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Ski alpin: Weltcup am Matterhorn entwickelt sich zur Farce

19. November 2023

Eine Woche nach den abgesagten Abfahrtsrennen der Männer, können auch die Frauen in Zermatt-Cervinia nicht starten. Damit fällt das Prestige-Event des umstrittenen Ski-Weltverbandschefs Johan Eliasch erneut aus.

Helfer bauen beim Skiweltcup in Zermatt-Cervinia die Anlagen an der Ziellinie ab, nachdem das Rennen abgesagt wurde
Acht alpine Abfahrtsrennen hätten seit 2022 unterhalb des Matterhorns stattfinden sollen - alle wurden abgesagtBild: Alessandro Della Valle/KEYSTONE/picture alliance

Das Prestigeprojekt von FIS-Präsident Johan Eliasch entwickelt sich immer mehr zur Lachnummer oder zum Ärgernis - je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Der schwedisch-britische Geschäftsmann war 2021 zum Präsidenten des Ski-Weltverbands gewählt worden und hatte durchgesetzt, dass zu einem frühen Zeitpunkt des Winters Abfahrtsrennen vor der beeindruckenden Kulisse des Matterhorns stattfinden sollten.

Doch auch beim siebten und achten Versuch, endlich eine Weltcup-Premiere auf der "Gran Becca"-Piste im Skigebiet Zermatt-Cervinia auf der Grenze zwischen der Schweiz und Italien hinzubekommen, scheiterten die Organisatoren an den Wetterbedingungen. Eine Woche nachdem bei den Männern zwei geplante Abfahrtsrennen wegen zu starken Schneefalls und Wind nicht stattfinden konnten, machte an diesem Wochenende auch den Frauen der Sturm einen Strich durch die Rechnung. Bereits 2022 waren bei Männern und Frauen jeweils zwei Abfahrten wegen schlechter Wetterbedingungen abgesagt worden. Das passt dazu, dass auch beim Weltcup-Auftakt im alpinen Skisport in Sölden Ende Oktober der Riesenslalom der Männer wegen zu starken Sturms abgebrochen werden musste.

Aktive, Trainer und andere Experten bemängeln seit der Aufnahme der Matterhorn-Rennen in den Weltcup-Kalender den Zeitpunkt der Veranstaltungen. Der Start der Rennstrecke befindet sich in rund 3700 Metern Höhe und gilt ohnehin als windanfällig. Hinzu kommt, dass das Wetter im November instabil ist.

Falscher Zeitpunkt, kurze Vorbereitung

"Das ist sehr frustrierend", hatte der deutsche Cheftrainer Christian Schwaiger bereits nach der Absage bei den Männern gesagt. "Wir waren motiviert, dass es heute endlich losgeht." Überraschend kam das Aus für die erste Herren-Abfahrt am 11. November allerdings nicht. Dass das Rennen ausfallen könnte, das auf der Schweizer Seite des Skigebietes von Zermatt-Cervinia beginnen und in Italien enden sollte, war aufgrund der Wetterprognose befürchtet worden. Die Sportler konnten zuvor bereits zwei Trainingseinheiten nicht bestreiten. Am Renntag tobten dann rund um die Strecke teils so heftige Böen, dass auch der Gondelbetrieb aus Sicherheitsgründen eingestellt wurde. Auch am Sonntag waren die Bedingungen nicht besser.

Bilder, wie man sich eigentlich gewünscht hätte: Ski-Weltcup-Rennen vor dem MatterhornBild: Jean-Christophe Bott/KEYSTONE/dpa/picture alliance

Ein weiterer Grund, der für eine Verlegung der Rennen in den späten Winter spricht, ist die Schwierigkeit der Strecke am Matterhorn. Unfit und ohne gezielte Vorbereitung kann man die "Gran Becca" nicht fahren. Sie ist mit 3,7 Kilometern sehr lang und kräftezehrend. "Der Zeitpunkt Anfang oder Mitte November bedeutet, dass die Athleten schon im Vorfeld einen unfassbaren Aufwand betreiben müssen, weil sie bis zu diesem Zeitpunkt fit werden müssen", sagte der Ex-Skirennläufer und heutige TV-Experte Felix Neureuther in der ARD.

Damit einher geht, dass Skifahrerinnen und Skifahrer vor der Saison weite Wege zum Training auf sich nehmen müssen. Einige nutzen den Winter auf der Südhalbkugel in Neuseeland, andere trainieren in Argentinien oder Chile.

