1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

SIPRI: Ukraine steigert Waffenimporte um das Hundertfache

10. März 2025

Weltweit bleiben die Waffenexporte konstant, aber die Liste der Empfängerländer hat sich dramatisch geändert. So der aktuelle Bericht des schwedischen SIPRI-Instituts.

Artillerie-Raketengeschoss (ATACMS) wird von einem Kettenfahrzeug (M270) abgefeuert
Waffen wie diese amerikanischen Artillerie-Raketen wurden an die Ukraine geliefert, Präsident Donald Trump hat alle Lieferungen gestoppt Bild: U.S. Army/Avalon/Photoshot/picture alliance

Der zentrale Satz des aktuellen Berichts des renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstituts - kurz SIPRI - mag auf den ersten Blick überraschen: Die weltweiten Waffenexporte stagnieren mehr oder weniger und haben sich, verglichen mit dem Zeitraum von 2010 bis 2019, kaum verändert. Aber beim Blick auf die einzelnen Länder zeigen sich dann die dramatischen geopolitischen Änderungen, die die Welt gerade in Aufregung versetzen.

Die Ukraine ist inzwischen, im Zeitraum von 2020 bis 2024, der größte Empfänger von schweren Waffen weltweit. Verglichen mit den Jahren zwischen 2015 bis 2019, hat das von Russland angegriffene Land seine Importe fast um ein Hundertfaches gesteigert, eine atemberaubende Entwicklung. Fast neun Prozent aller weltweiten Waffenexporte landeten am Ende in dem angegriffenen osteuropäischen Land.

Russlands Aggression und die Angst vor Amerika

Im gleichen Zeitraum stiegen die Waffenimporte der anderen europäischen Länder um 155 Prozent. Auch das eine direkte Folge der russischen Aggression, die im Februar 2022 begann. Und: Laut Aussage der Stockholmer Wissenschaftler ist der Grund dafür auch die Unsicherheit über die Entwicklung der US-amerikanischen Außenpolitik. Dazu sagt Mathew George, einer der Autoren der neuen SIPRI-Studie: "Die neuen Zahlen bei den Waffenlieferungen reflektieren die Aufrüstung, die in den Staaten Europas als Antwort auf die neue Bedrohung aus Russland einsetzte. Und auf der anderen Seite verzeichneten einige der weltweit großen Waffenimporteure wie Saudi-Arabien, China und Indien größere Rückgänge, trotz der auch in ihren Regionen gestiegenen Bedrohungswahrnehmung."

USA bei weitem größter Ukraine-Unterstützer - bislang

35 Staaten, so der Bericht, haben sich im dargestellten Zeitraum an Waffenlieferungen an die Ukraine beteiligt. Zwischen 2020 und 2024 erhielt das Land so 8,8 Prozent aller weltweiten Exporte. Dabei standen die USA für 45 Prozent aller Lieferungen, gefolgt von Deutschland mit zwölf Prozent und Polen mit elf Prozent. Diese Relationen zeigen noch einmal überdeutlich, welche Verwerfungen möglich sind, wenn sich die USA unter dem neuen Präsidenten Donald Trump tatsächlich ganz aus der militärischen Unterstützung der Ukraine zurückziehen sollten. Unter den zehn führenden Waffenimporteuren weltweit war die Ukraine im Zeitraum zwischen 2020 und 2024 das einzige europäische Land. Obwohl auch andere europäische Länder ihre Waffenbestellungen und Lieferungen signifikant steigerten. 

SIPRI-Forscher: USA werden weiter an Europa liefern

Dazu sagt Pieter Wezeman, Forscher am Stockholmer Institut: "Nachdem sich Russland zunehmend aggressiv zeigte und die transatlantischen Beziehungen schon während der ersten Präsidentschaft von Donald Trump in den USA unter Stress gerieten, begannen die europäischen NATO-Staaten damit, ihre Abhängigkeit von Importen zu mindern und die europäischen Waffenschmieden zu stärken." Aber, so Wezeman weiter: Die enge Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA bei der Versorgung mit Waffen habe tiefe Wurzeln, nach wie vor würden Exporte aus den USA vor allem an die europäischen NATO-Partner weiter zunehmen. Donald Trump war schon von 2017 bis 2021 US-Präsident und übernahm das Amt erneut im Januar dieses Jahres. Jetzt stoppte er nach einem beispiellosen Streit mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi die militärische Unterstützung der Ukraine. Ob das so bleibt, steht in den Sternen.

