"Situation an der Grenze ist unter Kontrolle"
2. Dezember 2015 Deutsche Welle: Kürzlich haben wir wieder dramatische Szenen an der griechisch-mazedonischen Grenze erlebt. Zahlreiche Flüchtlinge müssen unter schwierigen Bedingungen im "Niemandsland" an der Grenze ausharren. Wie ist die aktuelle Lage?
Oliver Spasovski: Die Situation an der Grenze ist unter Kontrolle und stabil. Die Polizei handelt sehr professionell. Wir haben Verständnis für die schwierige Situation dieser Menschen. Die meisten sind hier nicht, weil sie es so wollen, sondern weil sie dazu gezwungen worden sind. Sie haben einen langen Weg hinter sich, wurden oft schlecht behandelt, viele reisen mit kleinen Kindern. Das führt manchmal dazu, dass sie wütend werden.
Das alles gibt aber niemandem das Recht, die Sicherheitskräfte, die hier nur ihre Arbeit machen, anzugreifen und zu verletzen. Die Sicherheitskräfte sind sich aber ihrer Verantwortung bewusst und sie handeln dementsprechend. Das trägt dazu bei, dass die unerwünschten Szenen doch weitgehend verhindert werden können. Die Flüchtlingskrise betrifft die Bürger Mazedoniens genau so wie alle Bürger Europas, denn das ist ein gemeinsames Problem. Die Republik Mazedonien muss ihrerseits alles unternehmen, um die Stabilität für die Bürger von Mazedonien einerseits und gleichzeitig die Aufnahme der Flüchtlinge auf menschliche Weise andererseits zu gewährleisten. Das mazedonische Innenministerium handelt auch in diesem Sinne.
Was wird passieren, wenn immer mehr der Menschen, die Sie an der Grenze prüfen, als "Wirtschaftsmigranten" kategorisiert werden und man ihnen deswegen die Einreise nach Mazedonien verweigert? Warum wurde überhaupt der sogenannte "selektive Ansatz" eingeführt?
Die Zahl der Migranten ist gestiegen und deswegen haben wir Maßnahmen ergriffen, wie die anderen Länder der Region, Slowenien, Kroatien oder Serbien. Transit wird nur den Flüchtlingen aus Krisenländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak ermöglicht. Wie Sie wissen, kamen Botschaften aus den EU-Ländern, dass Wirtschaftsmigranten nicht akzeptiert werden können. Auf der anderen Seite gibt es internationale Übereinkommen, die jedem das Recht auf Schutz zusichern.
Die EU muss sich in Bezug auf dieses Thema klar positionieren, so dass es zu keinen Spannungen an der mazedonischen Grenze und in der Region kommt. Das ist im Interesse aller. Wir stehen in ständigem Kontakt mit der EU und alle unsere zukünftigen Aktivitäten werden in Abstimmung mit der EU durchgeführt. Ich möchte noch einmal betonen, dass dies nicht nur ein Problem für Mazedonien, sondern ein Problem für Europa ist. Daher ist von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung dieser Krise ein Höchstmaß an Zusammenarbeit.
Griechenland gibt Mazedonien die Schuld für den Stau an der Grenze. Gibt es eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern bei dem Flüchtlingsproblem?
Um die Situation in den Griff zu bekommen, müssen wir mit allen Ländern der Region und in Europa kommunizieren und unsere Arbeit koordinieren. Das tun wir auch. In dem Sinne arbeiten wir auch mit der griechischen Polizei zusammen, um die Sicherheit sowohl in Mazedonien als auch in Griechenland zu gewährleisten. Die angespannte Situation kann nur durch die Vereinbarung von Lösungen überwunden werden, die die Sicherheitslage in beiden Ländern nicht bedrohen. Und das ist nur möglich, wenn wir zusammen arbeiten.
Die UNHCR hat die mazedonische Flüchtlingspolitik kritisiert. Der Winter naht - was wird Ihr Land tun, um die Situation zu verbessern?
Durch die internationalen Abkommen ist Mazedonien verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen, hat aber gleichzeitig die Verantwortung, seine Bürger und die Stabilität des Landes zu schützen. Lange Zeit hat man die Flüchtlingsfrage ignoriert und vernachlässigt. Wie viele Flüchtlinge sind in dieser Zeit illegal in Mazedonien geblieben und zu welchem Zweck? Das ist ein ernstes Problem. Mein Ministerium und ich sind fest entschlossen, gemäß unseren Kompetenzen, die Bürger Mazedoniens zu schützen. Gleichzeitig hoffe ich, dass Mazedonien es schaffen wird, auf alle Herausforderungen die richtigen Antworten zu finden. Das schließt natürlich den Schutz der Menschenrechte sowie die humane Behandlung von Menschen, die Schutz brauchen, mit ein.
Oliver Spasovski ist seit dem 11. November 2015 Innenminister Mazedoniens. Er hat Jura studiert und ist Mitglied der Sozialdemokratischen Union Mazedoniens.
Das Gespräch führte Zoran Jordanovski