Kritik am Weltverband und FIS-Präsident Eliasch

Und auch das sich aufheizende Klima spielt in der Diskussion eine Rolle: "Die Veranstalter mussten im Vorfeld sehr viel Aufwand betreiben, um die Piste in den nötigen Zustand zu bekommen", sagte Neureuther. "Im Gletscher sind Gletscherspalten drin. Da liegt [Mitte November] noch nicht so viel Naturschnee, dass man da drüberfahren kann. Das wäre aber im Frühling gegeben. Deswegen wünschen sich eigentlich alle, dass man diese Abfahrt nach hinten ins Frühjahr verlegt. Da ist es eine geniale Abfahrt mit einer tollen Kulisse."

Der schwedisch-britische Geschäftsmann Johan Eliasch ist seit Juni 2021 Präsident des Ski-Weltverbands FISBild: Pierre Teyssot/MAXPPP/dpa/picture alliance

"Wir haben uns ganz klar positioniert, was wir für eine Vorstellung haben, wo und wie man mit dem Weltcup beginnen kann", sagte auch Wolfgang Maier, der Alpinchef des Deutschen Skiverbands (DSV), nach den abgesagten Männerrennen im Gespräch mit der ARD. "Das haben wir jetzt rauf und runter gepredigt in den letzten Wochen. Man braucht ja bloß heute nach Levi zu schauen", fügte er hinzu. "Dort ist der tiefste Winter. Dort ist genau das, was wir in den Wintersport der gerne sehen wollen."

Im finnischen Levi, nördlich des Polarkreises, fanden am 11. und 12. November parallel zu den geplanten Rennen der Männer am Matterhorn zwei Slaloms der Frauen statt - bei besten Bedingungen und vor wunderschöner Winterkulisse. Die Deutsche Lena Dürr belegte den zweiten Platz und musste sich nur der überragend fahrenden Slowakin Petra Vhlova geschlagen geben. Auch am Sonntag zeigte sich Dürr in bester Verfassung. Diesmal wurde sie hinter US-Superstar Mikaela Shiffrin und der Kroatin Leona Popovic Dritte.

Verschiebungen im Terminkalender möglich?

FIS-Präsident Eliasch, der neben seinem Verbandsposten CEO der Skifirma Head und Multimilliardär ist, kennt die Argumente seiner Kritiker, verweist aber immer darauf, dass der enge Zeitplan keine Verschiebungen zulässt. Ansonsten stünden nur 15 Wochenenden zur Verfügung - zu wenig für die angesetzten Rennen. Bei Frauen und Männern sind es jeweils 45.

Maier hält das für falsch. "Ich bin jetzt schon seit 1992 im Weltcup und wir sind immer um die 44 oder 45 Rennen gefahren. Und wir haben eigentlich - abgesehen von Sölden [wo seit 2000 jeweils Ende Oktober der Weltcup-Auftakt stattfindet, Anm.d.Red.] erst gegen Ende November begonnen."

Der deutsche Alpin-Direktor Wolfgang Maier könnte auch mit einem verkürzten Weltcup-Winter gut lebenBild: Sammy Minkoff/IMAGO

Maier und viele andere Protagonisten der alpinen Ski-Szene fühlen sich längst als Spielball im Konflikt zwischen den eigenen, sportlichen Interessen, dem, was Klimaaktivisten und Naturschützer fordern, den Anliegen von Politikern und Tourismusverbänden sowie dem eigenen Weltverband. Ähnlich wie in Sölden sorgten die Vorbereitungen, die nötig waren, um frühe Weltcuprennen überhaupt möglich zu machen - für harsche Kritik von Umweltschützern.

Veränderungen wohl unumgänglich

"Die touristische Entwicklung hat weiterhin Vorrang vor dem Erhalt unserer Umwelt, wie im 20. Jahrhundert", beklagten die Grünen des Schweizer Kantons Wallis kürzlich. Bilder von Baggerarbeiten auf dem Theodulgletscher unterhalb des Matterhorns hatten für Empörung gesorgt. Greenpeace Schweiz und andere Naturschutzorganisationen äußerten den Verdacht, dass die Arbeiten teils außerhalb der zugelassenen Sportzone stattfinden.

Da diese Kritik nicht leiser werden wird und der alpine Skisport insgesamt schon jetzt infrage gestellt wird, muss es über kurz oder lang wohl Veränderungen geben. Auch Johan Eliasch und der FIS kann es nicht egal sein, wenn ständige Absagen oder Rennen vor einer Bergkulisse, in der kaum oder gar kein Schnee liegt, ihrem Produkt schaden.

"Es ist so ein genialer Sport, nicht nur für die Athletinnen und für die Athleten, für die Kinder, für die Jugendlichen, auch für die Zuschauer, für diejenigen, die das Skifahren lieben", sagte Felix Neureuther. "Aber ich glaube, in einer Zeit wie dieser muss man sich anpassen." 

Der Artikel wurde am 19. November aktualisiert.

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