Zwei Studien zeigen, dass Bienen in Indien in großer Zahl in Pappbechern sterben. Die Insekten werden von den Resten zuckriger Getränke angelockt. Dabei wäre es nicht kompliziert, etwas daran zu ändern.
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Eigentlich wollte Sivagnanam Chandrasekaran, Biologie-Professor an der Madurai Kamaraj University, nur einen Chai in einem Straßencafé trinken. Doch anstatt der erhofften Pause verlangte etwas Seltsames seine Aufmerksamkeit: leere Pappbecher, die sich in den Mülleimern des kleinen Cafés stapelten, waren belagert von Honigbienen.
Warum taten die Bienen das, fragte sich Chandrasekaran. Sollten sie nicht viel eher von Blume zu Blume fliegen? War das, was er hier sah, ein Zufall? Oder gab es dasselbe Phänomen auch woanders? War das hier ein weiterer Grund für das Verschwinden der Bestäuber in ganz Indien?
In der wissenschaftlichen Literatur fand er keine Antworten. Also trommelte der Professor seine Studenten zusammen. An sechs verschiedenen Orten im Bundesstaat Tamil Nadu versuchten sie herauszufinden, wie es Bienen auf Nahrungssuche ergeht und welche Rolle Getränkestände am Straßenrand dabei spielen.
Sie fanden dabei Erschreckendes heraus. Eine große Anzahl Bienen würde, einmal in der Nähe der Pappbecher-Berge, nicht mehr zu ihren Bienenstöcken zurückkehren. Die Tiere würden in den klebrigen Resten von Tee, Kaffee, Saft und Softdrinks ertrinken, stellten die Forscher fest. Mehr noch: Die tödliche Falle schien für die Insekten eine Art alternative Nahrungsquelle zu sein.
Stich mich nicht!
Elefanten haben keine Lust auf Bienenstiche. Hören sie Bienen, nehmen sie schon Reißaus. Diesen Umstand nutzen Naturschützer in Südafrika: Sie hängen Bienenstöcke in Marula-Bäume, damit die Dickhäutern sie stehen lassen.
Bild: DW/S. Möhl
Schwebender Schutz
Robin Cook und sein Team hängen Bienenstöcke in Marula-Bäumen auf, um sie zu schützen. Der Feind der Bäume ist...
Bild: DW/S. Möhl
Umwerfende Dickhäuter
...der Elefant. Um an die Blätter zu kommen, werfen die Dickhäuter die Bäume einfach um. Die Zahl der Elefanten hat durch gute Bedingungen und Schutz in Südafrika zugenommen. Das ist gut für die Population, nur eben nicht für die Bäume.
Bild: DW/S. Möhl
Summende Schützer
Hören Elefanten allerdings Bienen summen, dann machen sie einen großen Bogen um das Geräusch. Es geht ihnen ähnlich wie uns Menschen, sie haben Angst vor einem Stich.
Bild: DW/S. Möhl
Totes Holz
Fällt ein Elefant einen Baum, dann ist nicht nur der Baum hinüber. Die Marulas fehlen auch als Lebensraum...
Bild: DW/S. Möhl
Baumbewohner
...unter anderem für ihn hier. Geier bauen ihre Nester gern auf den Marulas, die auch Elefantenbaum genannt werden. Warum? Die Dickhäuter haben eine Schwäche für die Blätter und Früchte des Baumes.
Bild: DW/S. Möhl
Stichproben
50 Bienenstöcke betreuen Robin Cook und Ronnie Makukule im südafrikanischen Busch. Seit mehr als einem Jahr testen die beiden Naturschützer wie Bienen als elefantenfreundlicher Baumschutz eingesetzt werden können.
Bild: DW/S. Möhl
Sorglos leben
Cook’s Bienenprojekt ist ein neuer Ansatz im Parkmanagement. In der Vergangenheit hat man überzählige Elefanten einfach abgeschossen, um den Bestand stabil zu halten und die Bäume zu schützen.
