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Slowenien wegen Banken unter Zugzwang

Rayna Breuer10. Mai 2013

Letzter Ausweg Troika? Davon will die slowenische Regierung nichts wissen. Sie zeigt sich entschlossen, den freien Fall der Wirtschaft zu stoppen. Doch die Zeit drängt und die Bürger wehren sich gegen Einsparungen.

Proteste gegen Sparkurs und Korruption in Slowenien. (Foto: AFP PHOTO / JURE MAKOVEC vec/AFP/Getty Images)
Proteste gegen Sparkurs und Korruption in Slowenien.Bild: Jure Makovec/AFP/Getty Images

Hohe Berge, ein bisschen Küste, geheimnisvolle Höhlen und eine Fülle kulinarischer Köstlichkeiten - für Touristen wirkt Slowenien wie ein kleines Paradies. Unter der Oberfläche aber brodelt die Wut der Bürger - von der Politik sind Taten gefordert, denn Slowenien sitzt auf einer tickenden Zeitbombe.

Ein Politikwechsel ohne Richtungswechsel

Die Wirtschaftsleistung sinkt bereits mehrere Jahre in Folge. Die Arbeitslosigkeit hat sich seit 2008 verdoppelt. Die großen Banken des Landes drohen zu kollabieren. Es ist ein Zustand, den Slowenien bislang nicht kannte. Denn das Land galt lange als der Musterschüler unter den neuen EU-Mitgliedsstaaten. Die Menschen waren zufrieden, der Lebensstandard hoch und der Arbeitsmarkt stabil.

Alles funktionierte - so gut, dass es fast langweilig war, über Slowenien zu berichten. Bis jetzt: "Slowenien als Erfolgsgeschichte, wie das in den ausländischen und heimischen Medien dargestellt wurde, hat sich nun als eine Illusion entpuppt“, sagt Anej Korsika. "Die Krise hat uns stark getroffen, die Menschen haben ihre Jobs verloren, die Löhne im öffentlichen Sektor sind gefallen, das Leben hier ist schwieriger geworden.“

Anej Korsika (rechts) von der Initiative demokratischer SozialismusBild: privat

Bei Anej Korsika war dann irgendwann das Maß voll. Er war einer der Organisatoren der Massenproteste, die die Politiker über mehrere Monate in Schach hielten und schließlich auch die konservative Regierung von Janez Jansa stürzte. Die Sparpolitik wurde ihr zum Verhängnis. Zudem kamen Korruptionsaffären, die die Menschen noch wütender machte. Doch so ganz zufrieden ist der 28-jährige Doktorand und Gründer der "Initiative demokratischer Sozialismus” mit dem Wechsel an der Spitze nicht: "Die neue Regierung von Alenka Bratušek hat den politischen Sparkurs beibehalten. Die Probleme der Menschen verschärfen sich“, sagt Anej Korsika. Und eine Erholung ist nicht in Sicht.

Keine Atempause

Aus Überzeugung oder Not - die Regierung von Alenka Bratušek will der Krise mit harten Sparauflagen begegnen. Nach den Plänen soll ab dem 1. Juli die Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent steigen. Außerdem soll eine Immobilienabgabe vom kommenden Jahr an zusätzlich Geld in die leeren Staatskassen spülen. Geplant ist außerdem rund 500 Millionen Euro bei den Ausgaben einzusparen. Im Klartext heißt das Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst. Wenn sich das nicht durchsetzen lasse, werde im kommenden Jahr eine befristete "Krisensteuer" auf alle Einkommen eingeführt, so Bratušek. Außerdem wird über die Privatisierung der Telekom Slovenija und weiterer Staatsunternehmen nachgedacht. All das dürfte die sozialen Spannungen im Land nur noch weiter aufheizen.

Scheuklappenpolitik

"Eine genaue Diagnose des heutigen Zustandes in Slowenien gibt es nicht. Das passende Wort hier ist eher ‘Selbstgefälligkeit'“, sagt Vladimir Lavrač vom Institut für Wirtschaftsforschung in Ljubljana und deutet auf die verschleppten Probleme hin, die von Politik und Experten zu lange missachtet wurden. "Es hat sich herausgestellt, dass die Wirtschaft nicht flexibel genug ist, dass Strukturreformen aufgeschoben oder gar nicht durchgeführt wurden. Nach dem EU-Beitritt und der Euro-Einführung hatten unsere Politiker kein klares Ziel vor Augen“, sagt der Experte.

