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Politik

Slowenien: Marschall Twito und die Presse

Stephan Ozsváth
2. März 2021

Sloweniens Premier Janez Janša führt auf Twitter einen verbalen Dauerkrieg gegen kritische Journalisten. In seinen Augen sind sie Lügner und Fake-News-Verbreiter. Nun kritisiert auch die EU Janšas Umgang mit den Medien.

Belgien I Slowenischer Premier Janez Jansa
Sloweniens Premier Janez Janša in Brüssel (2.10.2020)Bild: Olivier Hoslet/Pool/REUTERS

Ein kleines Mädchen schreibt ein englisch-sprachiges Graffito an die Wand. "Wenn du Lügen nur oft genug wiederholst, wird Wahrheit daraus." Das Wort 'Wahrheit' ist mit roter Sprühfarbe durchgestrichen und ersetzt durch 'Journalismus'. Dieses Bild versandte Sloweniens Premier Janez Janša über seinen Twitter-Kanal. Adressat war die Kleine Zeitung aus dem österreichischen Graz. Ein Artikel über Janšas Umgang mit der Presse im eigenen Land hatte den Unmut von Sloweniens Premier erregt.

Derartige Tweets von Janez Janša sind keine Ausnahme, ganz im Gegenteil: Kein anderer europäischer Regierungschef führt persönlich einen derart erbitterten verbalen Krieg gegen die Medien. Janša zieht regelmäßig über einheimische Journalisten her und kommentiert auch so gut wie jeden kritischen ausländischen Artikel über die politischen Verhältnisse in Slowenien unter seiner Regierung - mal wutentbrannt, mal abfällig, immer mit dem Vorwurf, dass es sich um Fake-News handele. Kürzlich beispielsweise hatte Janša Lili Bayer, die Brüsseler Korrespondentin des Magazins Politico, als "Verbreiterin von Fake News" gebrandmarkt, weil sie den Umgang der slowenischen Regierung mit der heimischen Presse in einem Hintergrundartikel kritisch beleuchtet hatte.

Paralleles Medienbiotop

Lili Bayer wurde persönlich auch auf den Social-Media-Kanälen von Nova24TV angegangen, einem rechtslastigen Fernsehsender, der Janšas Slowenischer Demokratischer Partei (SDS) nahesteht und in den sich ungarische Medienmanager eingekauft haben. Für die Politico-Korrespondentin Lili Bayer ist ein solches Regierungsmobbing nichts Neues: Von Orbáns Regierungssprecher Zoltán Kovács wird sie seit langem und regelmäßig diffamiert. Er spricht ihr beispielsweise ab, Journalistin zu sein, und bezeichnet sie als "SJW", als "soziale Gerechtigkeitskriegerin" (Social Justice Warrior), ein abwertender Ausdruck, der von US-amerikanischen Rechtsextremen geprägt wurde.

Südosteuropa-Experte Florian Bieber: "Janša versucht, ein paralleles Medienbiotop aufzubauen."Bild: DW/S. Padori-Klenke

"Der Unterschied zwischen Ungarn und Slowenien besteht allerdings darin, dass Orbán kritische Journalisten nicht persönlich angreift", sagt der Grazer Südosteuropa-Experte Florian Bieber der DW. "Janša hingegen macht das auf seinem Twitter-Account ständig." Spötter verpassten ihm deswegen in Anlehnung an den jugoslawischen Diktator Josip Broz Tito den Spitznamen "Marschall Twito". Der slowenische Premier Janša versuche, "ein paralleles Biotop von Medien aufzubauen, die ihm gegenüber loyal, sehr stark im Internet aktiv sind und eine 'alternative Weltsicht' zeigen", beschreibt der Südosteuropa-Experte Bieber die Strategie des slowenischen Premiers.

"Mini-Trump"

Janša hält kritische Journalisten nicht nur für Lügner und Betrüger, sondern vor allem für verkappte Kommunisten. Der slowenische Premier - der selbst einst als kommunistischer Parteijournalist begonnen hatte und sich dann mit dem jugoslawischen Regime überworfen hatte - wolle über die sozialen Medien die Botschaft senden, dass "jede Kritik an seinem Herrschaftsstil illegitim und nicht akzeptabel" sei, sagt Florian Bieber. Bei Kritik aus dem Ausland werde Janša "sehr schnell beleidigend".

