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Ski-Weltcup: Doppelter Klimawandel bedroht Wintersport

27. Oktober 2023

Die Klimaerwärmung macht den Aufwand, alpine Skirennen und andere Schnee-Wettbewerbe auszurichten, immer größer. Dadurch kippt die Stimmung in Bezug auf Wintersport - mit Folgen auch für die Olympischen Winterspiele.

Skirennfahrer Henrik Kristoffersen beim Riesenslalom in Sölden 2022
Trotz Schneemangels und hohen Aufwands bei der Pistenvorbereitung findet der Weltcup-Auftakt in Sölden traditionell Ende Oktober stattBild: Barbara Gindle/APA/picture alliance

Am Ende hatte es doch noch ein wenig geschneit auf dem Rettenbachferner bei Sölden in Österreich: Auf dem rund 3000 Meter hoch gelegenen Gletscher startete am vergangenen Wochenende der alpine Ski-Weltcup mit zwei Riesenslalom-Rennen in die neue Saison - dank ein paar Zentimetern Neuschnee in winterlicher Kulisse. Der Weltcup-Auftakt gelang aber nur leidlich: Während die Frauen am Samstag ein reguläres Rennen absolvierten, musste der Männer-Wettbewerb am Sonntag wegen Sturm abgebrochen werden. Über allem schwebte ohnehin die Klimadiskussion.

Seit dem Jahr 2000 findet in Sölden traditionell die Auftaktveranstaltung des Winters statt. Wobei von echtem Winter bis zuletzt allerdings kaum etwas zu spüren war: Die Berge rund um den Rettenbachferner waren kaum mit Schnee bedeckt.

Die Hänge Richtung Tal waren grün, die Bäume leuchteten in Herbstfarben. Und auch oben am Gletscher konnte die dünne Neuschnee-Schicht kaum überdecken, mit welchen Problemen der alpine Skirennsport zu kämpfen hat.

Baggerarbeiten am Gletscher

"Ich halte den Hang für perfekt, um darauf einen Weltcup-Auftakt auszurichten", sagte Felix Neureuther kürzlich. "Aber der Termin Ende Oktober ist einfach zu früh."

Deutschlands einst bester Skirennfahrer, der 2019 seine Karriere beendete, macht sich Sorgen um die Zukunft seines Sports. Auch weil immer weniger Schnee liegt, und die Pisten mit immer größerem Aufwand präpariert werden müssen.

In Sölden wurden auf der Rennstrecke 45.000 Kubikmeter Schnee verteilt, die seit April in Depots lagerten. Das passierte nicht zum ersten Mal: Schon öfter fand der Weltcup-Auftakt in Sölden ohne frischen Schnee und winterliche Bedingungen statt.

Der Rettenbachferner im Ötztal liegt auf rund 3000 Metern Höhe - Mitte Oktober lag hier noch kaum Schnee (Foto vom 19.10.2023)Bild: Johann Groder/EXPA/APA/picturedesk/picture alliance

Schon länger wird daher über einen späteren Saisonstart diskutiert. "Wie sehr sollen wir unsere Umwelt an den Zeitplan anpassen, den wir haben wollen?", fragte auch US-Skistar Mikaela Shiffrin kürzlich.

"Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?" Dem entgegen steht jedoch der Wunsch des Ski-Weltverbands FIS und dessen Präsidenten Johan Eliasch nach mehr Wettkämpfen.

Auf Betreiben des schwedisch-britischen Geschäftsmanns wurde der Weltcup-Kalender auf jeweils 45 Rennen für Frauen und Männer aufgeblasen. Für Verschiebungen oder einen späteren Saisonstart bleibt da kaum Platz. Dennoch überraschte Eliasch am Wochenende im österreichischen TV-Sender ORF mit der Aussage: "Ich verstehe auch nicht, wer sich im Oktober für Skirennen interessiert und warum wir auf Gletschern ohne Schnee fahren." Er hoffe, dass der österreichische Verband (ÖSV) für eine Verlegung der Rennen in Sölden nach hinten offen sei. 

Allerdings hat sich Eliasch selbst dafür eingesetzt, dass Mitte November Rennen am Matterhorn stattfinden. Ende des Monats geht es dann bereits zum ersten Mal in der Saison zu Wettkämpfen in die USA. Bis kurz vor Weihnachten sind für jedes Wochenende Rennen angesetzt.

Emotionale Diskussion

Daher musste der Hang auf dem Rettenbachferner auch in diesem Jahr aufwändig für den Weltcup-Auftakt im Oktober vorbereitet werden. Weil sich der Gletscher aufgrund der Klimaerwärmung in der letzten Zeit stark zurückgebildet hat, wurden in diesem Jahr zusätzliche Arbeiten vorgenommen: Mit Baggern trug man am Ende der Gletscherzunge Material ab, um damit die Pistentrasse zu befestigen. Das rief Umweltschützer auf den Plan und sorgte für harsche Kritik.

"Die aktuelle Naturzerstörung am Rettenbachgletscher ist eine Katastrophe. Hier werden Skisport und Naturschutz gegeneinander ausgespielt", sagte Ursula Bittner, Wirtschaftsexpertin bei Greenpeace Österreich im September. Die FIS behaupte, Nachhaltigkeit groß zu schreiben, das sei aber reines Greenwashing, so Bittner.

