Skepsis bestimmt Griechenland-Beratungen
11. Juli 2015"Heute ist ein sehr wichtiger Tag für die Eurozone, für Europa." Dieser Feststellung von EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hätte es wohl kaum bedurft. Die Finanzminister der 19 Euro-Länder wissen, was auf dem Spiel steht: der Verbleib Griechenlands in der Eurozone. Sie müssen entscheiden, ob die jüngsten griechischen Reformvorschläge als Grundlage dienen können, um mit dem kurz vor der Pleite stehenden Griechenland Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm, diesmal aus den Mitteln des Euro-Rettungsfonds ESM, zu beginnen. Ohne diesen grundsätzlichen Beschluss der Euro-Finanzminister, die zugleich Gouverneursräte des ESM sind, kann es keine Kredithilfen geben. "Es ist wohl klar, was die Konsequenzen sind, wenn es keine Einigung gibt", sagte ein hochrangiger EU-Beamter. Nämlich das Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone.
Schon bei ihrem Eintreffen in Brüssel zeigten sich die Finanzminister der Euro-Länder überwiegend skeptisch. Der Eurogruppen-Vorsitzende Jeroen Dijsselbloem sagte, es gäbe "schwierige" Gespräche. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach sogar von "außergewöhnlich schwierigen Verhandlungen". Er fügte hinzu, dass er "noch lange nicht" sehe, dass man "zu einem leichten Ergebnis" kommen werde. Und der ansonsten kommentierfreudige Finanzminister Finnlands, Alexander Stubb, verschwand wortlos im Tagungsgebäude.
Bewertung der Reformvorschläge
Grundlage der noch immer andauernden Diskussionen sind die Reform- und Sparvorschläge, die Griechenland Donnerstagnacht fristgerecht eingereicht hatte. Tags zuvor hatte die Regierung in Athen einen Antrag auf Finanzhilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM gestellt.
Die Liste der Vorschläge beinhaltet beispielsweise die Absicht, die Mehrwertsteuer zu reformieren und schrittweise die meisten Steuervergünstigungen für die griechischen Inseln abzuschaffen. Außerdem soll die Unternehmenssteuer von 26 auf 28 Prozent steigen. Militärausgaben sollen hingegen in diesem und dem nächsten Jahr um insgesamt 300 Millionen Euro gesenkt werden. Versprochen wird auch, das gesetzliche Rentenalter bis 2022 auf 67 Jahre anzuheben, sowie einige regionale Flughäfen und die Häfen von Piräus, Thessaloniki und Hellinikon zu privatisieren.
Zur Bewertung der Reformvorschläge liegt den Finanzministern die Einschätzung der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor. Diese Institutionen waren auch gefordert zu prüfen, ob die Voraussetzungen des ESM-Vertrages erfüllt sind: Ist die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt gefährdet? Ist die Staatsverschuldung Griechenlands tragfähig? Und wie hoch ist der Finanzierungsbedarf tatsächlich?
Frage der Glaubwürdigkeit
Eurogruppen-Chef Dijsselbloem betonte, für die Finanzminister sei die Frage des Vertrauens in die griechische Regierung entscheidend. Immerhin hatte diese die monatelangen Verhandlungen über die Vollendung des zweiten Hilfsprogramms abgebrochen und die eigene Bevölkerung aufgerufen, in einem Referendum gegen diese Sparpläne zu stimmen.
Für den deutschen Finanzminister ist das nach wie vor ein Widerspruch: "Wir hatten vor noch nicht einmal einer Woche ein Referendum, in dem klar gesagt worden ist, man entscheidet sich gegen jede Art von Konditionalität - und jetzt sagt man das Gegenteil", kritisierte Schäuble.
Umsetzung der Reformen?
Deshalb forderte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling von der griechischen Regierung Garantien: "Zum einen müsste das griechische Parlament unmittelbar beschließen, dass die Maßnahmen, die jetzt vorgeschlagen worden sind, im Rahmen eines Gesetzentwurfes akzeptiert werden", sagte Schelling. "Und innerhalb von 14 Tagen sollte es eigentlich möglich sein, dass man die einzelgesetzlichen Maßnahmen trifft, damit die Umsetzung beginnen kann."
Ähnlich äußerte sich auch der maltesische Finanzminister. Edward Scicluna sah zudem das Abstimmungsergebnis kritisch, mit dem das griechische Parlament in der Nacht zum Freitag Ministerpräsident Alexis Tsipras ein Mandat über Verhandlungen mit den Geldgebern erteilt hatte. Die Zustimmung des Parlaments beruhte dabei allerdings zu einem wesentlichen Teil auf Stimmen der Opposition: Aus dem Regierungslager, das über 162 Mandate verfügt, kamen nur 145 der insgesamt 251 Ja-Stimmen. "Es ist ziemlich schwierig, Gesetzesvorhaben durchzubringen, wenn die eigene parlamentarische Mehrheit bröckelt", meinte Scicluna.
Forderungen aus Athen sind weitreichender
Zahlreiche Finanzminister bemängelten bei ihrem Eintreffen in Brüssel auch, dass die Reformvorschläge nicht umfassend genug seien. Mittlerweile gehe es um sehr viel mehr, als noch vor wenigen Wochen.
"Bislang haben wir immer über die Vollendung des bisherigen Programms geredet, mit begrenzten Summen", sagte Schäuble. "Jetzt reden wir über ein volles dreijähriges Programm." Das allein zeige, dass es nicht reichen könne, die Liste der im Juni diskutierten Spar- und Reformvorschläge erneut vorzulegen. Außerdem gehe es um ganz andere Summen, meinte Schäuble: Man habe es mit Finanzierungslücken zu tun, "die jenseits all dessen sind, mit dem wir in der Vergangenheit beschäftigt waren." Sein österreichischer Amtksollege Schelling nannte für das jetzt in Rede stehende neue dreijährige Programm einen Gesamtumfang von etwa 72 Milliarden Euro.