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Freies Internet für den Iran? So geht's!

19. November 2019

Der Berliner US-Botschafter Richard Grenell hat in einem Tweet geschrieben, die USA und EU könnten gemeinsam freies Internet für den Iran gewährleisten. Geht das überhaupt?

Illustration Internetanschluss | Breitbandinternet
Stecker raus - was dann?Bild: picture alliance/dpa/A. Franke

Der Tweet rief einige Aufmerksamkeit hervor: "Wir sind technisch in der Lage, das Internet für die Menschen im Iran anzuschalten. Und wir können sicherstellen, dass die Regierung es nicht blockieren kann."

Und der Berliner US-Botschafter rief die wichtigsten Hersteller von Mobiltelefonen und die Anbieter von Suchmaschinen und Sozialen Medien dazu auf, ihre Anstrengungen zur Entwicklung eines entsprechenden Systems zu bündeln.

Was erstmal wie Science-Fiction klingt, ist vielleicht keine schlechte Idee. So könnte es funktionieren:

Gekappte Server und Leitungen - wie kommt man dann noch ins Internet?

Schaltet ein Regime die Netzwerkverbindungen ab, wird es für einfache Nutzer fast unmöglich, mit ihren Rechnern und Routern, schnell wieder auf die ihnen bekannten Internetdienste zuzugreifen. Doch eine eingeschränkte Kommunikation ist möglicherweise immer noch möglich, bedarf allerdings einiger Anstrengungen.

Viele setzen heutzutage, wo das Breitband-Internet schon fast zum Standard gehört, das Internet mit dem World Wide Web gleich. Dabei ist das World Wide Web mit seinen Web-Browsern nur eine von vielen Technologien, die das Internet nutzen. Und Internet geht ganz gut auch ohne das World Wide Web.

Das World Wide Web braucht, um vernünftig funktionieren zu können, eine ständige Verbindung, über die Datenpakete verschickt und empfangen werden können. Kappt der Staat oder das Telekommunikationsunternehmen diese Verbindung, funktioniert erstmal nichts mehr.

Aber auch bevor das World Wide Web Anfang der 1990er Jahre in Schwung kam, nutzen viele Menschen schon das Internet, um miteinander zu kommunizieren – ganz ohne permanent online zu sein.

Gefahren der Internet-Telefonie

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Crosspoint-Programme als Ideengeber?

Dazu dienten zum Beispiel CrossPoint Programme. Diese bündelten die Funktion von Diskussionsforen mit einem Email-Programm. Als Server dienten einfache Heim-PCs, die mit einem oder zwei Telefon-Modems ausgestattet waren.

Diese Crosspoint-Server mussten sich nur über eine normale Telefonleitung hin- und wieder gegenseitig anrufen und ihre Datenpakete austauschen.

Auch in autoritären Regimen funktionierte diese Technik. Das Zamir-Netzwerk hatte es ab 1991 während der Jugoslawien-Kriege vorgemacht. Solange die Server manchmal auch eine Telefonnummer in einem freien Land erreichten, war die Kommunikation mit dem Internet und der großen weiten Welt gewährleistet. Die Behörden waren damals zwar in der Lage, analoge Telefongespräche abzuhören. Mit dem digitalen Geräuschsalat waren sie aber seinerzeit überfordert.

So konnte es zwar auch Tage dauern, bis eine Email ihren Weg vom Absender zum Empfänger fand, aber schneller als die Briefpost war es allemal.

Die Herausforderung: Verschlüsselte Smartphone-Kommunikation auch ohne Provider

Eine Lösung für den Iran und andere autoritäre Staaten müsste heute freilich etwas anders aussehen: Das Rückgrat des Systems wären die Hunderttausenden oder Millionen von Smartphones, die die Menschen mit sich tragen.

