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Politik

Weltweit mehr Geld für Waffen

Helle Jeppesen
29. April 2019

Die USA, China, Saudi-Arabien, Indien und Frankreich geben zusammen mehr Geld für Rüstung aus als alle anderen Länder zusammen, so das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm.

Frankreich, Straßburg: Symbolbild: EU erhöht Militärausgaben Kampfpanzer Leopard 2
Bild: picture-alliance/dpa/P. Steffen

Es ist schwer, sich eine Summe von 1822 Milliarden US-Dollar vorzustellen. So viel Geld floss 2018 weltweit in Rüstungsgüter - 2,6 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Das schreibt das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm, SIPRI, in seinem neuen Bericht. 

Die steigenden Militärausgaben der USA schlagen am meisten zu Buche. Von allen Ländern weltweit geben die USA am meisten Geld für Rüstung aus - 2018 fast so viel wie die acht Länder auf den Plätzen zwei bis neun zusammen. "Der diesjährige Anstieg von 4,6 Prozent ist der erste Anstieg seit sieben Jahren", sagt SIPRI-Projektleiter Nan Tian im DW-Gespräch. "Die USA setzen ein umfassendes Modernisierungsprogramm des gesamten Militärs um und fangen jetzt damit an. Wir reden hier von einer Summe von 1,8 Billionen Dollar über die kommenden 20 Jahre, die sowohl für konventionelle als auch für nukleare Waffen ausgegeben werden soll."

Insgesamt geben die USA, China, Saudi-Arabien und Indien laut SIPRI-Bericht am meisten für Rüstung aus. Frankreich steht 2018 an fünfter Stelle, gefolgt von Russland, das zum ersten Mal seit 2006 auf dem sechsten Platz liegt. Allerdings, so Tian, läge das nicht daran, dass Russland 2018 wesentlich weniger für Militär ausgab als in den vergangenen Jahren, sondern daran, dass die SIPRI-Zahlen in US-Dollar umgerechnet werden. "Dass die russischen Militärausgaben mit 3,5 Prozent gefallen sind, liegt ausschließlich an der Inflation. In Rubel wurde 2018 so viel ausgegeben wie 2017 auch."

Osteuropa beunruhigt

Die russischen Militärausgaben sorgen in den europäischen Nachbarstaaten für Unruhe, so der SIPRI-Bericht weiter. Der Russland-Ukraine-Konflikt trägt zur angespannten Situation bei und lässt die Militärausgaben steigen. Die Ukraine hat im vergangenen Jahr 4,8 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben, eine Steigerung um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Doch auch Länder wie Bulgarien, Lettland, Litauen, Rumänien und Polen haben 2018 ihre Militärausgaben erheblich erhöht, um der empfundenen Bedrohung durch den großen Nachbarn entgegenzuwirken.

In Westeuropa gehören Frankreich, Großbritannien und Deutschland zu den zehn Ländern mit den höchsten Militärausgaben weltweit. Auch Deutschland hat die Ausgaben erhöht - die Bundesregierung will bis 2025 die Gesamtausgaben auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöhen. Heute liegt der Anteil bei 1,2 Prozent, wobei insbesondere der NATO-Partner USA eine Erhöhung auf zwei Prozent fordert.

Der Riese China

Auf einem unangefochtenen zweiten Platz im weltweiten Rüstungsgüterkonsum liegt die Volksrepublik China. 250 Milliarden US-Dollar gibt China für Waffen und Modernisierung des Militärs aus - in den vergangenen zehn Jahren ist der Rüstungsetat um satte 83 Prozent gestiegen. Zum einen, so der SIPRI-Experte, baue China seinen Einfluss in der Region aus. "China möchte nicht, dass die USA in der Region und in den Nachbarländern zu nahe kommt. Es gibt große Spannungen zwischen den größten Playern." Zum anderen spiele sicherlich auch die Modernisierung der US-Streitkräfte eine Rolle - sowohl für China als auch für Russland.

China rüstet weiter auf - hier zwei Su-35-Kampfflugzeuge aus RusslandBild: picture-alliance/AP Photo/Xinhua/L. Rui

"Ich würde es nicht ein Wettrüsten nennen, jedoch geben diese Länder mehr Geld für Militärausgaben aus und rüsten mit neuen, besseren und leistungsfähigere Waffen auf. Diese Waffen sind oft sehr teuer."

Im neuen Waffenarsenal finden sich zunehmend auch autonome Waffen, Cyberkriegswaffen und biologische Waffen. Unlängst warnte SIPRI auf einer Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin vor der rasanten Entwicklung neuer biologischer Waffentechnologien. 

Saudi-Arabien wird weiterhin beliefert

Trotz fallender Ölpreise und einer Kürzung von 6,5 Prozent waren die Rüstungsausgaben Saudi-Arabiens im vergangenen Jahr so hoch, dass das Land den dritten Platz auf der aktuellen SIPRI-Liste belegt. Der Ölstaat ist mit einem Rüstungsetat von geschätzt 67,6 Milliarden US-Dollar der größte Waffenimporteur weltweit und ein hofierter Gast bei internationalen Rüstungsfirmen.

