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Politik

Slowakei: Parlamentswahlen im Schatten eines Mordes

Aureliusz M. Pędziwol
25. Februar 2020

Am 29. Februar wird in der Slowakei ein neuer Nationalrat gewählt. Den Ausgang des Wahlkampfs wird die Erinnerung an einen Mord mitbestimmen, der das Land vor zwei Jahren erschüttert hat.

Slowakei Demonstrationen zum 2. Jahrestag Ermordung von Jan Kuciak und Martina Kusnirova
Bild: DW/A. M. Pedziwol

"Ich möchte nur um eines bitten: Beteiligt euch an den Wahlen und entscheidet wirklich mit Herz und Kopf", sagte Jozef Kuciak bei einer Demonstration in Bratislava am Freitag, dem 21. Februar, an dem sich der Todestag seines Sohns Ján und dessen Verlobten Martina Kušnírová zum zweiten Mal jährte. Beide wurden ermordet, weil Ján - der investigative Journalist des Nachrichtenportals Aktuality.sk - den dunklen Machenschaften slowakischer Unternehmer nachgegangen war. Letztendlich wurde der slowakische Geschäftsmann und Multimillionär Marian Kočner angeklagt, die Ermordung des Journalisten im Februar 2018 angeordnet zu haben.

"Gesagt wurde schon wahrscheinlicht alles (…) und ich glaube, dass jeder zurechnungsfähige Mensch wissen wird, wen er wählen soll", sagte Jozef Kuciak noch. Neben ihm standen seine Frau Jana Kuciaková und Zlatica Kušnírová, Martinas Mutter. Alle drei weinten…

Die Eltern der Opfer bei der Demonstration in BratislavaBild: DW/A. M. Pedziwol

Niemand hatte Ahnung

"Dieser Mord hat die Slowakei wesentlich verändert", sagt der Präsident des Instituts für Öffentliche Fragen (IVO), Grigorij Mesežnikov, im DW-Gespräch. "Im Zuge der Ermittlungen wurde festgestellt, wie stark die vitalen Staatsorgane von der Mafia unterwandert waren. Niemand hatte Ahnung, wie es dieser Mensch (Kočner- Anm. d. Red.) schaffen konnte, sich starke Positionen im Gerichtswesen, in Staatsanwaltschaft und Regierung aufzubauen."

Der Mord löste eine gewaltige Protestwelle aus. Mitglieder der Initiative Za slušné Slovensko (Für eine anständige Slowakei) zweifeln nicht, dass die Regierungspartei Smer-SD ein Klima schuf, in dem der Mord möglich war. Jetzt wollen sie verhindern, dass die Partei weiter regiert.

"Die Ergebnisse der Ermittlungen waren erschütternd und beeinflussten die Menschen stark. Diese Veränderung muss sich in den Wahlen auswirken", ist sich Mesežnikov sicher.

Dämmerung der Smer?

In einer nicht öffentlichen Meinungsumfrage von letzter Woche (binnen zwei Wochen vor der Wahl dürfen keine Umfragen veröffentlicht werden) liegt die Smer des Ex-Premierministers Robert Fico immer noch auf Platz eins unter acht Gruppierungen, die den Sprung ins Parlament schaffen könnten. Allerdings käme die Partei mit rund 17 Prozent nur auf 32 Sitze im Parlament. 76 wären nötig, um zu regieren.

Dabei scheint es so, dass keine Partei bereit wäre, eine Koalition mit der Smer einzugehen.

Aufmarsch der Gewöhnlichen Menschen?

In den letzten Wochen stiegen die Präferenzen der Wähler für die Partei OĽaNO (Gewöhnliche Leute und unabhängige Personen) des Unternehmers Igor Matovič: Mit 16,4 Prozent stieg sie zur unerwarteten Nummer zwei in den Umfragen auf.

"OĽaNO existiert seit neun Jahren und besteht aus einer neokonservativen, einer christlichen und einer liberalen Partei, sowie unabhängigen Kandidaten, deren Verhalten schwer vorauszusagen ist", sagt in einem DW-Interview Juraj Marušiak, Historiker und Politologe vom Institut für Politikwissenschaften der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (SAV). Eine Esoterik-Spezialistin sei dabei, eine linke Aktivistin auch. "Eine recht heterogene Formation also", so der Politologe, der diese Partei eher als eine postmoderne Protestbewegung ohne Parteistrukturen bezeichnet.

"Wir vergessen nicht. Der 21. Februar hat die Slowakei für immer verändert" - Schaufenster einer Buchhandlung in BratislavaBild: DW/A. M. Pedziwol

Protestpremier in Sicht

Matovič werden große Chance zugerechnet, Premier zu werden. Und mit Smer regieren? "Absolut ausgeschlossen!", erregt sich Mesežnikov. "Jeden Tag spricht er, die Smer sei eine Verbrecherbande. Diebe, Mafiosi, Gewalttäter."

Und der Politologe Marušiak verweist darauf, dass es auch für Robert Fico und seinen jetzt amtierenden Nachfolger Peter Pellegrini nicht einfach wäre, mit Matovič eine Koalitionsregierung einzugehen. Sie haben ihn ständig als Steuerhinterzieher beschimpft.

Den Einzug ins Parlament dürften auch vier Gruppierungen schaffen, die man derzeit als demokratische Opposition bezeichnet: Die Koalition der liberalen Parteien PS (Progressive Slowakei), die von der jetzigen Präsidentin Zuzana Čaputová mitgegründet wurde, und Spolu (Zusammen) - 9,1 Prozent, die Partei Za ľudí (Für die Menschen) des früheren Staatschefs Andrej Kiska - 8,2 Prozent, die liberale SaS (Freiheit und Solidarität) - 6,1 Prozent, sowie die Chrisdemokratische Bewegung KDH - 5,2 Prozent. Mit ihnen dürfte OĽaNO auf eine bequeme Mehrheit von 84 Mandaten im künftigen Parlament hoffen.

Patt nach den Wahlen

Dabei haben die Demokraten in der Slowakei noch unlängst vor einem braunen Szenario zittern müssen. Die rechtsradikale Volkspartei Unsere Slowakei (ĽSNS) von Marian Kotleba, die der Politologe Marušiak als neofaschistisch bezeichnet, galt in den Dezember- und Januar-Umfragen als zweite Kraft im Lande. Sogar die Staatspräsidentin hatte angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs den Willen des Volkes zu akzeptieren und entgegen ihrer früheren Deklarationen Kotleba zu empfangen.

Aber in den Februar-Umfragen kehrte die ĽSNS zu früheren Zahlen (rund 10 Prozent) zurück und fiel auf Platz drei. Damit wäre sie aber immer noch genug stark, um für ein Patt nach den Wahlen zu sorgen, falls SaS und KDH unter die Fünf-Prozent-Hürde abstürzen würden. Dann könnte ein Experten-Kabinett bis zu den nächsten vorgezogenen Wahlen regieren, sind sich beide Politologen, Mesežnikov und Marušiak, einig.

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