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PolitikEuropa

Freispruch für Kocner im Mordfall Kuciak

3. September 2020

Der Mord an dem Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak 2018 hatte die Slowakei aufgewühlt und sogar zum Rücktritt des Regierungschefs geführt. Die Reaktionen auf den Freispruch reichen von Entsetzen bis "Justizposse".

Marian Kocner auf dem Weg zum Gerichtssaal  (Foto: picture-alliance/dpa/P. D. Josek)
Marian Kocner auf dem Weg zum Gerichtssaal Bild: picture-alliance/dpa/P. D. Josek

Mit Schuldsprüchen für die Mörder, aber einem überraschenden Freispruch für den vermuteten Drahtzieher hat in der Slowakei der Prozess zum Mord an dem Enthüllungsjournalisten Jan Kuciak ein umstrittenes Ende gefunden. Der Unternehmer Marian Kocner wurde zwar des illegalen Waffenbesitzes schuldig gesprochen. Dass er den Mord an Kuciak bestellt und bezahlt habe, wie die Anklage lautete, erachtete das Gericht aber nicht für bewiesen. Auch der Angeklagten Alena Z. konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass sie in Kocners Auftrag den Mord organisiert hatte.

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen das Urteil ein und will den Richterspruch vor dem Obersten Gerichtshof der Slowakei anfechten. Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova waren am 21. Februar 2018 in ihrem Haus erschossen worden. Der Todesschütze - der Ex-Soldat Miroslav Marcek - und ein weiterer Mittäter hatten bereits zuvor Geständnisse abgelegt. Marcek war deshalb im April zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Gedenken an Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova in der Hauptsstadt Bratislava (Archivfoto)Bild: picture-alliance/dpa/M. Martin

"Justizposse" und "verheerendes Signal"

Der Richterspruch stieß im In- und Ausland auf scharfe Kritik. Die Eltern der Opfer äußersten sich schockiert. Kuciaks Vater sagte nach der Urteilsverkündung, er fühle sich "wie gelähmt". Die slowakische Präsidentin Zuzana Caputova, eine ehemalige Menschenrechtsanwältin, erklärte, sie sei fassungslos und gehe davon aus, dass das Urteil vor dem Obersten Gericht keinen Bestand haben werde. Ministerpräsident Igor Matovic schrieb auf Facebook, es sei "offensichtlich", dass die "Drahtzieher hinter dem Mord sich aus den Fängen der Justiz befreien" wollen. 

Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen, sprach von einem "Schlag ins Gesicht" für alle Journalisten, die in der Slowakei unter Einsatz ihres Lebens die Mächtigen und die Einflussreichen zur Verantwortung ziehen würden. Es sei davon auszugehen, dass das Vertrauen der Zivilgesellschaft in den Rechtsstaat damit "erneut tief erschüttert" werde. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einer skandalösen Justizposse. "Die Konsequenz aus dem Urteil lautet: ein Auftragsmord ohne Auftraggeber", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) teilte mit, "das Gericht hat die Chance verpasst, ein dringend nötiges Zeichen gegen Straflosigkeit und mafiöse Strukturen in Staat und Gesellschaft der Slowakei zu setzen". Es sende ein "verheerendes Signal" an an alle Journalisten, die unter großen persönlichen Risiken über korrupte und kriminelle Machenschaften berichteten, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

Kampf gegen Korruption in der Slowakei

Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und slowakischen Politikern recherchiert und sich auch mit zwielichtigen Geschäften von Kocners zahlreichen Unternehmen befasst. Die posthume Veröffentlichung seines Artikels hatte Massendemonstrationen gegen die Regierung in Bratislava ausgelöst und schließlich zum Rücktritt des damaligen Ministerpräsidenten Robert Fico geführt. Die Proteste ebneten zudem den Weg für die Wahl der Rechtsanwältin und Anti-Korruptions-Aktivistin  Caputova zur Präsidentin des Landes.

qu/sti/rb (afp, dpa, rtr)

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