Slowakei will legales Steuerparadies werden
5. Januar 2004"Wirklich nur 19 Prozent?" Stefan aus Hainburg auf der österreichischen Donauseite, der jeden Donnerstag in den Jazzclub nach Bratislava kommt, kann es kaum glauben. "Dann verlege ich meinen Wohnsitz in die Slowakei!"
Das slowakische Parlament hat die Steuergesetze des Landes mit Wirkung zum 1. Januar 2004 drastisch geändert. Die Einkommenssteuer beträgt künftig pauschal für alle Einkommen 19 Prozent - von der Gemüseverkäuferin bis zum Multimillionär. Bisher wurden zehn bis 38 Prozent erhoben. Doch damit nicht genug: Auch der Satz für die Körperschaftssteuer wird auf 19 Prozent sinken. Und der Mehrwertsteuersatz wird ebenfalls auf 19 Prozent vereinheitlicht.
Problematische Folgen?
Die Auswirkungen auf die unteren Einkommensklassen könnten problematisch werden. Viele Waren des täglichen Bedarfs, die bisher einem niedrigeren Mehrwertsteuersatz unterlagen, werden erheblich teurer. Auch die langfristigen Auswirkungen auf den Staatshaushalt kann niemand vorhersehen. Auf die Slowaken kommt deshalb ein riskantes Experiment zu, dass ein großer Erfolg, aber auch ein ebenso großer Misserfolg werden kann.
Für die Ansiedlung ausländischer Unternehmen wird der günstige Körperschaftssteuersatz in jedem Fall attraktiv sein. Dass die unmittelbaren Nachbarn dies argwöhnisch beobachten, betrachten die slowakischen Politiker als Bestätigung dieser Theorie. Dabei sind deutsche Unternehmen in der Slowakei schon jetzt reichlich vertreten, darunter Volkswagen, Siemens, Deutsche Telekom und Degussa. Volkswagen ist inzwischen sogar der größte Arbeitgeber in der Slowakei. Im Werk Bratislava arbeiten rund 9300 Menschen sie produzieren die Modelle Polo, Golf und auch den neuen VW-Geländewagen Touareg (Foto). Sogar der Porsche Cayenne wird zu wesentlichen Teilen hier produziert.
Handelspartner Nummer 1
Überhaupt setzt die Slowakei besonders auf die Automobilbranche. Peugeot baut gerade eine neue Fabrik mit 3500 Arbeitsplätzen. Mit Hyundai ist der Wirtschaftsminister Pavol Rusko in direkten Verhandlungen. Die Slowakei kämpft in der letzten Runde gegen einen weiteren Standort in Polen. Wenn es klappt, kommen weitere 4000 Arbeitsplätze hinzu. Die Sekundäreffekte sind dabei mindestens genauso wichtig. Zahlreiche Zulieferbetriebe, die im Umfeld der Automobilwerke entstehen, bringen weitere Arbeitsplätze.
Deutschland ist Handelspartner Nummer 1 der Slowakei, und zwar sowohl bei den Importen als auch bei den Exporten, und hat damit Tschechien überholt. Neben der Automobilindustrie sind die Deutschen auch in anderen Branchen tätig. Die Deutsche Telekom hält mit ihrer Tochter Slovenske Telekomunikacie eine ähnlich marktbeherrschende Stellung wie die Allianz-Tochter Slovenska Poistovna unter den Versicherungen. Im Energiesektor sind deutsche Firmen wie E.ON, RWE und Ruhrgas als Miteigentümer der Strom- und Gasversorger stark vertreten. Und im Medienbereich hält die Passauer Verlagsgruppe den Großteil der Regionalzeitungen mit einer renommierten überregionalen Tageszeitung und den wichtigsten Blättern der ungarischen Minderheit in einer Hand.
Offen für Investoren
Erfreulich für ausländische Investoren ist auch, dass die bisher geltende Beschränkung für die Privatisierung von so genannten "strategisch wichtigen" Staatsbetrieben wie Energieversorgern aufgehoben wird. Der Staat muss nicht mehr "im nationalen Interesse" einen Anteil mit Vetorecht gegen Vorstandsentscheidungen behalten, sondern darf auch Schlüsselbetriebe komplett verkaufen. Für den Verkauf von Immobilien gilt unabhängig von deren Wert künftig eine einheitliche Immobilientransfersteuer von drei Prozent statt der bisherigen progressiven Staffelung.
Ein Problem wird auf absehbare Zeit wohl noch die Arbeitslosigkeit darstellen. Sie liegt im Landesdurchschnitt bei 18,5 Prozent, wobei ein extremes wirtschaftliches Gefälle besteht: Die entlegenen und schlecht angebundenen Gebiete im Osten, an der Grenze zur Ukraine, haben Arbeitslosenzahlen von mehr als 25 Prozent.
Korruption
Die Sogwirkung der slowakischen Reform auf das Ausland scheint aber die Angst vor möglichen Problemen deutlich zu überragen. In Nachbarländern wie Österreich und Tschechien erkundigen sich Firmen bereits nach den Möglichkeiten, nicht nur Filialen sondern auch ihren Steuerwohnsitz in die Slowakei zu verlegen. Wichtige Hindernisse für einen echten Boom an ausländischen Investitionen bilden nach Einschätzung von Unternehmern nur noch die äußerst träge Bürokratie und die in der Slowakei weit verbreitete Korruption. (mas)