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"Snowden hat es für jeden von uns getan"

Kay-Alexander Scholz30. August 2013

Bei der Verleihung des deutschen Whistleblower-Preises in Berlin zeigte sich, wie unterschiedlich die Wirkung Edward Snowdens interpretiert werden kann. Staat oder Individuum: Wer muss anfangen, Missstände zu verändern?

Das Portrait Edward Snowdens steht bei der Preisverleihung auf einem leeren Stuhl (Foto: dpa)
Whistleblowerpreis für Edward Snowden: Das Portrait Edward Snowdens steht bei der Preisverleihung auf einem leeren StuhlBild: picture-alliance/dpa

"Die Kraft einer einzelnen Person, die Welt zu verändern - das ist die Lektion, die uns Edward J. Snowden gelehrt hat", sagte Glenn Greenwald. Er ist derjenige Journalist der britischen Zeitung "The Guardian", dem Snowden in Hongkong das erste Mal von den Spähattacken westlicher Geheimdienste erzählt hatte. Snowden sei Kind einer normalen Mittelschichtsfamilie und er habe eine bedeutende Wahl getroffen. "Das hat einen Eindruck bei vielen Menschen auf der ganzen Welt hinterlassen, es hat sie inspiriert, aufzustehen gegen Lügen und falsche Dinge."

Greenwald ist derzeit in Südamerika untergetaucht. Er meldete sich per Videobotschaft zu Wort. 300 vor allem ältere Wissenschaftler, Intellektuelle und Politiker hörten ihm gespannt zu. Seine Botschaft war ein Höhepunkt der Verleihung des 8. Whistleblower-Preises an Snowden, der derzeit in Russland im Exil lebt und deshalb nicht zur Preisverleihung kommen konnte. Für ihn stand ein leerer Stuhl vor den Gästen. Der Preis wurde von drei Organisationen übergeben: der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW), der Internationalen Vereinigung von Anwälten gegen Atomwaffen (IALANA) und von Transparency International.

Video-Ansprache des Journalisten Glenn GreenwaldBild: picture-alliance/dpa

Von der Kraft des Individuums

Wie Greenwald betonte auch Jacob Appelbaum, ein in Berlin lebender junger US-Internet-Aktivist, der mit Snowden vor der Veranstaltung gesprochen hatte und stellvertretend für ihn die Dankesrede hielt, eine typisch angelsächsische Perspektive auf die NSA-Affäre. Snowden habe ihn gebeten, nicht zu sehr über "Geo-Politik" zu sprechen - und wohl "über all die Dinge, die hier zuvor besprochen wurden", fügte Appelbaum leise kritisch hinzu (mehr dazu weiter unten im Text). "Stattdessen bat er mich, mit ihnen über Individuen zu sprechen und über die Hoffnung auf Wandel." Jeder habe die Kraft, aufzustehen gegen Korruption, Kriegsverbrechen und Lügen - jeden Tag und zu jeder Zeit. Es ginge gar nicht so sehr um das Thema Internetfreiheit, sondern um persönliche Freiheiten. Spionage über das Internet sei doch alltäglich und etwas, bei dem niemand glauben könne, immun dagegen zu sein. "Deshalb brauchen wir eine ehrliche gemeinsame Diskussion, ob und wie weit wir uns gegenseitig ausspähen wollen."

"Der Wandel beginnt mit einer einzelnen Stimme"

"Er hat sich mit der Propaganda-Maschine angelegt und er hat es für jeden von uns getan." Appelbaum beschrieb Snowden als einen Menschen, der sich wirklich um das Wohl der anderen kümmere. So habe dieser ihn im Gespräch als Erstes gefragt, ob er gut geschlafen hätte und nicht, ob alles für die Veranstaltung organisiert sei. Das sei typisch für ihn.

Dann las er einen Brief von Snowden vor, der sich für den Preis bedankte, um diesen dann aber symbolisch gleich weiterzugeben. "An alle Individuen, Organisationen in den unzähligen Ländern weltweit, die sprachliche und geografische Grenzen überwunden haben, um zusammenzustehen und um das öffentliche Recht auf Wahrheit und den Wert von Privatheit zu verteidigen." Nicht er, sondern zum Beispiel Zeitungen hätten doch begonnen nachzufragen. Nicht er, sondern einzelne Politiker hätten Vorschläge für neue Schutzkonzepte im Internet verfasst. Und sein Dank gelte auch all denen, die ihre Freunde und Familien überzeugt hätten, wie wichtig diese Dinge sind. "Denn: der Wandel beginnt mit einer einzelnen Stimme."

Auszeichnung für den Whistleblower

01:25

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Mehr Transparenz und deutsche Erfahrungen

Snowdens Botschaft an die Welt, so führte Appelbaum weiter aus, sei: "Regierungen müssen verantwortlich gemacht werden können für ihre Entscheidungen, die unser Leben bestimmen. Und über Freiheiten und Rechte des Einzelnen muss in der Öffentlichkeit und nicht im Dunkel von Regierungen entschieden werden."

Der eingeschlagene Weg sei ein schwieriger, aber er führe uns zu einer besseren Welt auch für kommende Generationen.

Appelbaum betonte, dass weder er noch Snowden gegen die USA seien, sondern gegen korrupte Kräfte in der dortigen Regierung. "Und als amerikanische Bürger bitten wir hier in Berlin um eure Solidarität und Hilfe." Besonders die Deutschen mit ihrer schwierigen Vergangenheit im 20. Jahrhundert könnten Menschen ermutigen, ihre sie kontrollierende Angst zu überwinden und mit dem Wandel zu beginnen. "Wenn sie erzählen, dass die gegenwärtige Affäre ihnen Angst mache wie damals zu Zeiten der Staatssicherheit der dann gefallenen DDR - dann macht das Mut. Und wenn sie aus eigener Erfahrungen erzählen, was dunkle Zeiten bedeuten können."

Forderung nach Asyl für Snowden in Deutschland

Die Kritik Appelbaums (siehe oben) bezog sich auf den Tenor der anderen Festreden des Abends. Die Vorsitzende von Transparency International in Deutschland, Edda Müller, nutzte ihren Auftritt, um die deutsche Regierung wegen der mangelnden Umsetzung von internationalen Antikorruptionsmaßnahmen zu rügen. Denn gerade auch in der Wirtschaft sei man auf Whistleblower und deren Schutz angewiesen, um Korruption aufdecken zu können. Außerdem stellte Müller einen Forderungskatalog vor, wonach unter anderem ein Untersuchungsausschuss im Bundestag eingerichtet werden solle und der britische Botschafter dem Europäischen Rat berichten müsse.

Die renommierte Journalistin Sonja Seymour Mikich bezeichnete in ihrer Laudatio zur Preisverleihung die durch Snowden aufgedeckte NSA-Affäre als historisch. "Big Data" und "Big State" würden einen neuen Totalitarismus keimen lassen. "Niemand wird später sagen können, er habe von der schleichenden Erosion der Demokratie nichts mitbekommen." Es sei beschämend, dass die westlichen Gesellschaften Snowden kein Asyl bieten würden und er nun in Russland leben müsse. Auch Otto Jäckel, Vorsitzender der IALANA, hatte es in seiner Rede sehr bedauert, dass Deutschland Snowden kein Asyl gewähre.

Der IALANA-Vorsitzende Otto Jäckel forderte Asyl für Snowden in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Die politischen Instrumentalisierungen seiner Vorredner gingen Appelbaum anscheinend zu weit - deshalb seine ausdrückliche Betonung der Rolle des Individuums. Vor diesem Hintergrund muss auch das sehr politische Musikprogramm bei der Preisverleihung kritisiert werden. Eine deutsche Liedermacherin sang alte russische Partisanenlieder und rief die älteren Zuhörer auf, gemeinsam ein Anti-Atomlied anzustimmen. Was das auf dieser Veranstaltung zu suchen hatte, ist wirklich fraglich. Vor allem auch, weil in Deutschland der Atomausstieg längst beschlossene Sache ist.

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