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PolitikJapan

Skandale bei Japans Militär - Marinechef ausgetauscht

Martin Fritz in Tokio
Veröffentlicht 17. Juli 2024Zuletzt aktualisiert 18. Juli 2024

Rund 220 Streitkräfte wurden in Japan bestraft, elf von ihnen sogar entlassen. Es geht um den Umgang mit sensiblen Daten oder Gefahrenzulagen für Aufgaben, die nie wahrgenommen wurden.

Militärboote auf dem Meer
Fahrt ins Ungewisse: Boote der japanischen Ground Self-Defense Force's Amphibious Rapid Deployment Brigade (ARDB) Bild: Issei Kato/REUTERS

Eine Reihe von Skandalen im japanischen Militär hat weitreichende Folgen. Das japanische Verteidigungsministerium hat angekündigt, den Marinechef auszutauschen und verhängt Disziplinarmaßnahmen gegen mehr als 200 Soldaten und Zivilisten. Die größte Verfehlungsserie seit Jahren ist peinlich für Premierminister Fumio Kishida, der die "Selbstverteidigungsstreitkräfte" für künftige Auseinandersetzungen mit China und Nordkorea durch Waffenkäufe und Kooperationen stärken will. 

"Durch diese inakzeptablen Probleme wurde das öffentliche Vertrauen missbraucht", erklärte Verteidigungsminister Minoru Kihara vergangene Woche in Tokio. Insgesamt wurden 220 Personen bestraft. Elf wurden entlassen, zwei degradiert, 83 suspendiert, 14 bekamen Gehaltskürzungen und sieben erhielten einen formellen Verweis. Die Übrigen wurden ermahnt oder verwarnt.

Nationale Sicherheit bedroht

Bei rund der Hälfte der Vergehen ging es um Disziplinlosigkeit bei Geheiminformationen. So erhielten viele Personen ohne Sicherheitsfreigabe Zugang zu Daten über die Bewegung von Kriegsschiffen. "Solch schlampiges Informations-Management ist ein ernstes Problem der nationalen Sicherheit", klagte die liberale Zeitung Mainichi.

Die kleineren Vergehen zeugen von laxer Moral: Dutzende Marinetaucher beanspruchten Gefahrenzulagen von insgesamt 250.000 Euro für Aufgaben, die sie gar nicht wahrgenommen hatten. Vorgesetzte schüchterten Untergebene verbal ein, obwohl zu einer Sonderuntersuchung gekommen waren, nachdem drei Offiziere im Jahr 2021 wegen sexueller Belästigung der Soldatin Rina Gonoi verurteilt wurden. Marine-Angehörige gingen in Kantinen von Stützpunkten unberechtigt kostenlos essen. Außerdem läuft eine Sonderinspektion, wonach der Rüstungszulieferer Kawasaki Heavy Industries U-Boot-Besatzungen mit Elektronikwaren und Biergutscheinen geschmiert haben soll.

Führungswechsel in der Marine

Der Stabschef der Marine, Ryo Sakai, sollte mit einer Gehaltskürzung davonkommen, reichte aber am vergangenen Freitag seinen Rücktritt ein, da der Schwerpunkt der Vorfälle bei den Seestreitkräften liegt. Als Ursachen nannte Sakai die "mangelnde Beachtung der Vorschriften bei den Truppen und die mangelnde Führungsfähigkeit in der Organisation". Vizeadmiral Akira Saito übernimmt Sakais Posten am 19. Juli. Gerügt wurden auch Vizeverteidigungsminister Kazuo Masuda und General Yoshihide Yoshida, Chef des Generalstabs des Ministeriums. Minister Kihara verzichtet freiwillig auf ein Monatsgehalt.

In der Kritik: Japans Premier Fumio Kishida (links vorne in grüner Jacke) und Verteidigungsminister Minoru Kihara (rechts vorne in grüner Jacke)Bild: K. Narax/Future Image/IMAGO

Premierminister Kishida stellte sich hinter Kihara und entschuldigte sich. "Ich erkenne an, dass die Situation extrem ernst ist und verstehe, dass es in diesem Zusammenhang keinen Raum für Fehler gibt", sagte der Regierungschef. Die Vorfälle gefährden seine Politik, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes bis 2027 zu verdoppeln und die militärischen Beziehungen zu Verbündeten auszubauen.

"Wenn die SDF weiterhin von diesen Problemen geplagt wird, ist es unwahrscheinlich, dass die Öffentlichkeit den Vorschlag der Regierung unterstützt, die Verteidigungsausgaben drastisch zu erhöhen, ganz zu schweigen von Steuererhöhungen zur Finanzierung", meinte die liberale Zeitung Asahi.

Bisher hat Kishida es vermieden, sich auf den Zeitpunkt von Steuererhöhungen festzulegen, mit denen er die Extraausgaben finanzieren will. Laut dem neuen Verteidigungsweißbuch hat die Regierung bislang 42 Prozent der benötigten 43,3 Billionen Yen (250 Milliarden Euro) für zusätzliche Rüstungsprojekte sichergestellt.

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Zweifel an Japans Zuverlässigkeit

Japans Verbündete dürften vor allem über die laxe Geheimhaltung in den Streitkräften besorgt sein. Im Mai war ein neues japanisches Gesetz in Kraft getreten, das ein Freigabesystem für den Zugang zu Verschlusssuchen nach westlichem Vorbild einführt. Nun werden frühere Zweifel zurückkehren, ob man Japan bei einer engeren militärischen Kooperation sensible Daten anvertrauen kann.

So wollen Japan und die USA bis Anfang 2025 eine gemeinsame Einsatzzentrale einrichten, um eine integrierte Führung der japanischen Streitkräfte auch in Friedenszeiten zu ermöglichen. Darüber sprechen Verteidigungsminister Kihara und Außenministerin Yoko Kamikawa noch im Juli mit ihren US-Amtskollegen. "Wir werden radikale Maßnahmen ergreifen, um die Informationssicherheit zu stärken", antwortete Kihara auf die Frage, ob die mangelnde Disziplin bei der Geheimhaltung die Kooperation in Frage stellt.

Am Freitag beginnt die japanische Luftwaffe eine gemeinsame Militärübung mit deutschen, französischen und spanischen Luftstreitkräften in Japan im Rahmen des zweimonatigen Manövers "Pacific Skies 2024". Die Übungen mit Deutschland und Spanien finden auf der Nordinsel Hokkaido statt. Auch die Bundeswehr dürfte großes Interesse daran haben, dass Japans Streitkräfte geheime Militärinformationen besser schützen als bisher.