Mittels einer App könnten all die Geräte derer, die mitmachen wollen, direkt vernetzt werden: Jedes Telefon würde selbst zum Server werden und sich mit den anderen Telefonen in der Nähe verbinden. So würde ein riesiges paralleles Internet entstehen, über das Nutzer miteinander kommunizieren können. Kommt es mal zu einer Lücke in der Verbindung, muss die Nachricht eben warten, bis sie den nächsten Knotenpunkt erreicht.

Ein Beispiel dafür gibt es schon: Das Programm nennt sich Bridgefy. Es verbindet Smartphones per Bluetooth. Bei den Protesten in Hongkong haben Demonstranten die App bereits erfolgreich eingesetzt. Auch im Libanon nutzen Protestierende das System.

Theoretisch wäre es sicher auch denkbar, in ähnlicher Weise über die WiFi-Funktion von Mobiltelefonen zu kommunizieren. Dann würde jedes Telefon zum WiFi-Router werden. 

Ganz einfach wird das aber für die Programmierer nicht, sagt Fabian Marquardt, der an der Universität Bonn an Netzwerken und IT-Sicherheit forscht. "Es ist schwierig, die Weiterverteilung der Nachrichten sinnvoll zu organisieren. Wenn die Nachrichten immer an Alle weiterverteilt werden, besteht die Gefahr, dass am Ende auf zu vielen Telefonen zu viele Daten nutzlos herumliegen". 

Was ist mit der Konspiration? 

Nutzer in politisch repressiven Regimen wie China oder dem Iran müssen vor allem darum fürchten, digitale Spuren zu hinterlassen. Die erste Spur ist natürlich die eigene SIM-Karte im Smartphone.

Die wäre aber bei einer geschickt gestalteten Bluetooth- oder WiFi-Lösung vielleicht gar nicht mehr nötig. Nutzer des Mobiltelefons müssten sich also nicht mehr bei einem Telekommunikationsunternehmen registrieren und könnten so einfach auch nicht mehr enttarnt werden. Voraussetzung ist, dass man ein Telefon anonym kaufen kann.

WhatsApp & Co.: Die Zukunft sozialer Netze?

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Mindestens genauso wichtig ist aber, dass die für die Verabredungen genutzte Messenger-Software eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufweist.

Und auch das gibt es bereits: Die App namens Signal von Whisper Systems ist von der Nutzung vergleichbar mit Whatsapp. Aber anders als beim Marktführer kann niemand außer den Empfängern herausfinden, wer die Nachricht geschickt hat oder was drin steht. Auch die Telefonbücher der Nutzer bleiben anonym.

Was Grenell anregt – freies Internet für den Iran - ließe sich also möglicherweise durch eine clever gestaltete App umsetzen. Dazu würde dann auch eine Anzahl konspirativer, im Land betriebener Server gehören, die eine Kommunikation des Telefon-Netzwerkes jenseits der Landesgrenzen möglich machen.

Warum nicht über Satellit?

Hier kommen Satelliten ins Spiel, etwa das Starlink-System von SpaceX. 

Kappt ein Land alle Kommunikationskanäle nach draußen, bleibt nur noch die Kommunikation ins All. Mit diesen Satelliten können allerdings nicht alle Mobiltelefon-Nutzer individuell kommunizieren, weil ihre Endgeräte technisch keine Signale nach oben schicken können.

Aber Oppositionelle könnten mit dazu fähigen Geräten ausgestattet werden – ähnlich den bereits verfügbaren Iridium-Telefonen. 

Schon heute bietet Iridium einen eigenen Messenger-Dienst an. Was spräche also dagegen, einige Hundert derartige Geräte an vertrauenswürdige Menschen im Iran zu verteilen, quasi als Knotenpunkte für die Kommunikation aller am großen Netzwerk Beteiligten nach draußen?

Nur eine Einschränkung müssten die Nutzer bei einem solchen System wohl in Kauf nehmen: Hochauflösende Bilder oder gar Videos würden das System wahrscheinlich schnell in die Knie zwingen. Zumindest am Anfang sollte sich die Kommunikation besser auf reinen Text beschränken. 

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