Die Bundesregierung hatte bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, die Rüstungsexporte wegen der Beteiligung Saudi-Arabiens am Jemen-Krieg zu stoppen. Nach der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi verhängte die Bundesregierung im November  einen Exportstopp für Rüstungsgüter an Saudi-Arabien, tut sich jedoch schwer mit der Umsetzung. Viele Rüstungsgüter der deutschen Waffenindustrie werden in Kooperation mit Partnern in anderen Ländern produziert - wo die Bundesregierung kein Ausfuhrverbot verhängen kann.

Türkei rüstet weiter auf

Auch mit der Türkei wird es für die Bundesregierung zunehmend schwerer, wenn es um Waffenexporte geht. Der Unmut über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und Militäroffensiven gegen die Kurden in Syrien lässt in Deutschland die Kritik an deutschen Waffenlieferungen wachsen. Die Türkei rüstet jedoch unbeirrt weiter auf - im vergangenen Jahr stiegen die Ausgaben um 24 Prozent - und steht mittlerweile auf Platz 15 weltweit.

Ein deutscher Leopard-Panzer - von der Türkei offenbar auch gegen kurdische Truppen in Syrien eingesetztBild: picture-alliance/dpa/XinHua

"Die Türkei gibt immer mehr Geld aus, um ein sehr schnelles Waffenlieferungsprogramm zu finanzieren. Sie kaufen sehr viele Waffen", kommentiert Nan Tian von SIPRI. "Die Türkei weitet außerdem die Militäroffensive gegen kurdische Gruppen in Syrien aus. Das kostet auch eine Menge Geld."

Erzfeinde Indien und Pakistan

Indien steigert im fünften Jahr in Folge die Militäraufgaben - und liegt an vierter Stelle der SIPRI-Liste. Mit 66,5 Milliarden US-Dollar gibt Indien fast sechs Mal so viel Geld für Rüstung aus wie der Nachbar und Erzfeind Pakistan. Die beiden Atommächte setzen ihre Aufrüstung fort, und die Lage im umkämpften Region Kaschmir bleibt unberechenbar und riskant für die gesamte Region.

Generell wird in Asien immer mehr Geld für Rüstung ausgegeben. Laut SIPRI-Bericht ist dieser Trend seit gut 30 Jahren ungebrochen, wobei die Ausgaben von China, Indien, Japan und Südkorea, die alle unter den ersten zehn Ländern sind, den Trend noch verstärkt.

Afrika: Öl gegen Waffen

Als Kontinent kann sich Afrika im diesjährigen Bericht rühmen, weniger Geld für Rüstung auszugeben. Der Trend hält seit vier Jahren an - und für 2018 fällt vor allem auf, dass die vier Länder in Nordafrika mehr Geld für Rüstungsgüter ausgaben als die 45 Länder südlich der Sahara. Die Ausgaben von Sudan fielen sogar mit 49 Prozent, von Angola um 18 Prozent. Allerdings, so Tian von SIPRI, sind diese Angaben mit Vorsicht zu genießen:

"Es gibt ernstzunehmende Vermutungen, dass Sudan viel Geld ausgibt, das nicht aus dem Staatshaushalt kommt und das wir deswegen auch nicht verfolgen können. Es gibt Programme, wo Öleinnahmen direkt zum Militär fließen, doch als Zivilgesellschaft können wir es nicht nachweisen."

SIPRI veröffentlichte im November 2018 eine Studie über die steigende Transparenz bei den Militärausgaben in Afrika. Jedoch dürfte Sudan nicht das einzige Land in Afrika sein, das seine Militärausgaben nicht offen legt:

"Es gibt Berichte und Vorwürfe, dass das in mehreren Ländern Afrikas passiert, insbesondere in Süd-Sudan, Sudan und Angola. Das ist natürlich auch eine Frage der Korruption und wie das Geld ausgegeben wird - und wer davon profitiert", so Tian.

Pro Kopf 239 US-Dollar für Rüstung

Beim SIPRI-Bericht über Militärausgaben werden die Geheimdeals nicht abgebildet. Der Bericht und die Datenbank stützten sich ausschließlich auf frei verfügbaren Quellen und offizielle Angaben. Man muss vermuten, dass die eigentlichen Militärausgaben noch höher sind als die 1822 Milliarden US-Dollar, die SIPRI ausgerechnet hat. Ob Kind, Mann, Frau, ob arm oder reich: Pro Erdenbürger entspricht das 239 US-Dollar für Rüstung. Da Geld nur einmal ausgegeben werden kann, fehle es an anderer Stelle:

"Wenn man überlegt, wie viele Menschen unter der Armutsgrenze von einem oder zwei US-Dollar pro Tag leben, dann macht das bei einer Armutsgrenze von einem Dollar pro Tag 60 Prozent des Jahreseinkommens aus", betont Dr. Nan Tian von SIPRI, der das Projekt 'Weltweite Rüstungsausgaben' leitet. "Das ist eine substantielle Summe, die für Militär ausgegeben wird."

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