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PolitikEuropa

Sloweniens Premier in neuem Twitterkrieg

Barbara Wesel
15. Oktober 2021

Janez Jansa hat wieder getwittert und Europa-Abgeordnete als Marionetten von US-Investor George Soros diffamiert. Die EU-feindlichen und antisemitischen Untertöne sorgen für Ärger in Brüssel und Den Haag.

Plenarsitzung im Europäischen Parlaments
Bild: Christian Hartmann/Pool Reuters/AP/dpa

Er hat es wieder getan. Den jüngsten EU-Sondergipfel in seiner Heimat hatte Janez Jansa als Gastgeber ohne Kontroversen über die Bühne gebracht. Jetzt aber ließ der slowenische Premier seinem Twitterfinger einmal mehr freien Lauf und löste eine neue Kontroverse aus. Zuletzt war er wegen der Beleidigung von Journalistinnen in den sozialen Medien in die Kritik geraten, jetzt verbindet er antisemitische Anspielungen mit der Beleidigung einer EU-Parlamentsdelegation, die sich in Ljubljana über den Stand von Medienfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz in seinem Land informieren wollte. 

Peinlichkeiten vom Ratspräsidenten

Schon als Jansa im Sommer das rotierende Amt als EU-Ratspräsident angetreten hatte, befürchteten viele, er könne seine autokratischen Regungen nicht im Zaum halten. Nach einer kleineren Verwerfung zu Beginn seines Vorsitzes blieb es zunächst ruhig. Die Reise des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres nach Ljubljana aber, wo er den Zustand rechtsstaatlicher Grundsätze überprüfen wollte, feuerte den Premier jetzt einmal mehr dazu an, aus der Rolle zu fallen.

Es hat die Anmutung einer Diffamierung: Mehrere Europaabgeordnete werden als Marionetten von George Soros (Mitte) bezeichnet Bild: Twitter.com

In seinem Tweet erklärte er Abgeordnete aus dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (Libe) zu Marionetten von US-Investor George Soros, den insbesondere Jansas politischer Freund, der ungarische Premier Viktor Orban, zum Gegenstand einer anhaltenden antisemitischen Kampagne gemacht hatte. Der slowenische Regierungschef bedient sich hier also der gleichen Muster von Beleidigung und Denunziation, wie er sie von seinem Vorbild in Ungarn gelernt hat. Jansa ließ den Tweet inzwischen wieder löschen, aber da hatte er bereits Wellen geschlagen.        

Ziemlich beste Freunde - Sloweniens Janez Jansa und Ungarns Viktor Orban Bild: picture-alliance/EPA/STR

Der Ausschuss selbst blieb nach Ende seiner Gespräche in Slowenien in punkto Twitter-Affäre zurückhaltend. "Die Regierung sollte sich bewusst sein, was es bedeutet, aus einer Position der Macht heraus Personen anzugreifen", sagte die Vorsitzende Sophie in't Veld. Sie beklagte generell das "hasserfüllte Klima der öffentlichen Debatte" in Slowenien und die tiefen Gräben im Land. "Der Ton der Auseinandersetzung durch Regierungsmitglieder ist unpassend für eine demokratische Gesellschaft", fügte sie hinzu.

Mark Rutte schlägt zurück

Ausgesprochen verärgert über die Attacke gegen die Europaparlamentarier zeigte sich dagegen der niederländische Premier Mark Rutte. Schließlich sind die in Jansas Tweet dargestellten Abgeordneten vor allem Niederländer. Rutte zeigte sich in jüngster Zeit zunehmend ungeduldig mit den anhaltenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit bei einigen osteuropäischen EU-Mitgliedsländern.

Jetzt bestellte er den slowenischen Botschafter in Den Haag ein, um sich bei ihm über den "geschmacklosen Tweet von Janez Jansa" zu beschweren. "Ich verurteile ihn in schärfster Form", schrieb Mark Rutte seinerseits auf Twitter. Jansa wiederum holzte zurück, Rutte solle sich lieber über die Lage der Journalisten im eigenen Land Sorgen machen. Schließlich sei zuletzt in den Niederlanden der Reporter Peter de Vries ermordet worden. 

Der öffentliche Zank war Grund für den permanenten EU-Ratspräsidenten Charles Michel, sich die beiden Streithähne vorzunehmen. "Europaparlamentarier sollten frei von jeglichem Druck arbeiten können", mahnte er. Und gegenseitiger Respekt zwischen den EU-Institutionen und im europäischen Rat sei der einzige Weg vorwärts. Michel fürchtet wohl, der Zank könne das nächste Gipfeltreffen Ende kommender Woche überschatten und die Zusammenarbeit der Regierungschefs gefährden. 

Sorgen um die Entwicklung im Slowenien

Nach ihrem Besuch in Slowenien listete die Ausschussvorsitzende Sophe in't Veld eine Reihe von Kritikpunkten auf. Dazu gehöre insbesondere die seit Monaten verschleppte Finanzierung der slowenischen Nachrichtenagentur, deren Direktor nach einer längeren Einschüchterungskampagne inzwischen entnervt das Handtuch geworfen hat. Auch weigere sich die Regierung weiter, Juristen für die neue EU-Staatsanwaltschaft EPO zu benennen, die die Korruption in Europa bekämpfen soll.

Insgesamt aber führe vor allem das vergiftete Klima der politischen Auseinandersetzung zu einer Art von Hassrede, die teilweise in Einschüchterung und Verfolgung münden würde. Es gebe hinreichende Gründe, sich über die Zerstörung von Vertrauen in die demokratischen Institutionen in Slowenien Sorgen zu machen, so die niederländische Abgeordnete.

Gemeinsam lächeln auf dem Familienfoto beim jüngsten Balkangipfel in Slowenien Bild: Joe Klamar/AFP

Die slowenische Regierung hatte sich bei Treffen mit dem Libe-Ausschuss lediglich durch einen Staatssekretär im Kultusministerium vertreten lassen, Premier Jansa erklärte sich als Premierminister für unzuständig. Die ersten Eindrücke über den Zustand der demokratischen Institutionen in Slowenien sollen noch in einem schriftlichen Bericht zusammengefasst werden.

Noch sehe man in Slowenien im Gegensatz zu einigen anderen Ländern keine systematische Unterminierung der Institutionen: "Die öffentlichen Einrichtungen arbeiten gut", fasste Sophie in't Veld zusammen, aber der Druck gegen sie steige  und man sei "auf dem Wege" zu einer Erosion.

Dieser Befund wäre derzeit noch kein absolutes Alarmsignal, wenn nicht Janez Jansa durch seine wiederholten Ausfälle und seine Versuche, sich an der Seite von Viktor Orban als Rechtspopulist zu profilieren, immer wieder ein Schlaglicht auf die Entwicklung in seinem Land werfen würde. Zuletzt hatte sich der Slowene im Streit mit der EU über das Urteil des polnischen Verfassungsgerichtes an die Seite Polens gestellt.  

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