Bild: DW/S. Möhl
Süßer Bonus
Das Bienenprojekt hat sogar noch einen weiteren, positiven Effekt. Weil die Anwohner in den Gebieten den Honig aus den Bienenstöcken verkaufen können, schaffen die summenden Tausendsassa zusätzliches Einkommen für die Gemeinden.
Bild: DW/S. Möhl
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Die Untersuchung von Chandrasekaran und seinen Kollegen dauerte dreißig Tage. Innerhalb dieser Zeit zählten die Forscher 25.211 Bienen, die an Verkaufsbuden verendet waren.
"In jedem Becher lagen mindestens fünf tote Bienen, in manchen sogar 50", sagt Chandrasekaran. "Das Ergebnis war an allen untersuchten Orten dasselbe." Der Forscher hat die Ergebnisse der Studie in einer Facharbeit veröffentlicht.
Becher statt Blumen
Die Ergebnisse seien überraschend, denn normalerweise tendieren Bienen dazu, sich gesunde Nahrung zu suchen, so Chandrasekaran. Anders als beispielsweise Menschen lassen sie verarbeiteten Zucker eher links liegen.
Verschwinden aber ihre blühenden Lebensräume, etwa durch Flächen für Landwirtschaft oder sich ausbreitende Städte, tut sich ein Problem auf.
"Sobald sich zwei oder drei dieser Stände in der gleichen Gegend befanden und eine bestimmte Anzahl Becher, 200 bis 300 Stück, über einen längeren Zeitraum anfielen, haben die Honigbienen begonnen, ihre Gewohnheiten zu ändern. Sie fingen an, die Abfallbecher als Nahrungsquelle zu akzeptieren", erklärt der Wissenschaftler. Offenbar müsse eine kritische Masse Becher in offenen Mülleimern vorhanden sein, um die Bienen umzustimmen, so der Forscher.
Die makabre Ironie der Geschichte ist, dass Pappbecher eingeführt wurden, um die Umwelt nicht mehr mit Plastikbechern zu belasten. Die Umstellung ist erst wenige Jahre her. Und nun scheint es, so Chandrasekaran, als ob man damit das Sterben der Bienen ausgelöst habe.
Verendete Bienen in Plastikbechern fanden die Wissenschaftler nämlich nicht. "In den Pappbechern bleibt die zuckrige Substanz erhalten", so Chandrasekaran. In Plastikbechern härtet sie stattdessen aus, ergänzt er. Weiterführende Untersuchungen dazu gebe es allerdings nicht.
Angeregt durch die vorliegenden Studienergebnisse begann auch Sambandam Sandilyan von der Nationalen Biodiversitätsbehörde der indischen Regierung, den Einfluss von Pappbechern unter die Lupe zu nehmen. Sein Forschungsobjekt war die stachellose Dammar-Biene. Diese Bienenart ist für die Bewohner des Biosphärenreservats Nilgiri besonders wichtig. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Honig und dem Wachs der Insekten.
In einem Fall, so Sandilyan, habe er 800 Bienen innerhalb von acht Stunden in einem einzigen Mülleimer sterben sehen.
"Wenn schon in einer einzigen Teestube so viele Bienen sterben, stellen Sie sich die Zahl der Bienen vor, die wir in ganz Indien verlieren", sagt der Forscher. "Es ist alarmierend."
Bestäuber verschwinden
Die hohe Zahl erscheint noch dramatischer, wenn man sich vor Augen führt, dass weltweit Wild- und Hausbienen 70 von 100 Pflanzen bestäuben, die wir für unsere Ernährung brauchen. Diese Pflanzen liefern uns 90 Prozent unserer täglichen Nährstoffe.
"Wir brauchen längerfristige Untersuchungen. Wenn nämlich die Zahl der Bienen zurückgeht, wird das auf lange Sicht Auswirkungen auf die Bestäubung und die Fruchtbarkeit von Wäldern und Landwirtschaft haben", sagt Sandilyan. Sollte der Trend anhalten, sagt er, könnten die Arbeitsbienen ganzer Kolonien "ausgelöscht" werden.
Genaue Zahlen über die Größe der indischen Bienenpopulation gibt es zwar nicht, ihren starken Rückgang beobachten Wissenschaftler und Imker allerdings durchaus.
