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Kriminalität

Slowakei: Verdacht der Justizbehinderung

9. März 2018

Die Vorwürfe wiegen schwer: Robert Kalinak soll gemeinsam mit Ex- Verkehrsminister Pociatek Bestechungsgeld angenommen und Ermittlungen darüber vereitelt haben. Zehntausende demonstrierten am Abend gegen die Regierung.

Belgien slowakischer Innenminister Robert Kalinak
Bild: picture-alliance/dpa/V. Mayo

Es ist nicht irgendwer, der die Beschuldigungen gegen den amtierenden slowakischen Innenminister Robert Kalinak (Artikelbild) erhebt. Bis vor kurzem noch war Staatsanwalt Vasil Spirko für Ermittlungen über Korruption und organisiertes Verbrechen zuständig. Mehrere slowakische Medien veröffentlichten nun eine Stellungnahme Spirkos, die Innenminister Kalinak schwer belastet. Der Jurist erklärt darin, Hinweise zu haben, wonach Kalinak und sein Geschäftsfreund, der ehemalige Finanz- und dann Verkehrsminister Jan Pociatek, direkte Empfänger von Bestechungsgeld gewesen seien.

Beide hätten insgesamt 200 Millionen Euro für die Vergabe von lukrativen Staatsaufträgen zur Ausstattung des Innenministeriums mit Computersystemen bekommen. 

Wie korrupt sind die Eliten der Slowakei?

Spirko leitete die Ermittlungen in dieser Sache. Als er die Geldflüsse genauer untersuchen wollte, sei ihm der Fall "von oben" entzogen und gegen ihn selbst wegen angeblicher Fälschung von Zeugenaussagen ermittelt worden. Der Staatsanwalt äußerte den Verdacht, Kalinak habe direkt beim Polizeipräsidenten und dem obersten Staatsanwalt gegen ihn interveniert. Er kündigte eine Strafanzeige gegen den Innenminister und gegen hochrangige Mitglieder der Polizei an. Kalinak selbst wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "absurd" zurück. Der slowakische Präsident Andrej Kiska nannte sie nach Worten seines Sprechers jedoch "äußerst schlimm".

Ex-Finanzminister Jan PociatekBild: Imago/Zumapress

Die Korruptionsvorwürfe gegen den Innenminister fallen in eine Zeit, in der das Vertrauen in die politische Elite der Slowakei durch zwei Morde schwer erschüttert ist. Am 25. Februar waren der Enthüllungsjournalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnírová erschossen in ihrem Haus aufgefunden worde. Kuciak hatte zu den Verbindungen zwischen slowakischen Politikern und der italienischen Mafia recherchiert. Nach Kuciaks Recherchen soll das kriminelle Netzwerk auch durch den Missbrauch von EU-Förderungen reich geworden sein

Zehntausende demonstrieren gegen die Regierung

Der Mord trieb zehntausende Menschen in der Slowakei zu Trauerkundgebungen für Kuciak und seine Verlobte auf die Straßen. Immer wieder forderten die Demonstranten dabei auch den Rücktritt von Innenminister Kalinak und Regierungschef Robert Fico. Zehntausende Slowaken demonstrierten am Freitagabend in Bratislava und mehreren anderen Städten gegen ihre Regierung und "für eine anständige Slowakei".

Sie trugen Transparente mit Aufschriften wie "Die Slowakei soll kein Mafiastaat werden" und skandierten gegen Regierungschef Fico "Wir haben genug von Fico!" und "Zurücktreten" oder "Schande!". Aufgerufen hatten zu den Demonstrationen parteilose Aktivisten, Politiker waren als Redner ausdrücklich unerwünscht. Die Organisatoren in der Hauptstadt sprachen von der größten Demonstration in der Slowakei seit der "Samtenen Revolution" von 1989.

Gegen Regierungschef Fico: Zehntausende Menschen gingen in Bratislava auf die StraßeBild: Reuters/R. Stoklasa

Der Journalistenmord hat auch das EU-Parlament auf den Plan gerufen. Eine Delegation von Parlamentariern, die am Donnerstag und Freitag die Slowakei besuchten, zeigte sich tief betroffen von der politischen Krise des Landes. "Wir haben ein zutiefst gespaltenes Land vorgefunden, das nahezu traumatisiert ist", sagte die Co-Leiterin der Delegation, Ingeborg Gräßle (CDU). Sie habe vor allem einen großen Vertrauensverlust von Journalisten und Öffentlichkeit gegenüber den Staatsorganen festgestellt.

Ein Fall für die EU-Staatanwaltschaft

Nach Ansicht der EU-Justizkommissarin Vera Jourova wäre die Ermordung des Enthüllungsjournalisten Kuciak ein Fall für die europäische Staatsanwaltschaft. Voraussetzung für eine Einschaltung der Behörde wäre allerdings die Bestätigung, dass in dem Fall tatsächlich EU-Geld missbraucht worden sei, sagte Jourova. Auch Österreichs Justizminister Josef Moser sagte: "Es wäre ein guter symbolischer Fall, wenn die europäische Staatsanwaltschaft schon eingerichtet wäre."

Vera Jourova, EU-Kommissarin für JustizBild: picture-alliance/AA/D. Aydemir

Um die EU-Staatsanwaltschaft war jahrelang gerungen worden. Im Oktober gaben die Justizminister der teilnehmenden 20 Länder endgültig grünes Licht für die Gründung. Die neue EU-Behörde soll sich zunächst Straftaten mit Bezug zu EU-Geldern widmen. Wie die EU-Justizkommissarin betonte, wird die EU-Staatsanwaltschaft aber erst 2020 ihre Arbeit aufnehmen und nicht rückwirkend tätig.

cw/fab (afp, dpa)

 

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