Der slowenische Premier gebe sich "als eine Art 'Mini-Trump'", sagt Christian Mihr, Geschäftsführer der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG). Tatsächlich macht Sloweniens Premier keinen Hehl aus seiner Sympathie für den ehemaligen US-Präsidenten, der ebenfalls rüde mit Journalisten umsprang.

ROG-Geschäftsführer Christian Mihr: "Janša erinnert in vielem an Orbán."Bild: DW/Maryam Mirza

Ungarische Schützenhilfe

Aber vor allem nimmt Janša Maß am ungarischen Regierungschef Viktor Orbán, dessen Medienmanager in Slowenien und Nord-Mazedonien investieren. Seit 2017 versuchten diese Investoren ein für Janša günstiges Medienumfeld zu schaffen, das von der slowenischen Regierungspartei SDS kontrolliert werden könne, sagt Petra Lesjak Tušek, die Vorsitzende des slowenischen Journalistenverbandes (DNS), der DW.

Nova24TV, das Wochenblatt Demokracija und mehr als 20 Online-Portale verbreiteten illiberale Ideen nach dem Vorbild Viktor Orbáns in Ungarn, sagt sie. Deren Berichterstattung richte sich gegen den ungarisch-stämmigen Multimilliardär George Soros, Homosexuelle und Migranten. "Es ist im Wesentlichen eine Propaganda-Maschine", fasst die Journalistin der Mariborer Tageszeitung Večer zusammen, und die feuere aus allen Rohren gleichzeitig. "Es soll ein Gefühl erzeugt werden, dass diese Ansichten allgegenwärtig sind." Auch dabei dient Orbán als Vorbild: In Ungarn wurde die Mehrheit der Medien auf Regierungslinie gebracht.

Ungarns Premier Orbán: Medien auf Linie gebrachtBild: DW/S. Ozsváth

Über den slowenischen Premier schreiben die ihm wohlgesonnenen Medien naturgemäß positiv, über seine seine Kritiker dagegen schlecht, das reicht bis zu Cybermobbing und sogar tätlichen Angriffen. Der preisgekrönte Journalist Primož Cirman wurde in der Wochenzeitung Demokracija mit einem Schmähgedicht bedacht. Darin heißt es, der Journalist werde "Stück für Stück" seine gebrochene Nase einsammeln. Der Kolumnist Matija Stepišnik wurde auf dem Facebook-Kanal von Nova24TV mit der Aussicht auf eine Kugel im Kopf bedroht. Journalistinnen bekämen sexistische Mails und würden als "Presstituierte" beschimpft, berichtet die Vorsitzende des slowenischen Journalistenverbandes Tušek. Die Standesorganisation hat zwei Jahre Hass akribisch dokumentiert.

Slowenische EU-Ratspräsidentschaft

Die EU-Kommission reagierte inzwischen scharf auf die Angriffe gegen slowenische und ausländische Journalisten. "Wir akzeptieren keine beleidigenden Äußerungen über Journalisten und verurteilen sie", sagte ein Kommissionssprecher vorvergangene Woche in Brüssel. Sloweniens Premier Janša schrieb daraufhin einen empörten Brief an die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und lud sie ein, sie solle sich zusammen mit einer Faktencheck-Delegation vor Ort ein Bild von der Situation der Medien und dem Zustand der slowenischen Demokratie machen.

Zusätzliche europapolitische Relevanz erhält der Disput, weil Slowenien ab 1. Juli dieses Jahres die turnusgemäße EU-Ratspräsidentschaft übernimmt und damit wichtige Themen- und Handlungsschwerpunkte auf die EU-Agenda setzen kann. Der ROG-Geschäftsführer Christian Mihr warnt, mit Slowenien übernehme im Sommer "ein Land die Ratspräsidentschaft, dessen Ministerpräsidentschaft die Pressefreiheit immer wieder attackiert".