Und der Trend ist weltweit zu beobachten. Experten nennen ihn "Colony Collapse Disorder (CCD)". Die Mehrheit der Arbeitsbienen einer Kolonie verschwinden, und nur die Königin und einige Ammen bleiben zurück. Forscher machen dafür verschiedene Faktoren verantwortlich, darunter Insektizide, den Klimawandel, Krankheiten und stärker wachsende Städte.
Rot sehen oder auch nicht
Die Insektenforscherin Poornima Viswanathan geht davon aus, dass das Problem noch weitaus größer sein könnte, als es die Pappbecher im Moment erscheinen lassen. Sie weist auch auf Glaskästen hin, aus denen an Straßenständen Früchte verkauft werden. Auch hier sammeln sich viele Bienen, etliche sterben.
"Wir stellen fest, dass Bienen in vom Menschen dominierten Gebieten eine ganze Reihe Probleme haben", sagt Viswanathan. "Wenn wir aber an den Stellschrauben drehen, die den Bienen ein natürliches Leben ermöglichen, wird das auch wieder zu einem normalen Bienenverhalten führen, und davon haben alle was, das Ökosystem genauso wie wir."
Möglicherweise können dicht verschließbare Mülleimer eine Lösung sein, weil die Bienen dort nicht hinein kommen, sagt Sandilyan. Genauso wäre es notwendig, die Menschen auf das Problem aufmerksam zu machen und sie zu ermutigen, Mehrwegbecher zu verwenden.
In einigen Regionen sind die Verwaltungen inzwischen dazu übergegangen, Pappbecher zu verbieten. Stattdessen werden Glas-, Stahl- oder Tongefäße verwendet. Das kommt den Bienen zugute und verringert außerdem den Müll.
Oder, grübelt Chandrasekaran, eine simple farbliche Veränderung an der er gerade forsche, könnte auch helfen, und man müsste die Pappbecher nicht komplett verbannen. Bienen, sagt er, könnten die Farbe Rot nicht sehen und würden deshalb nichts Rotes anfliegen.
"Achten Sie mal drauf", so der Botaniker, "Vögel beispielsweise reagieren auf Rot, Bienen nicht."
Galerie: Ohne Bienen wäre es ganz schön düster um uns:
Bienen: Was bleibt uns ohne sie?
Eine Welt ohne Bienen? Unvorstellbar. Sie werden sich wundern, wie sehr wir von den fleißigen Insekten abhängig sind und wie leer unsere Supermarktregale ohne ihre Hilfe wären. Eine Bestandsaufnahme zum Weltbienentag.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
Zuckersüße Kristalle
Was hier zu sehen ist, kommt uns allen vermutlich als erstes in den Sinn, wenn wir an Bienen denken: Honig. Hier wurden in 100-facher Vergrößerung und mithilfe von polarisiertem Licht die Zuckerkristalle sichtbar gemacht. Für ein Glas Honig müssen Bienen etwa 450.000 bis drei Millionen Blüten besuchen.
Bild: Imago/Chromorange
Gähnende Leere
Was vielen jedoch nicht so richtig bewusst ist: Der pure, klebrige Honig im Glas ist nur ein winzig kleiner Teil vom Produktionsspektrum der Bienen. Diese symbolische und werbewirksame Aktion eines Supermarkts sollte das kürzlich deutlich machen. Dabei wurden 60 Prozent der Artikel aussortiert. Sämtliche Produkte, die es ohne die fleißigen Insekten nicht geben würde. Es blieben leere Regale.
Bild: Penny/Rewe Group
Bienen Know-how
Und vor allem: Biene nicht gleich Biene. Eine Wildbiene stellt zum Beispiel keinen Honig her, ist aber eine besonders effiziente Bestäuberin - und insbesondere um sie geht es, wenn vom Bienensterben die Rede ist. Auch Hummeln zählen zu den Wildbienen-Arten. Honigbienen haben dagegen weniger Grund zu Sorge, da sie Nutztiere sind - und Bienenstöcke von Menschen gehalten werden.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Anspach
(K)ein Apfel pro Tag
Und natürlich gibt es auch noch andere Bestäuber neben Bienen - Schmetterlinge, Fliegen oder Vögel zum Beispiel. Aber rund ein Drittel von unserem Obst und Gemüse sind von der Bestäubung durch Bienen abhängig. Dazu gehören beispielsweise Äpfel, Birnen, Erdbeeren, Gurken. Und darauf würden wir alle nur ungern verzichten, oder?