Die Probleme kamen mit den günstigen Krediten. In den ersten Jahren nach dem EU-Beitritt haben sich slowenische Unternehmen stark verschuldet, als Sicherheit haben sie Firmenanteile herausgegeben. "Slowenische Banken haben für diese Zwecke sechs Milliarden Euro im Ausland aufgenommen. Während der Krise konnte dann ein Teil dieser Firmen ihre Schulden nicht zurückzahlen. Die Banken saßen also auf Unternehmensanteilen, die nichts mehr wert waren." Und so seien dann die faulen Kredite entstanden, sagt Hermine Vidovic, Slowenien-Expertin am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche. 

Sorgenkind des Landes - die staatliche Nova Ljubljanska BankaBild: Jure Makovec/AFP/Getty Images

Hinzu kommt, dass die Banken und viele großen Unternehmen im staatlichen Eigentum geblieben sind. "Man hat das Privatisierungsgesetz so formuliert, dass dadurch ausländische Investoren abgeschreckt wurden." Das sei auch bei den Banken so gewesen, so Vidovic. "Man war der Meinung, man bräuchte einen starken inländischen Bankensektor.“ An der NLB (Nova Ljubljanska Banka), der größten slowenischen Bank, hält der Staat bis heute über 80 Prozent. Bei der zweitgrößten Nova Kreditna Banka Maribor sind es 50 Prozent.

Mehr als nur eine Bankenkrise

Zwar sind die Banken der Kern des Problems, doch längst ist die ganze Wirtschaft betroffen. Slowenien droht den Anschluss zu verpassen: "Ein Großteil der Produktion ist für das Ausland. Es gibt Unternehmen, die bis zu 80 Prozent ihrer Erzeugnisse exportieren und sehr stark von der ausländischen Nachfrage abhängen“, sagt Vidovic. Die größten Handelspartner sind Deutschland, Italien und Frankreich - und wenn in diesen Ländern die Nachfrage zurückgeht, spüre das auch die slowenische Wirtschaft stark.

Die Menschen sind verunsichert: "Vor allem weil die Arbeitslosigkeit steigt, das ist ein Problem das Slowenien nicht kennt", sagt die Slowenien-Expertin. Derzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei neun Prozent - immerhin unter EU-Durchschnitt, doch 2008 lag sie noch bei 4,4, Prozent. Das hinterlässt Spuren. "Ich habe viele Freunde, die nun gezwungen sind, zurück zu ihren Eltern oder Großeltern zu ziehen. Die Lebenskosten sind einfach zu hoch“, sagt Gal Kirn, ein Bekannter von Anej Koriska.

Überraschende Wende

Alle Zeichen standen in den letzten Monaten auf rot: Die Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die EU-Kommission mahnte vor wenigen Wochen Slowenien zu Reformen, die Ratingagentur Moody‘s stufte das Land auf Ramschniveau herab. Slowenien sahen viele schon am Tropf des EU-Rettungsschirms.

Doch dann kam die Erleichterung: Am 3. Mai platzierte das Land Anleihen und besorgte sich fast drei Milliarden Euro frisches Kapital. Das stärkte das Finanzsystem und das Selbstbewusstsein der Regierung: "Ich bin sicher, dass wir Europa und den Finanzmärkten beweisen, dass wir unsere Probleme selber lösen können, sagte die slowenische Ministerpräsidentin Alenka Bratušek im DW-Interview. "Ich bin überzeugt, dass dies der bessere Weg für alle ist: Für die Menschen und für die Wirtschaft." Und es sei besser diesen Weg alleine zu gehen - ohne die Troika, ergänzte die Regierungschefin.

Interview mit Alenka Bratušek, Ministerpräsidentin Sloweniens

05:29

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"Für dieses Jahr dürfte es Slowenien gelungen sein, nicht unter den EU-Rettungsschirm zu kommen. Es hat etwas Zeit gewonnen“, sagt Vidovic. Das Problem sei jedoch, dass der Reformwille dadurch gebremst werden könnte. Die Gefahr, unter den Rettungsschirm zu kommen, sei nur aufgeschoben.

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