Sind wir bald in guten Roboterhänden?
27. November 2015Sie sind schon überall und sie werden immer mehr. Die Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) geben einen klaren Trend an, was die Verbreitung teilautonomer und autonomer Systeme angeht. 2014 wurden Roboter für den industriellen, medizinischen und privaten Bereich im Wert von rund sechs Milliarden US-Dollar verkauft. Es ist ein Geschäft mit satten Zuwachsraten. Bei Robotern für Menschen mit Behinderung oder für Pflegebedürftige meldet der Fachverband sogar ein Plus von 542 Prozent. Die Wirtschaft freut sich, den Menschen wird geholfen, aber beim Blick auf den Prozess als Ganzem wird dem Einzelnen zuweilen mulmig.
"Diese Systeme machen uns Angst, besonders, wenn sie mit menschlichem Antlitz daherkommen", konstatierte Christiane Woopen, Direktorin des Cologne Centre for Ehtics und Vorsitzende des Ethikrates kürzlich auf einer Tagung der Daimler-Benz-Stiftung. Die Wissenschaftlerin fragt sich, ob sich die Menschen mit der Automatisierung nicht in zweifelhafte Abhängigkeiten bringen und das selbstbestimmte Leben in Gefahr ist. "Wenn Roboter der Zukunft das alles, was wir können, besser, sicherer und effektiver tun können - was wird dann aus uns?"
Lange verdrängte Antworten
Bereits die Roboter der Gegenwart sind uns Menschen auf einigen Gebieten schon weit voraus. Sie arbeiten unermüdlich und präzise in Fabriken, operieren in Kliniken, organisieren und sichten Daten. Und bald werden sie auch über Leben und Tod entscheiden. Sie werden dabei keine Fehler machen, denn sie handeln - vorerst noch - nach den Regeln, die ihnen von ihren Schöpfern eingegeben werden. Der Mensch wird dabei wieder mit Fragen konfrontiert, auf die er schon seit mehr als 2500 Jahren Antworten sucht. Die müssen jetzt gefunden werden, der Fortschritt erzwingt es geradezu.
Exemplarisch wird die Problematik derzeit heiß im Zusammenhang mit dem pilotierten Fahren diskutiert. Bisher - selbst nach Hunderttausenden Kilometern im Testbetrieb auf Kaliforniens Straßen - ist es Dank einer vor allem defensiven Programmierung noch nicht zu schweren Unfällen mit selbststeuernden Fahrzeugen im Realverkehr gekommen. Alle Experten sind sich einig, dass es weniger Opfer im Verkehr geben wird, wenn die Technik übernimmt. Das ist gesellschaftlich gewollt.
Die Algorithmen des Todes
Aber zwangsläufig wird es irgendwann einmal so weit sein, dass sich der Fahrcomputer in einer Gefahrensituation zwischen verschiedenen Unfallszenarien entscheiden muss: Ein Kind springt unvermutet auf die Straße, die Bremsleistung wird nicht ausreichen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Soll nun lieber das entgegenkommende Fahrzeug mit mehreren Insassen gerammt werden? Wäre es nicht besser, die behinderte ältere Frau auf dem Gehsteig anzufahren? Oder soll lieber ein Zufallsgenerator die möglicherweise tödliche Entscheidung fällen? Die derzeitige Rechtspraxis verbietet es uns, Leben gegeneinander aufzuwiegen - hier müsste eine Festlegung geschehen.
Aber auch in der Arbeitswelt oder bei der Betreuung von Hilfsbedürftigen gibt es Situationen, die grenzwertig erscheinen. Die Industrie 4.0 lässt vernetzte Roboter Produktionsprozesse gestalten, bei denen am Ende gar nicht mehr ganz klar ist, ob das Ergebnis tatsächlich aufgrund menschlicher Entscheidungen entstanden ist. Die Systeme lernen selbstständig und verlassen damit auch die Grenzen ihrer menschlich festgelegten Ursprungsprogrammierung. Ist der Pflegeroboter übergriffig, der eine betagte Patientin zur Flüssigkeitsaufnahme nötigt, obwohl diese jetzt gerade keine Lust auf ein Glas Wasser hat?
Unschlüssige Entscheider
Das Leben der Menschen wird durch Roboter sicherer und bequemer. Aber das heißt nicht, dass es dadurch menschlicher wird. Maschinen sind ziemlich geradlinig in ihren Entscheidungen. "Sind es nicht gerade Verletzlichkeit, Emotionalität, Irrationalität, die das Menschliche ausmachen", sinniert die Ethikerin Woopen. Gerade um diese Aspekte macht sich auch Kai Gehring Sorgen. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen ist Sprecher für Bildung, Hochschule und Technik seiner Fraktion. "Ich denke, dass Algorithmen nicht über Menschen bestimmen dürfen", betont er. Wo genau die Kontrolle einsetzen muss und wie sie aussieht, vermag er noch nicht zu sagen. "Das ganze Feld ist Neuland und muss deshalb in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs beraten werden."
Auch sein Parlamentskollege Joachim Pfeiffer, er ist wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sieht noch großen Beratungsbedarf. Aber Pfeiffer warnt davor, die Bedenken in den Vordergrund zu stellen: "Bei der Entwicklung müssen wir dabei sein und auf vielen Gebieten hat sich bisher gezeigt, dass der Mensch der größte Risikofaktor ist."