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Gesellschaft

Wie Abtreibungen weltweit geregelt sind

13. Dezember 2018

Darf man eine Schwangerschaft abbrechen? Nur wenige Fragen sorgen emotionalere Diskussionen. Die Unterschiede in der Gesetzgebung zeigen die Bandbreite an Auffassungen. Wir stellen fünf Länder vor.

Polen Proteste gegen Abtreibungsgesetz
Proteste gegen die geplante Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in Polen im Mai 2018Bild: picture-alliance/NurPhoto/M. Moskwa

Niederlande - bis zur 24. Woche

"Fahren Sie doch nach Holland", noch bis in die 1990er Jahre war das ein gängiger Rat an Frauen, die in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollten. Und auch heute ist es für manche die letzte Option, denn in den Niederlanden dürfen Frauen bis zur 24. Schwangerschaftswoche einen Abbruch durchführen lassen. In der Praxis geschieht dies aber nur bis zur 22. Woche. In Deutschland sind Abbrüche bis zur 12. Woche straffrei. Die im weltweiten Vergleich sehr liberale Gesetzgebung der Niederlande wurde 1984 verabschiedet. In Folge dessen entstanden zahlreiche Abtreibungskliniken, in die auch Frauen aus den umliegenden Ländern kommen. Um die 14 Prozent aller in den Niederlanden durchgeführten Abbrüche, werden an ausländischen Frauen durchgeführt.

Trotz der liberalen Gesetzgebung gehören die Niederlande zu den Ländern mit den wenigsten Abtreibungen weltweit (siehe Infografik). Pro 1000 Frauen wurden im Jahr 2016 8,7 Abbrüche durchgeführt. Seit mehr als 15 Jahren ist die Zahl relativ konstant. Als Grund dafür nennen Experten die umfassende Aufklärung und den einfachen Zugang zu Verhütungsmitteln.

Russland - Abtreibung als Verhütungsmittel

Russische Frauen, die heute um die 50 Jahre alt sind, wissen, wie eine Abtreibung von statten geht: Sie haben im Schnitt zwischen acht und zehn Abtreibungen gehabt. Abtreibung gilt in Russland auch heute noch als ein Mittel zur Geburtenkontrolle. 2016 wurden 700.000 Schwangerschaften abgebrochen - bei rund zwei Millionen Geburten. Bis zur 22. Schwangerschaftswoche sind Abbrüche in Russland mit geringen Einschränkungen legal, oft finden sie noch bis in den siebten Monat statt.

Die Sowjetunion erlaubte Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 1955. Der Grund: Die illegalen Abtreibungen hatten zu viele Todesopfer gefordert. Gleichzeitig drangen keine Informationen über Verhütungsmittel in das Land, und das Gesundheitssystem bot Abtreibungen kostenlos an. Im sozialistischen Kuba sieht die Situation ähnlich aus: Der schlechte Zugang zu Kondomen und zur Pille gepaart mit einem verhältnismäßig gutem Gesundheitssystem sorgen dafür, dass viele Frauen mehrfach Schwangerschaften abbrechen lassen.

USA - eigentlich erlaubt, aber ...

Seit 1973 sind Abtreibungen in den USA bundesweit legal. Doch die 50 US-Bundesstaaten dürfen zusätzliche Regelungen erlassen. So ist es in 43 Staaten ab einem bestimmten Punkt der Schwangerschaft verboten, eine Abtreibung vorzunehmen. Ausnahmen gelten hier nur, wenn das Leben oder die Gesundheit der Frau in Gefahr ist. In fünf Bundesstaaten müssen Frauen vor einer Abtreibung ein Beratungsgespräch in Anspruch nehmen, bei dem der Frau gesagt wird, dass Abtreibungen das Brustkrebsrisiko steigern - obwohl das wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist.

"Planned Parenthood" bietet in den USA Abtreibungen an. US-Präsident Trump will den Kliniken Fördergelder entziehenBild: Reuters/R. Wilking

Befördert werden solche Regelungen von den in den USA sehr aktiven Abtreibungsgegnern, die mit Präsident Donald Trump nun auch Unterstützung von ganz oben haben. Für besonderes Aufsehen sorgte im Mai 2018 die Verabschiedung eines neuen Gesetzes im Bundesstaat Iowa. Republikanische Abtreibungsgegner setzten durch, dass Abbrüche nicht mehr durchgeführt werden dürfen, sobald ein Herzschlag beim Fötus erkennbar ist. Das ist in der Regel bereits ab der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall. Zuvor durften Abbrüche bis zur 20. Woche durchgeführt werden.

Gesetze wie diese sorgen dafür, dass viele US-Amerikanerinnen in Kanada einen Abbruch vornehmen lassen. Dort sind Abtreibungen seit 1988 komplett entkriminalisiert. Zudem gibt es keine Fristen oder andere gesetzliche Beschränkungen.

Chile - in drei Ausnahmen erlaubt

Chile war lange Zeit eines der Länder mit den striktesten Abtreibungsgesetzen weltweit. Erst seit August 2017 sind Schwangerschaftsabbrüche in drei Fällen legal: bei einer Schwangerschaft durch Vergewaltigung, bei Gefährdung der Mutter oder einer tödlichen Erkrankung des Fötus. Die ehemalige Präsidentin Michelle Bachelet hatte den Gesetzesentwurf noch kurz vor Ende ihrer Amtszeit eingebracht. Heute ist Bachelet Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen.

Sogenannte "Pro Life"-Aktivisten protestieren gegen die Entkriminalisierung von Abtreibung in ArgentinienBild: Reuters/M. Brindicci

Doch trotz des neuen Gesetzes führen Ärzte in Chile oft keine Abbrüche durch - als Grund nennen viele von ihnen Gewissenskonflikte. Allerdings besteht faktisch auch keine Infrastruktur für die Eingriffe. Damit ist Chile exemplarisch für Lateinamerika. In der Region gibt es die restriktivsten Abtreibungsgesetze weltweit, gleichzeitig werden hier im Durchschnitt die meisten Abtreibungen durchgeführt. In Nicaragua beispielsweise gilt ein absolutes Abtreibungsverbot - auch dann, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Lässt man trotzdem einen solchen Eingriff vornehmen, droht eine Strafe von bis zu zwölf Jahren Gefängnis. Die Vereinten Nationen verglichen diese Gesetzeslage mit Folter.

Indonesien - Abtreibungsgesetze gelten nur für Verheiratete

Auch in Indonesien wird bestraft, wer eine Abtreibung vornehmen lässt oder durchführt. Bis zu zehn Jahre müssen Frauen hinter Gitter. Ausnahmen gelten nur, wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung entstanden oder das Wohl der Frau gefährdet ist. Und auch dieses Recht steht nur verheirateten Frauen zu, und nur dann, wenn der Ehemann zustimmt.

Lässt eine Frau trotzdem einen Abbruch vornehmen, ist sie mit hohem gesellschaftlichen Druck konfrontiert. In dem Land spielen konservative Werte sowie die unterschiedlichen Religionen eine große Rolle. Laut Amnesty International gehen fünf bis elf Prozent aller Fälle von Müttersterblichkeit in Indonesien auf unsichere Abtreibungen zurück. Die Müttersterblichkeit ist eine der höchsten in der Region Ostasien.