Sinn und Unsinn der EU-Eigenwerbung
23. Mai 2014Seit 2005 vergibt die Generaldirektion Kommunikation des Europäischen Parlaments alljährlich Zuschüsse zu Medienprojekten, die "zum Verständnis für die Rolle und Funktion des Europäischen Parlaments beitragen sollen". Außerdem sollen sie größeres Interesse an EU-Institutionen wecken und Bürgern die Chance geben, sich selbst mit Themen einzubringen.
Finanzspritze für Kommunikationsprojekte
Zuschüsse werden in den Kategorien TV, Radio, Veranstaltungen und Internet vergeben. Von 2010 bis 2012 flossen mehr als fünf Millionen Euro in 44 verschiedene Internetprojekte, darunter europäische Nachrichtenportale, Zeichentrickfilme, die die EU erklären und ein Onlinespiel mit einem blauen Alien, das auf die Erde reist, um mehr über die EU zu erfahren.
Klickzahlen für 20 der Projekte zeigen, dass davon neun während eines Jahres seltener als 5000-mal aufgerufen wurden. Fünf Webseiten wurden 5000 bis 50.000-mal angeklickt, und nur sechs Projekte erreichten mehr als 50.000 Europäer.
"Moja gmina: Europa", ein von der Polnischen Presseagentur (PAP) entwickeltes Onlinetraining, wurde mit 135.000 Euro bezuschusst. Aber nur 329 Interessenten belegten den Kurs, berichtet ein PAP-Reporter.
"Es geht nicht immer darum, so viele Menschen wir möglich zu erreichen", meint Mireille van der Graaf, Mitbegründerin von Welcomeurope, einem unabhängigen französischen Service für EU-Finanzierungen. Manchmal gehe es auch um ein bestimmtes Publikum, das schwer zu erreichen sei. Ein Projekt, das nicht die Massen erreicht, sei also nicht unbedingt gescheitert, erklärt die Beraterin.
Kleine Erfolge zählen auch
Marjory Van Den Broeke, Leiterin des Pressereferats des Europäischen Parlaments, erklärt, wie die Zuschüsse vergeben werden: "Im Durchschnitt wird nur einem von vier eingereichten Projekten zugestimmt. In ihrem Antrag muss die Organisation klar und deutlich die Maßnahme und das erhoffte Ergebnis angeben." Solange das Endprodukt dem Antrag entspreche, sei das Parlament zufrieden.
So gesehen war "Moja gmina: Europa" doch ein Erfolg. In seinem Projektvorschlag hatte PAP mit 200 Teilnehmern gerechnet: Ziel erreicht.
Von allen Projekten, die das Europäische Parlament fördert, haben Online-Projekte eigentlich das größte Potential für eine lange Haltbarkeit. Einmal für das Start-Up im Internet gezahlt, ist der weitere Unterhalt relativ preiswert. Dennoch wurden mindestens fünf der 44 Internetprojekte nach dem Ende der Förderzeit eingestellt.
So wie das Alien-Spiel. Die andalusische Stadt Andujar erhielt fast 23.000 Euro für die Entwicklung eines Online-Spiels, in dem ein Alien die Erde besucht, und mit europafreundlicher Rapmusik in sein Raumschiff zurückkehrt. Online ist das Spiel heute nicht mehr zu finden: Die Gemeinde hat die Gebühr für die Website nicht weitergezahlt. Die wenigsten Projekte werden nach dem Auslaufen der Zuschüsse aktualisiert.
Geld zum Fenster hinausgeworfen
"Manchmal geben wir unser Geld umsonst aus", erklärt Europa-Abgeordnete Doris Pack und wünscht sich eine Reform. Es gehe um viel Geld, das nicht in die richtige Richtung geleitet werde, sagt Pack. Zudem erreichen solche Projekte nur Menschen, die sowieso schon ein größeres Interesse an europäischer Politik hätten: "Wir erreichen nur Menschen, die erreicht werden wollen."
"EU-Kommunikation ist oft sehr einseitig - eine Eigenwerbung, in der es darum geht, warum man Europa und diese EU lieben sollte", erklärt Marianne Thieme. Die niederländische Abgeordnete fragt sich, warum das Europäische Parlament überhaupt ein Budget haben sollte, "um sich selbst anzupreisen" und befürwortet die Einstellung derartiger Förderprojekte.
Am 25. Mai werden EU-Politiker sehen, ob die Kampagne Früchte getragen hat. Dann gehen die Bürger der EU an die Wahlurne, um ein neues Europäisches Parlament zu wählen. Die Wahlbeteiligung zur Europawahl ist über die Jahre stetig zurückgegangen. Vielleicht haben dieses Mal blaue Außerirdische ganze Arbeit geleistet und das Interesse der Bürger an der EU-Politik geweckt.