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Skandal um Misshandlungen bei der Bundeswehr

23. November 2004

Im Skandal um die Misshandlung von Bundeswehr-Rekruten hat Bundesverteidigungsminister Peter Struck Konsequenzen für die Verantwortlichen angekündigt. Folter habe es nie gegeben.

Nicht getraut darüber zu reden: Rekruten in CoesfeldBild: AP

In einer Kaserne im nordrhein-westfälischen Coesfeld seien Soldaten während einer Übung gequält worden, so der Vorwurf. "Hier geht es um unverantwortliche Ausbildungsmethoden, die man auf keinen Fall tolerieren kann", sagte Struck am Montag (22.11.) am Rande einer Veranstaltung in Berlin.

Suspendierungen und Disziplinarverfahren

An der Misshandlung haben sich nach Informationen des Bundeswehr-Verbandes fünf Unteroffiziere direkt beteiligt. Die Staatsanwaltschaft Münster ermittelt gegen 20 Unteroffiziere und einen Hauptmann. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wolfgang Schwer, sagte, die Zahl der Beschuldigten könne noch weiter steigen. Da es sich aber nur um eine Kompanie handele, werde die Zahl überschaubar bleiben. Den Ausbildern in Coesfeld wird vorgeworfen, sie hätten mit Rekruten mehrfach eine Geiselnahme nachgestellt, bei der Soldaten zum Schein entführt, gefesselt und in zwei Fällen mit Stromstößen gequält worden sein sollen. Die Beschuldigten wurden vom Dienst suspendiert. Parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die durch Informationen der Bundeswehr ausgelöst wurden, laufen Disziplinarverfahren.

"Keine Folter"

Erklärungsversuche: Bundesverteidigungsminister Peter StruckBild: AP

"Alle diejenigen, die dafür verantwortlich sind, werden entsprechend auch zur Rechenschaft gezogen", sagte Struck. Nach seiner Einschätzung handele es sich aber um Einzelfälle, nicht um ein strukturelles Problem in der Bundeswehr. Für ihn gelte trotz der Vorwürfe weiterhin die Aussage, dass deutsche Soldaten nicht folterten. Das hatte Struck im Zusammenhang mit den Foltervorwürfen gegen US-Soldaten im Irak schon betont. "Für mich gilt dieser Satz natürlich nach wie vor. Es handelt sich um keine Folter in dem Sinne, dass man von einem Gefangenen Informationen erpressen will. Hier geht es um unverantwortliche Ausbildungsmethoden, die man in keiner Weise tolerieren kann."

Struck will den Verteidigungsausschuss am Mittwoch in einer Sondersitzung ausführlicher über die Vorfälle unterrichten. Die Sitzung sei aber nicht wegen der Berichte über die Misshandlungen anberaumt worden, sondern wegen anderer Themen.

Aufklärung

Mehrere Bundestagsabgeordnete und der Wehrbeauftragte des Bundestags, Wilfried Penner, forderten von Struck die Aufklärung der Vorwürfe: "Wichtig ist, dass das Rahmengeschehen aufgeklärt wird, damit man versteht, wie und warum diese Art von Ausbildungsverhalten entstanden ist." Es soll nun geprüft werden, ob diese Praktiken auf Coesfeld beschränkt waren oder im System der Ausbildung liegen. Keiner der Betroffenen hatte sich von sich aus an den Wehrbeauftragten oder die Staatsanwaltschaft gewandt. Die Vorbereitung auf Geiselnahmen in Konfliktgebieten gehört zwar zur Ausbildung vor Auslandseinsätzen. Der Missbrauch soll aber im Rahmen der Ausbildung von Grundwehrdienstleistenden stattgefunden haben, die nicht an Auslandseinsätzen teilnehmen. (kw)

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