Die Veranstalter wehrten sich: Es gehe nicht darum, den Gletscher abzutragen. Vielmehr würden große Felsen zerkleinert, die durch den Gletscher-Rückgang zutage getreten waren. Dadurch werde für die Präparation der Piste weniger Schnee benötigt, also ein Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit.

Die Diskussion zeigt, wie emotional und kompliziert der Streit zwischen Umweltinteressen und dem Wintersport als Millionen-Business ist. Was sich in Sölden abspielt, steht stellvertretend für ein wachsendes Problem des Wintersports - zumindest der Freiluft-Disziplinen, die auf Schnee stattfinden.

Olympische Winterspiele an Orten ohne Winter

Auch die Olympischen Winterspiele machten da zuletzt keine Ausnahme. Die Spiele von 2014 vergab das IOC an Sotschi, einen Badeort am Schwarzen Meer, in einer subtropischen Klimazone. Entsprechend weit entfernt lagen die Skigebiete, verbunden mit großen Eingriffen in die Natur beim Bau von Wettkampfstätten und Verbindungswegen.

2022 war Peking Gastgeber. Auch Chinas Hauptstadt ist nicht für schneereiche Winter bekannt. Gleiches gilt für die beiden Olympia-Skigebiete, die in einer Region liegen, in der es zwar kalt genug wird, aber so gut wie nie Niederschläge fallen.

Zwar spielten bei der Vergabe der Spiele an Russland und China auch politische Interessen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) eine Rolle, doch wird die Zahl der Städte, die sich überhaupt noch für Winterspiele bewerben, generell immer geringer.

Bewerbermangel für Olympische Winterspiele

"Immer weniger Länder sind überhaupt in der Lage, die Olympischen Winterspiele auszurichten", sagte Jules Boykoff im Gespräch mit der DW. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler von der Pacific University in Oregon beschäftigt sich seit Jahren kritisch mit den Olympischen Spielen und ihren Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt.

Jules Boykoff von der Pacific University in Oregon ist großer Sportfan, sieht viele Aspekte der Olympischen Spiele aber kritischBild: Privat

Dass es aufgrund klimatischer Veränderungen immer schwerer wird, geeignete Bewerber zu finden, räumt auch Thomas Bach ein. "2040 können praktisch nur noch zehn NOK [Nationale Olympische Komitees] Winterspiele austragen", sagte der IOC-Präsident kürzlich beim IOC-Kongress in Mumbai, nachdem eine Kommission die Zukunftsfähigkeit der Winterspiele geprüft hatte.

IOC-unabhängige Studien waren schon in den Jahren zuvor zu teilweise noch dramatischeren Ergebnissen gekommen. Als Konsequenz denkt man beim IOC darüber nach, die Winterspiele in einem Rotationssystem nur noch an wenigen schneesicheren Standorten abzuhalten, statt sich (meist vergeblich) um neue Bewerber zu bemühen.

Keine Planungssicherheit bei Winter-Olympiade

Für Boykoff kommen neben den Klimaaspekten aber auch gesellschaftliche Gründe hinzu, egal ob bei Winter- oder Sommerspielen. Zwischen 2013 und 2018 hätten die Bewohner zahlreicher Städte eine Bewerbung für Olympia abgelehnt.

"Über das gesamte politische Spektrum hinweg gibt es immer mehr Menschen, die die Spiele nicht in ihrer Stadt oder in ihrem Land haben wollen, weil sie zu teuer sind und die Umwelt belasten", sagte er der DW.

In München verhinderte 2013 ein Bürgerentscheid die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022Bild: Sven Hoppe/dpa/picture-alliance

Für die Winterspiele hat das IOC über 2026 hinaus keine Planungssicherheit. Die nächsten Gastgeber sind Mailand und Cortina d'Ampezzo, weitere stehen noch nicht fest.

Und auch in Norditalien gab es massive Proteste, die letztlich dafür sorgten, dass wegen explodierender Kosten und ökologischer Bedenken keine neue Bob- und Rodelbahn gebaut wurde. Die Wettbewerbe werden stattdessen nun möglicherweise in Innsbruck ausgetragen.

Saudi-Arabien als Wintersport-Gastgeber?

Am liebsten wäre es dem IOC, wenn es künftig stets genug Bewerbungen von bereits bestehenden Wintersportorten gäbe. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte der Olympische Dachverband in ein Dilemma geraten, denn mit Saudi-Arabien drängt ein potentieller Ausrichter ins Spiel, der mit Wintersport nichts zu tun hat und kaum in der Lage wäre, nachhaltige Winterspiele zu organisieren.

Den Zuschlag für die Asiatischen Winterspiele 2029 haben die Saudis schon bekommen. Für geschätzte 500 Milliarden US-Dollar sollen in der Wüste Wettkampfstätten und die nötige Infrastruktur entstehen. Gelingt die Veranstaltung 2029, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch eine Olympiabewerbung folgt - vielleicht schon für 2034.

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