USA bleiben führend - Russland fällt zurück

Größter Exporteur von Waffen weltweit bleiben damit die USA: 43 Prozent aller Waffen weltweit kommen aus den Vereinigten Staaten, die zwischen 2020 und 2024 an insgesamt 107 Staaten lieferten. Mathew George sagt dazu: "Bei den Waffenexporten sind die USA in einer einzigartigen Position: Ihr Anteil an den Exporten ist mehr als viermal so hoch wie der des zweitplatzierten Landes, Frankreich."

Russland dagegen exportierte zwischen 2015 und 2024 63 Prozent weniger Waffen, in den Jahren 2021 und 2022 war das Gesamtexportvolumen das geringste der vergangenen zwei Jahrzehnte. Kein Wunder: Offenbar schon in Kriegsvorbereitung, rüstete das Land eher selbst auf, als Waffen woandershin zu verkaufen. SIPRI-Forscher Pieter Wezeman sagt: "Der Krieg gegen die Ukraine hat den Absturz der russischen Waffenexporte noch einmal beschleunigt, weil jetzt mehr Waffen auf den Schlachtfeldern dort benötigt wurden. Und Sanktionen machten es für die Russen schwieriger, Waffen zu produzieren und zu verkaufen." Wenn das Land noch Waffen verkaufte, dann vor allem an China und Indien.

Kaum beachtet, aber wichtig: Golfstaaten und Asien

Vier der zehn größten Empfängerländer von Waffen zwischen 2020 und 2024 sind Staaten der Golfregion: Katar, Saudi-Arabien, Ägypten und Kuweit. Und vier weitere Staaten unter den ersten zehn Empfängern kommen aus Asien und Ozeanien: Indien, Pakistan, Japan und Australien. Siemon Wezeman, auch er einer der SIPRI-Mitarbeiter, wundert sich darüber, dass das so wenig wahrgenommen wird: "Während Waffenlieferungen nach Europa oder in den Nahen und Mittleren Osten weiterhin die größte Aufmerksamkeit in den Medien erhalten, bleiben Asien und Ozeanien die größte Region weltweit, was Waffenimporte angeht." Und: Trotz des Krieges im Gazastreifen, der im Oktober 2023 begann, gab es bei den Waffenimporten Israels zwischen 2015 und 2024 so gut wie keine Veränderungen. Für ihre militärischen Operationen seit dem Ausbruch des Krieges verwendeten die Israelis, so der SIPRI-Bericht, vor allem Waffen, die ihnen zuvor bereits geliefert wurden, in erster Linie aus den USA.

Der Brite Dan Smith ist seit fast zehn Jahres Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts und damit Chef von rund 60 MitarbeiternBild: Jonas Ekstromer/TT/IMAGO

Im Volumen Stagnation, mit großen Verschiebungen

Fazit: Der weltweite Waffenhandel stagniert im Gesamtvolumen, aber die Veränderungen zwischen den Ländern, die die Waffen am Ende empfangen, sind gravierend. Und weitere Entwicklungen kündigen sich in rasantem Tempo an: Deutschland will etwa in den nächsten Jahren astronomische Summen in die Bundeswehr und die weitere Unterstützung der Ukraine investieren, Experten rechnen mit einer Größenordnung von rund 400 Milliarden Euro. Solche Programme lassen vor allem die Profite der weltweiten Waffenschmieden steigen: Wie SIPRI bereits im Dezember 2024 bilanzierte, erhöhten sich allein 2023 die Umsätze der 100 größten Waffenhersteller weltweit um 4,2 Prozent auf rund 632 Milliarden Dollar.

SIPRI: Ein Institut als Dank für die lange Friedensphase

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI gilt als eine der seriösesten Quellen zu den Themen Waffenproduktionen und Exporte. Die Berichte der rund 60 Forscher aus der schwedischen Hauptstadt waren etwa lange Jahre Grundlage von Abrüstungsgesprächen zahlreicher Staaten. Gegründet wurde das Institut, das auch staatliche Gelder erhält, 1966. Zuvor hatte sich der damalige schwedische Ministerpräsident Tage Erlander dafür stark gemacht. Er schlug 1964 die Gründung der Forschungseinrichtung vor: als Dank für die zu diesem Zeitpunkt bereits 150 Jahre andauernde Friedensphase in dem skandinavischen Land. 

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen