1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Sind Steuern besser als Schuldenerlasse?

25. Februar 2021

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben die Lage hoch verschuldeter Staaten verschärft. Einige sind bereits zahlungsunfähig. Doch wie nachhaltig würde ein Schuldenerlass diesen notleidenden Ländern helfen?

G20 Gipfel Saudi Arabien | Gruppenfoto digital
Virtuelles Gruppenfoto beim G20-Gipfel Ende November 2020 in Saudi-Arabien Bild: Präsidentschaft G20 Saudi Arabien Pressestelle

Die Weltbank ist eingebunden, genauso wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer, die G20. Es geht darum, stark überschuldeten Ländern in der Corona-Pandemie möglichst effektiv zu helfen. Diesmal sitzen auch die Chinesen mit im Boot, von denen niemand wirklich weiß, wie hoch die Kredite sind, die sie an arme Länder in Afrika und anderswo vergeben haben. Und längst geht es nicht mehr um die Frage, wie arme Länder ihre zerrütteten Staatsfinanzen sanieren können, sondern ob ihre Schulden überhaupt noch tragfähig sind. 

Im vergangenen Herbst hatten sich die Finanzminister der G20 darauf verständigt, ein Schuldenmoratorium für die Entwicklungsländer um ein halbes Jahr zu verlängern. An diesem Freitag wollen sie darüber beraten, wie weiter damit umgegangen werden soll. Was aber könnte die ärmeren Länder nachhaltig aus der Schuldenspirale führen? 

Mehr als 100 Länder kritisch verschuldet

Das katholische Hilfswerk Misereor und die Initiative erlassjahr.de stellen in ihrem Schuldenreport 2020 fest, dass 124 der 154 von ihnen untersuchten Entwicklungs- und Schwellenländer kritisch verschuldet sind. Insgesamt betrage die Auslandsverschuldung aller im Schuldenreport betrachteten Länder 7,81 Billionen US-Dollar.

Bereits im November zog Sambia die Reißleine und hörte auf, seine auf US-Dollar lautenden Staatsanleihen zu bedienen. Doch wie kann es sein, dass ein wichtiger Rohstoffproduzent wie Sambia, der zu den zehn größten Kupferproduzenten der Welt gehört, seine Schulden nicht mehr bezahlen kann? Und das, nachdem das Land vor zehn Jahren beim letzten Schuldenschnitt im Rahmen der Entschuldungsinitiativen HIPC (Highly Indebted Poor Countries) und MDRI (Multilateral Debt Relief Initiative) seine Verbindlichkeiten von rund 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf knapp 20 Prozent drücken konnte? Heute, knapp zehn Jahre später, liegt die Schuldenquote Sambias wieder bei 120 Prozent des BIP. Kann das allein an jahrelang niedrigen Kupferpreisen liegen?

Steuern als zentraler Teil guter Regierungsführung

Unter den Risikofaktoren für überbordende Schulden listen erlassjahr.de und Misereor neben einem hohen Infrastrukturbedarf und der Abhängigkeit von wenigen exportierten Rohstoffen auch "eine schwache Regierungsführung in einigen Ländern des Südens" auf, die "die Tendenz zu einer untragbaren Verschuldung" verstärken.

Die Entwicklungökonomin Dina Pomeranz von der Universität Zürich erforscht seit vielen Jahren die Ursachen, warum viele Länder immer wieder an ihre finanziellen Grenzen kommen. Ihre Kernthese: Kein moderner Staat kann auf Dauer ohne ein effektives Steuerwesen existieren.

Der Blick auf Länder, denen es besonders schwer fällt ihre Schulden zu bezahlen, lässt einen Zusammenhang zwischen hohem Steueraufkommen und hohem Wohlstandsniveau erkennen.

"Wenn ich Menschen erzähle, dass ich über Entwicklungsländer forsche, dann sind sie fasziniert und erklären mir, wie sozial sie das finden und wie nett ich bin. Wenn ich dann sage, dass ich mich mit Besteuerungsfragen beschäftige, dann verdrehen sie die Augen und fragen: Warum das denn? Die Menschen haben Hunger, sie brauchen Bildung, medizinische Versorgung und Sicherheit. Warum beschäftigst Du dich mit Steuern?", erinnert sich Dina Pomeranz, die an der Harvard Universität studiert hat und dort eine der jüngsten Wirtschaftsprofessorinnen war, bevor es sie zurück in ihre Schweizer Heimat zog.

Effektive Steuersysteme sorgen für Stabilität - überall

Der Zusammenhang zwischen Steuern und Entwicklung liegt für die Entwicklungsökonomin auf der Hand. "Um sich um Aufgaben wie Bildung, medizinische Versorgung und Infrastruktur kümmern zu können, muss ein Staat Steuern einnehmen", sagt Pomeranz.

"Um Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten und überhaupt einen funktionsfähigen Staat zu haben, kann man sagen, dass kein moderner Staat ohne effektives Steuersystem langfristig existieren kann." 

Pomeranz erinnerte in einem Webinar am Centre for the Study of African Economies an der Universität Oxford daran, dass noch in den 1920er Jahren Industriestaaten wie die USA, Großbritannien, Frankreich oder Schweden auf einen Steueranteil von nur zehn bis 20 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) zurückgreifen konnten. Ein Wert, der etwa dem heutiger Entwicklungs- und Schwellenländer entspricht.

Sambia gehört zu den zehn größten Kupferproduzenten weltweit. Trotzdem ist das Land zahlungsunfähig.Bild: Reuters/S. Henry

Ein gerechtes Steuersystem stärke außerdem das Gemeinwesen und bringe es weiter. Wenn in Ländern einzelne Gruppen oder Unternehmen keine Steuern zahlten, während gleichzeitig viele Steuerzahler kräftig zur Kasse gebeten werden, würde das dagegen einer Gesellschaft auf Dauer erheblich schaden - davon ist die Zürcher Entwicklungsökonomin überzeugt.

Jetzt, in der Corona-Pandemie, hilft diese Erkenntnis den Menschen in überschuldeten Ländern nicht weiter. Um die massiven Aufgaben im Gesundheits- und Sozialbereich stemmen zu können, brauchen ihre Länder möglichst schnell eine finanzielle Entlastung. Aber langfristig führt wohl kein Weg daran vorbei, die Staatsfinanzen chronisch überschuldeter Staaten auf eine andere Basis zu stellen - nicht nur in Afrika, auch in Europa und dem Rest der Welt.

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen