Vom Indogermanischen bis zum Neuhochdeutschen war es ein langer Weg. Die Sprachgeschichte ist kompliziert und hat auch schon Luther und Goethe beschäftigt.
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Wo in der Welt wird Deutsch gesprochen?
118 Millionen Menschen sprechen Deutsch, in Dutzenden von Ländern. Wo ist die deutsche Sprache besonders stark verbreitet? Und wie kam das Deutsche dorthin?
Liechtenstein
Drei Länder in Europa sind offiziell deutschsprachig: Deutschland, Österreich und das kleine Liechtenstein mit der Hauptstadt Vaduz. In dem Fürstentum sprechen 35.000 Menschen Deutsch, in Österreich sind es 7,5 Millionen, in Deutschland etwa zehn Mal so viele.
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Schweiz
In der Schweiz ist Deutsch eine von vier Amtssprachen, gesprochen von fünf Millionen Menschen, etwa zwei Dritteln der Einwohner. Bei deutschen Emigranten wie den Schriftstellern Hermann Hesse oder Erich Maria Remarque war die italienische Schweiz besonders beliebt. Remarque lebte im Exil und bis zu seinem Tod immer wieder in dieser Villa am Lago Maggiore.
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Luxemburg
Auch in Luxemburg ist Deutsch neben Lëtzebuergesch und Französisch offizielle Amtssprache. Ungefähr 470.000 Bewohner des Großherzogtums sprechen muttersprachlich Deutsch. Das Lëtzebuergesche - Luxemburgische - ist erst seit 1984 Nationalsprache und wird überwiegend im Radio und Fernsehen gesprochen. Geschrieben wird jedoch größtenteils auf Hochdeutsch.
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Belgien
Belgien ist eines von sechs Ländern, in denen Deutsch Amtssprache ist, neben Niederländisch und Französisch. In Ostbelgien - hier ein Beispiel aus der Stadt Eupen in der Provinz Lüttich - leben rund 75.000 muttersprachlich deutsche Belgier. In neun weiteren europäischen Ländern ist Deutsch anerkannte Minderheitensprache.
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Frankreich
Die Verbreitung von Sprache spiegelt Geschichte: In Frankreich ist Deutsch Minderheitensprache. Die 1,2 Millionen Deutschsprecher leben im deutsch-französischen Grenzgebiet, in der Region Grand Est, die das frühere Elsass, die Champagne-Ardenne und Lothringen umfasst. Sie sprechen tief verwurzelte fränkische und alemannische Dialekte. Alte Schrifttafel erinnern an Zeiten der deutschen Verwaltung.
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Italien
Deutsch ist in Italien offizielle Minderheitensprache in Südtirol, das bis 1919 zu Österreich gehörte, und in der Vatikanstadt. Noch heute sprechen in der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol mit etwa 520.000 Einwohnern mehr als 60 Prozent der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache. Die Beschilderung ist in der ganzen Provinz zweisprachig: auf Deutsch und Italienisch.
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Spanien
Das beliebteste Auswanderungsland der Deutschen in Europa ist Spanien. Im gesamten Land sind etwa eine halbe Million Deutsche sesshaft geworden. Auf den Kanaren, Mallorca und entlang der spanischen Festlandküste gibt es große deutsche Kolonien. Das deutsche Nachtleben an der Playa de Palma auf Mallorca hat sich allerdings seit der Corona-Pandemie sehr beruhigt.
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Niederlande
In vielen Orten der Niederlande wird wie hier in Venlo neben der Landessprache auch Deutsch gesprochen und geschrieben - und das nicht nur im Grenzgebiet. Rund 360.000 Deutsche, die in das Land eingewandert sind, leben in den Niederlanden. An vielen niederländischen Schulen wird Deutsch als Fremdsprache angeboten.
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Irland
Es lassen sich viele Orte in Irland finden, an denen Deutsche Spuren hinterlassen haben. So wurde Händels "Messias"-Oratorium 1742 in der Dubliner Alten Musikhalle in der Fishamble Street (Bild) uraufgeführt. Der deutsche Architekt Richard Castle entwarf im frühen 18. Jahrhundert viele imposante Gebäude in Dublin. Heute sprechen noch etwa 100.000 Menschen in Irland Deutsch.
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Israel
100.000 Israelis sprechen Deutsch, Nachfahren meist jüdischer Immigranten, zu denen auch die Bauhaus-Architekten zählten, die das Stadtbild von Tel Aviv mitgeprägt haben. Dabei war Deutsch in Israel als Sprache der Täter und der Nazis lange verpönt. Erst seit etwa zwei Jahrzehnten ist Deutsch nicht mehr stigmatisiert. Mit dem Interesse an Deutschland steigt auch das Interesse an der Sprache.
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Russland
Die deutsche Sprache in Russland hat eine mehr als 250-jährige Geschichte. Schon 1763 ermöglichte Katharina die Große tausenden deutschen Bauern die Ansiedlung an der Wolga. Nach 1990 ist ein Großteil der einst 2,3 Millionen Russlanddeutschen nach Deutschland umgesiedelt. Gegenwärtig leben noch 394.000 Deutschstämmige in Russland. Nicht alle von ihnen beherrschen die deutsche Sprache.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Kasachstan über 92.000 "ortsansässige Deutsche", Nachfahren von freiwilligen Umsiedlern, von Hungerflüchtlingen aus der Wolgaregion und enteigneten Bauern. Während des Zweiten Weltkrieges wurden mehr als 444.000 Deutsche nach Kasachstan deportiert. Heute sprechen noch zwei Drittel der deutschen Bevölkerung Kasachstans Deutsch, etwa 350.000 Menschen.
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Südafrika
Südafrika ist beliebt bei deutschen Auswanderern, Kapstadt hat sogar ein deutsches Viertel, genannt "Sauerkraut-Hill". Die Zahlen variieren, geschätzt gibt es 100.000 bis 500.000 deutsche Muttersprachler in dem sonnigen Land. Mitte des 19. Jahrhunderts gründeten niedersächsische Missionare und andere Auswanderer Siedlungen, die sie nach ihren Heimatorten wie Hermannsburg oder Lüneburg benannten.
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USA
Die Vereinigten Staaten gehören nach wie vor zu den beliebtesten Auswanderungsländern. Bis zum Corona-Einbruch verließen jährlich über 10.000 Bundesbürger Deutschland, um in den USA zu leben. Die geschätzte Zahl der Deutschsprechenden in den USA liegt bei 1,1 Millionen. Der "German Belt" zieht sich von Alabama über den Mittleren Westen bis nach Montana, Wyoming und Colorado.
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Kanada
Auch Kanada steht bei Auswanderern hoch im Kurs. Seit den 1940er Jahren sind über 400.000 Deutsche in das Land ausgewandert. Insgesamt sind dort etwa 430.000 Menschen deutschsprachig. Das Mitte des 18. Jahrhunderts gegründete Lunenburg ist offiziell die älteste deutsche Siedlung in Kanada. Das Hafenstädtchen gehört seit 1995 zum UNESCO-Welterbe und ist nicht nur für Deutsche ein beliebtes Ziel.
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Brasilien
Zehn Prozent aller Brasilianer haben deutsche Vorfahren. Sie stammen von Deutschen ab, die im 19. und 20. Jahrhundert aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen nach Brasilien ausgewandert sind. 1,1 Mio. Menschen in Brasilien sprechen Deutsch. Die 1850 gegründete Stadt Blumenau veranstaltet das größte Oktoberfest außerhalb Deutschlands und zeigt dort auch das Leben der früheren Einwanderer.
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Argentinien
Besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben Deutsche ihre Sprache in viele süd- und mittelamerikanische Länder getragen. In Argentinien beläuft sich die Schätzung auf 400.000 Sprecher, konzentriert u. a. in der deutschen Gründung Villa General Belgrano. In La Cumbrecita erinnern holzverzierte Häuser an traditionelle Bauten, wie man sie etwa in Bayern findet.
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Paraguay
Auch Paraguay, wo heute noch 166.000 Menschen Deutsch sprechen, gehört seit mehr als einem Jahrhundert zu den beliebten Auswanderungsländern. Hierher kamen auch Rassisten wie Bernhard Förster, der 1887 mit Nueva Germania eine "arische" Siedlung gründete. Die Kolonie des mit der Schwester des Philosophen Friedrich Nietzsche verheirateten Antisemiten scheiterte, und er beging Selbstmord.
Bild: picture-alliance/J. Dabrowski
Namibia
Die deutsche Sprache ist in 45 Ländern der Welt zuhause. Abgesehen von den Ländern, in denen Deutsch Amtssprache ist, zeigen wir in diesem Rundblick nur Länder mit mehr als 100.000 deutschen Muttersprachlern. In der einstigen Kolonie Namibia, in der die Deutschen viele sichtbare Spuren hinterlassen haben, sprechen von den 2,5 Mio. Einwohnern allerdings nur noch 20.000 Deutsch.
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Die Olympischen Sommerspiele 2020 mussten verschoben werden. Doch es gab trotzdem noch einen olympischen Wettbewerb, der in diesem Jahr ausgetragen wurde: die Deutscholympiade des Goethe-Instituts. Seit 2008 können alle zwei Jahre Jugendliche aus aller Welt antreten, um mit ihren Deutschkenntnissen und kreativen Leistungen zu glänzen. Diesmal trafen sich die 14- bis 17-jährigen Schülerinnen und Schüler aus über sechzig Ländern coronabedingt digital. Nach fünf Tagen im Internet mit Livestreams, Digitalkonzerten, Breakdance, Vorträgen und Gesprächen war der Wettkampf in den verschiedenen Anforderungsstufen der Sprachprüfung am 7. August entschieden. Gewonnen haben viele, an der Spitze Eban Ebssa aus den USA, (Stufe A1), Wang Zhi-an aus Taiwan (Stufe B1) und die Schülerin Keta Kalandadze aus Georgien (Stufe B2).
