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GesellschaftAsien

Singapur: Public Housing für soziale Integration

Saskia Guntermann und Michael Marek
12. Dezember 2023

Singapur zählt zu den teuersten Städten der Welt. Man kann dort aber zu einem kleinen Preis eine Wohnung vom Staat pachten - das sogenannte "Public Housing".

Singapur | Public Housing für soziale Integration
Public Housing in SingapurBild: Saskia Guntermann/Michael Marek/DW

Es ist schwül und heiß, 30 Grad schon um 10 Uhr morgens. Die Luftfeuchtigkeit beträgt 90 Prozent. Wir sind zu Fuß im Stadtteil Tanjong Pagar unterwegs, einem multikulturellen Viertel im Süden Singapurs mit vielen Restaurants und buntem Nachtleben. Um uns herum: 30- bis 40-stöckige Wohnhäuser.

"Meine Haustür steht eigentlich immer offen", sagt uns Keith Ng, den wir in seiner Dreizimmerwohnung im 19. Stock bei einer Tasse Chrysanthemen-Tee treffen. "Meine Nachbarn sind mir wichtig - zwei ältere Leute." Wie viele andere Einwohner des Stadtstaates hat der junge Mann seine Wohnung für 99 Jahre gepachtet. Nichts Ungewöhnliches in Singapur. Public Housing nennt sich das System.

Über 80 Prozent aller Stadtbewohner haben eine solche Wohnung mit staatlicher Hilfe gepachtet, um die hohe Miete nicht zahlen zu müssen. Das System des Public Housing funktioniere gut. Hier lebten Arm und Reich nebeneinander, bestätigt auch Pei Shyuan Yeo.

Außenfassade frei von GraffitiBild: Saskia Guntermann/Michael Marek/DW

Die Architektin des Hochhauskomplexes lebt auch hier. "Die Regierung will nicht, dass Wohnungen zu Objekt der Spekulation werden." Die Idee des öffentlich geförderten Wohnraums sei, dass man in der Wohnung lebe und nicht, dass man Geld damit verdiene, sagt Pei. Und genau deswegen ist in Singapur die Kurzzeitvermietung privater Wohnräume über das Online-Portal Airbnb verboten. Öffentlich geförderte Wohnungen dürfen auch nicht vermietet werden.

Optimales Erscheinungsbild

Im Viertel gibt es überall gepflegte und liebevoll angelegte Grünflächen und Blumenbeete. Alles hat seine beste Ordnung. Unrat, Fehlanzeige! Die Fassaden sind frisch gestrichen. Graffitis sucht man vergeblich. Das Sprayen ist in Singapur streng verboten, ebenso das Wegwerfen von Kaugummis oder Zigaretten.

In den langen Fluren hängen Nachbarn ihre Wäsche auf. Man sieht ältere und jüngere Leute miteinander plaudern. Statt Wohnungen befinden sich im Erdgeschoss öffentliche Begegnungsstätten, Supermarkt, Friseur und Bäckerei. Man kann Dinge des täglichen Bedarfs kaufen, ohne mit dem Auto fahren zu müssen.

Die nächste Bus- oder U-Bahnstation liegt in drei Minuten Entfernung. So hat es die Regierung vorgeschrieben. Fußläufig erreichbar ist alles, was man braucht: Schulen, Kindergärten und Krankenhaus. "Dazu gehört auch die Politik der ethnischen Integration", sagt Wong Hong Kuan vom Ministerium für Nationale Entwicklung (MND) von Singapur. "Wir wollen die soziale Interaktion fördern, indem wir unsere Wohnviertel ethnisch durchmischen, um vielfältigere Gemeinschaften zu schaffen".

Läden des täglichen Bedarfs fußläufig erreichbarBild: Saskia Guntermann/Michael Marek/DW

Harmonisches Miteinander

In Singapur leben Chinesen, Malaien, Inder und andere Ethnien zusammen. Sie werden nach einem staatlich festgelegten Schlüssel auf die Stadt- und Wohnviertel verteilt. So gebe es keine Gettobildung in der Vielvölkermetropole, sagt auch Bewohner Keith Ng. "Das stärkt den sozialen Zusammenhalt und beugt der Verslumung vor."

Blumenbeete im WohnkomplexBild: Saskia Guntermann/Michael Marek/DW

Viele Wohnhauskomplexe sind rechtwinklig angeordnet und wurden in modularer Bauweise errichtet, also aus vorgefertigten, standardisierten Bauelementen. Die Leute nennen das "Keksausstecher"-Architektur - ähnlich wie beim Weihnachtsplätzchen, das man wiederholt die gleiche Form aus einem Teig sticht. Es gibt sie überall auf der Insel. Die meisten Häuser bestehen aus Drei- bis Vierzimmerwohnungen mit zwei separaten Schlafzimmern.

Hohe Hürden

Gleichwohl ist das Public Housing alles andere als perfekt. Die Regierung verbindet den Zugang zu den günstigen Wohnungen mit überholten gesellschaftspolitischen Vorstellungen und stößt damit auch auf Kritik. Junge Paare müssen zum Beispiel verheiratet sein, um subventionierte Wohnung zu beantragen. Singles unter 35 Jahren haben praktisch keine Chance auf ein staatlich gefördertes Zuhause, ebenso wenig Alleinerziehende unter dieser Altersgrenze.

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Trotz der Erfolge des öffentlichen Wohnungsbaus stehe das Land vor neuen Herausforderungen, erklärt Keith Ng. Die zunehmende Überalterung der Bevölkerung stelle das Public Housing auf die Probe. Der Grund: Die alternde Gesellschaft erfordert neue Ansätze, die erst noch berücksichtigt werden müssten. Die Regierung sei gefordert, "barrierefreie Wohnungen und eine altersgerechte Infrastruktur zu schaffen".