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Gesellschaft

Slums in Deutschland? Nein, aber ...

18. Dezember 2017

Favelas wie in Brasilien gibt es in Deutschland nicht. Armut und Obdachlosigkeit sind häufig erst auf den zweiten Blick erkennbar. Auch, weil die Übergänge auf der Leiter des gesellschaftlichen Abstiegs fließend sind.

Obdachlosigkeit in Köln
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg

Deutschland ist ein Sozialstaat. Das Netz der Fürsorge durch staatliche, kommunale oder kirchliche Hilfen ist dichter als in den meisten vergleichbaren Wohlstandsländern. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit ist mit unter sechs Prozent historisch niedrig, Energie- und Lebensmittelpreise so günstig wie in kaum einem anderen europäischen Land. Und trotzdem ist auch die Armut in Deutschland zuhause. Auch ohne Slums, denn fließend Wasser, Strom, Kanalisation und Müllabfuhr gibt es auch in der einfachsten Unterkunft.

Eine Übersicht zu den Gründen der Not und den betroffenen Menschen:

- Derzeit haben rund 860.000 Menschen im Land kein Zuhause. Das schätzt die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die wenigsten leben auf der Straße. Mehr als 800.000 kommen bei Freunden unter oder fristen ein Dasein in Notunterkünften.

- Buchstäblich ohne Dach über dem Kopf verbringen rund 52.000 Menschen ihr Leben auf der Straße. Das sind sechs Prozent derer, die als wohnungslos gelten.

- Rund 440.000 Flüchtlinge haben rechtlich Anspruch auf eine Wohnung, sind aber derzeit in Massenunterkünften einquartiert.

- Besonders betroffen sind vor allem Frauen, ganze Familien und Migranten. Ihnen droht immer häufiger der Verlust der eigenen vier Wände - wenn auch nur auf Mietbasis.

- Das hat auch mit dem Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau zu tun. Noch vor 30 Jahren gab es in der alten Bundesrepublik rund vier Millionen Sozialwohnungen. Heute sind es im größer gewordenen Deutschland nur noch 1,3 Millionen. Günstig Wohnen ist selten geworden, der Markt diktiert die Preise.

- Besonders teuer sind Kleinwohnungen - relativ gesehen. Sie sind hart umkämpft, denn inzwischen gibt es in Deutschland rund 17 Millionen Einzelhaushalte. Dem steht ein aktuelles Angebot von nur 5,2 Millionen Ein- oder Zweizimmerwohnungen entgegen. Die Folge: Extreme Mietsteigerungen in den Ballungszentren.

Gehört längst zum Stadtbild: Ein Obdachloser in Dortmund mit freiwilligen HelfernBild: Markus Seidel

- Rumänen sind entgegen aller Vorurteile häufiger in Lohn und Brot als Deutsche oder als alle anderen aus den elf osteuropäischen EU-Ländern (mehr als 68 Prozent). Wer allerdings ohne Einkünfte ist hat auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Es sei denn der Migrant ist mindestens fünf Jahre im Land oder ein Jahr versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Wer das nicht vorweisen kann landet schnell auf der Straße. Die Wohnungslosenhilfe hält das für rechtswidrig.

- Wer wohnungslos oder obdachlos ist geht in die großen Städte. Allein in Berlin soll sich die Zahl der oft abschätzig "Penner" genannten Menschen nach Schätzung der Bahnhofsmission auf 10.000 belaufen. Zur Jahrtausendwende ging man von 2000 aus. In den Metropolen gibt es mehr Chancen auf Jobs; und für Bettler mehr Touristen, die etwas geben. Rund 60 Prozent stammen aus Rumänien, Bulgarien oder Polen.

- Das hilft nichts, wenn das Thermometer unter null Grad fällt. Die schlimmste Jahreszeit für Wohnungslose und Obdachlose ist der Winter. Trotz Wärmestuben und Zusatz-Quartieren für die kalten Monate sind seit 1990 rund 300 Menschen erfroren - mitten im reichen Deutschland.

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