Die indogermanischen Wurzeln
"Dabei sein!" hieß das diesjährige Motto der Deutscholympiade. Im Zentrum des Wettbewerbs steht die deutsche Sprache, deren Vermittlung zu den Kernaufgaben des Goethe-Instituts gehört. Doch "Deutsch", was ist das eigentlich? Woher kommt die Sprache, wie hat sie sich entwickelt, und wie entwickelt sie sich auch gegenwärtig immer weiter? Ob sich die jungen KonkurrentInnen auch darüber Gedanken gemacht haben?
Wer immer versucht, die Anfänge des deutschen Idioms zu erkunden, wird schnell in die indogermanische Sprachfamilie eingeführt. Seit dem 19. Jahrhundert spüren Sprachforscher den Wurzeln dieser riesigen Gruppe verwandter Sprachen nach. Sie sind dabei bis ins 4. Jahrtausend vor Christus zurückgelangt, als sich die Urheimat der Indogermanen wahrscheinlich nördlich und östlich vom Schwarzen Meer befand.
Die Entstehung des Germanischen
Viele verschiedene Sprachgruppen und Einzelsprachen bildeten sich aus dieser Ursprache heraus, darunter auch längst ausgestorbene, heute nie gehörte oder nur noch als untergegangene Sprachgemeinschaften bekannte wie das Hetitische, Tocharisch, Illyrisch oder Vandalische. Die Forschung zur Sprachgeschichte füllt Bibliotheken. Faszinierend ist aus heutiger Sicht dabei vor allem der Gedanke, dass so verschiedene Sprachen wie das Iranische und das Deutsche denselben Ursprung haben.
Die im engeren Sinne germanische Sprache entstand im 1. Jahrtausend vor der Zeitenwende als Ergebnis einer "ersten Lautverschiebung", wie die Forschung diesen Sprachwandel nennt. Danach wird die Entwicklung komplexer, denn Sprache ist Geschichte: Wenn germanische Stämme römischen Truppen begegneten, sie mit ihnen kämpften oder auch als Söldner in römischen Heeren dienten, dann übernahmen sie mit kulturellen Einflüssen auch viele Begriffe. Griechische und römische Wörter durchsetzten zunehmend germanische Dialekte.
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Der Weg zum Neuhochdeutschen
Von Deutsch lässt sich erst nach einem zweiten Lautwandel sprechen, der sich ab 600 über vier Jahrhunderte hinweg vollzog. Die anschließende Entwicklung von Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch, Frühneuhochdeutsch zu Neuhochdeutsch ist vielleicht für Linguisten wesentlich. Für Nicht-Sprachforscher ist eher interessant, dass die heutige Entwicklungsstufe nicht mit Martin Luther (1483-1546) und seiner Bibelübersetzung begann, wie von Sprachwissenschaftlern im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts verbreitet, sondern erst hundert Jahre später, ab 1650. Heutige Zeitgenossen hätten auch noch größte Mühe gehabt, sich mit Deutschlands größtem Sprachschöpfer zu unterhalten. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) sprach ein Idiom, das heute nicht mehr verständlich wäre.
"Sprache existiert nur im Zeitablauf", stellt der Forscher Peter Polenz grundsätzlich in seinem Klassiker zur "Geschichte der deutschen Sprache" fest, um gleich mit dem Irrglauben aufzuräumen, dass "die Sprache der Vorfahren noch nicht von der Moderne 'verderbt' gewesen sei". "Die Klage über den ständigen Sprachverfall ist noch heute ein beliebter Topos in der kulturpessimistischen Sprachkritik", stellt Polenz fest. Dabei seien Sprachwandel und Sprachverschiedenheit selbstverständliche Erscheinungen der menschlichen Sozialgeschichte. Ein "Forum Deutsche Sprache" in Mannheim soll ab 2023 mit viel Publikumsbeteiligung lebendige Sprachtrends erforschen.
Sprachwandel gehört selbstverständlich zur Sozialgeschichte
Anglizismen finden immer mehr Einzug in die deutsche Sprache, neue urbane Soziolekte bilden sich heraus. Aber es gibt auch deutsche Wörter wie Autobahn, Kindergarten oder Hinterland, die auswandern. Wenn sich also heutige Schüler aus aller Welt um die deutsche Sprache bemühen, dann sollten sie sich keine Sorgen um Sprachverfall und zu viele Anglizismen machen - sondern mit "Fun" und Engagement bei der Sache sein.