Bild: picture-alliance/dpa/F.Rumpenhorst
Kleine Warenkunde
Aber zurück in den Supermarkt. Es ist offensichtlich, dass hier ohne Bienen nicht nur die Obst- und Gemüseregale leer bleiben. Darüber hinaus fehlen all die Lebensmittel, die den Zusatzstoff E 901 beinhalten, was der europäischen Zulassungsnummer von Bienenwachs entspricht. Von solchen Produkten gibt es eine ganze Menge.
Bild: Penny/Rewe Group
Multifunktional
Derzeit ist Bienenwachs aus der Lebensmittelindustrie nicht mehr wegzudenken. Es kommt zum Beispiel - wie hier - als Überzugs- und Trennmittel von Fruchtgummi zum Einsatz, damit die Gummibärchen nicht alle aneinanderkleben - ein Glück! Das gleiche gilt für eine ganze Reihe anderer Süß- und Backwaren.
Bild: DW/A. Maciol
Hübsch und haltbar
Und warum unsere Schokolade oft so schön aussieht? Nicht, weil wie hier Insekten darauf drapiert sind. Aber auch hier gilt der Dank den fleißigen Bienen oder E 901, das Schokolade hübsch glänzen lässt. Auch Obst und Gemüse ist oft als "gewachst" deklariert, damit es weniger Feuchtigkeit verliert und länger haltbar bleibt - und appetitlich(er) aussieht.
Apropos Schokolade: Ohne Bienen wird es die auch nicht mehr in Hülle und Fülle geben, denn auch hier leisten unsere Bienen bei der Bestäubung ganze Arbeit. Im Notfall bliebe nur die äußerst mühsame und viel ineffizientere Bestäubung per Hand. Das gleiche gilt übrigens für Nüsse.
Bild: picture-alliance/Prisma/C. Heeb
Koffeeinkick für alle
Nicht nur wir Menschen, auch Bienen stehen auf Koffein, das hat ein Experiment mit koffeeinfreiem und koffeeinhaltigem Zuckerwasser gezeigt. Dabei suchten die fleißigen Insekten selbst nach dem Versiegen der Quelle noch unentwegt nach einem Koffeeinkick. Gleichzeitig sorgen Bienen durch Bestäubung aber auch für unseren (hoffentlich) nie versiegenden Vorrat an Kaffeebohnen.
Bild: Deutscher Kaffeeverband e.V.
Verlorene Vielfalt
Wie viele Produkte dank der Bemühung der Bienen in unserem Einkaufswagen landen, lässt sich trotzdem nur schwer aufzeigen - da zu den eben genannten Artikeln zum Beispiel diverse Gewürze, Marinaden, Milchprodukte oder sogar Toilettenpapier mit Kamillenblütenduft hinzukommen. Wovon wir zum Teil womöglich weniger abhängig sind als von Obst und Gemüse....
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert
Ein Hoch auf unsere Bienen!
Dennoch wird deutlich, wie sehr wir von der harten Arbeit der Tiere profitieren und dass wir uns ohne die tatkräftige Unterstützung der Insekten ganz schön umstellen müssten. Nicht nur am Weltbienentag sollten wir ihnen deshalb Tribut zollen.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst
Wie helfen?
Zum Schutz der Bienen geht es nicht nur um eine möglichst zurückhaltende Nutzung von Pestiziden durch die Landwirtschaft. Auch Sie können etwas tun, um die Tiere zu schützen: Insektenhotels dienen Bienen als Nist- und Überwinterungsmöglichkeit, Blumen im Balkonkasten und Obstbäume auf der der Wiese sind eine sichere Nahrungsquelle.