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Politik

So will Deutschland das Coronavirus eindämmen

27. Februar 2020

Gegen das neue Virus arbeiten in Deutschland Behörden in Stadt und Land zusammen. Tausende Einrichtungen müssen sich dabei abstimmen. Weitaus schwieriger als etwa in China ist es, ganze Städte abzuriegeln.

Deutschland Hessen | Coronavirus | Vorsichtsmaßnahme Desinfektion Hände
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Um das Coronavirus auch in Deutschland wirkungsvoll zu bekämpfen, hat die Bundesregierung einen Krisenstab gebildet. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Donnerstag in Berlin: "Das zeigt: Wir nehmen den Ausbruch des Coronavirus ernst und wir reagieren auf die neue Lage, in der sich Deutschland, Europa und die ganze Welt befinden." Schon am Mittwoch hatte Spahn nach den ersten Infektions-Fällen auch in Deutschland davon gesprochen, das Land befinde sich am Beginn einer Epidemie. Spahn fügte jetzt hinzu, die Epidemie einzudämmen, gelinge nur noch unter großem Aufwand. Ziel des neuen Krisenstabes ist es nun, entscheidende Stellen wie Ministerien, aber auch Betriebe wie die Bahn, besser zu vernetzen.

Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte an, Menschen, die mit dem Bus oder der Bahn nach Deutschland kämen, sollten spezielle Aussteiger-Karten ausfüllen. Damit soll der Weg der Reisenden im Land selbst besser verfolgt werden können, indem sie etwa den Ort angeben, an dem sie übernachten werden. Im Infektionsfall sollen die Reisenden schnell kontaktiert werden können, außerdem werden ab sofort die Überstellungen von Aylbewerbern von und aus Italien ausgesetzt. Dort waren komplette Ortschaften wegen der Epidemie abgeriegelt worden. Flüchtlinge aus den besonders betroffenen Ländern wie Afghanistan, Pakistan, der Türkei oder dem Iran werden besonders und "primär", wie es heißt, auf das Virus getestet.  

Tödlicher als die jährliche Grippe?

Besorgnis spricht aus aktuellen Äußerungen von Wissenschaftlern. Auch deutsche Experten schätzen das Coronavirus als tödlicher ein als die Grippe. Wie hoch die Sterberate aber tatsächlich ausfalle, werde man erst wissen, wenn die Epidemie vorbei sei, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, am Donnerstag vor Journalisten. Er wird jetzt täglich eine Pressekonferenz zum neuartigen Virus in Berlin geben. Nach wir vor aber bestehe kein Grund zu Panik in Deutschland, so Wieler: "Das ist noch nicht außer Kontrolle. Wir hatten in Bayern ein Geschehen, das ist erfolgreich eingedämmt worden. Dann hatten wir vor zwei Tagen zwei neue Geschehen, da sind die Gesundheitsbehörden dabei, das nachzuvollziehen."

"Am Beginn einer Epidemie": Gesundheitsminister Jens SpahnBild: AFP/T. Schwarz

Abriegelung von Städten unwahrscheinlich

Zunächst waren Mitarbeiter einer Firma in Bayern mit Kontakten nach China betroffen, in den letzten Tagen wurden Infektionen in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz, in Hamburg und zuletzt auch in Hessen bekannt. Für die Experten des Robert-Koch-Instituts bleibt es aber dabei: Infizierte werden isoliert und ihre Kontaktpersonen so weit es geht ermittelt. Lothar Wieler: "Diese Strategie werden wir weiterfahren. Es kann sein, dass, wenn neue Ausbrüche kommen, dass wir dann die Kontrolle nicht mehr haben." Und das wäre der Fall, wenn die lokalen Ausbrüche nicht mehr wie bisher überschaubar sind. Nach wie vor glauben die Wissenschaftler im Robert-Koch-Institut aber nicht, dass in Deutschland wie in Italien Städte abgeriegelt werden müssen.

Robert-Koch-Institut forscht in zwei Schichten zum Coronavirus

In den letzten Tagen wurde das Robert-Koch-Institut mit Presse-Anfragen überhäuft, deshalb jetzt die tägliche Information. Das altehrwürdige Institut im Berliner Stadtteil Wedding, benannt nach dem weltbekannten Mikrobiologen, ist die wichtigste deutsche Behörde, was Infektionskrankheiten betrifft. Robert Koch erhielt 1905 für die Entdeckung der Tuberkulose-Bazillen den Nobelpreis für Medizin. Heute forschen die rund 1000 Mitarbeiter am Institut an Impfstoffen, sind international vernetzt und beobachten Epidemien oder auch Pandemien, also weltweite Epidemien, wenn sie ausbrechen.

Das Robert-Koch-Institut in Berlin betreibt auch HochsicherheitslaborsBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

In Falle des Coronavirus gibt es bereits seit einigen Wochen im Institut ein Lage-Zentrum, in dem Mitarbeiter sieben Tage die Woche in zwei Schichten die Situation bewerten, Empfehlungen geben und sich mit Ärzten und Behörden austauschen. Spahn listet auf: 170.000 Arztpraxen, 20.000 Apotheken, über 2000 Krankenhäuser und 14.000 Pflege-Einrichtungen im ganzen Land müssen jetzt koordiniert und mit Informationen versorgt werden. Experten fürchten, dass es da schon bald zu Engpässen kommt: In den kommunalen Gesundheitsämtern arbeiten etwa bundesweit nur rund 2500 Ärzte, vor 15 Jahren waren es weit mehr. Bereits eingerichtete Telefon-Hotlines sind jetzt schon überlastet.

Katastrophenschutz ist Ländersache

Infizierte in Deutschland sollten sich sofort an die örtlichen Gesundheitsämter wenden. Sie sind dafür zuständig, Risiken einzuschätzen und erste Schutzmaßnahmen zu ergreifenBild: picture-alliance/dpa/J. Güttler

Was im Falle des Ausbruchs von Infektionskrankheiten passieren soll und kann, regelt im ganzen Land das Infektionsschutzgesetz. In der Praxis ist der Schutz vor Gesundheitsgefahren und das Handeln im Katastrophenfall in Deutschland aber Ländersache. Jedes Bundesland hat eigene Pläne für Epidemie- oder Pandemiefälle. Dabei gilt in der Regel: Solange Infektionsausbrüche mit den herkömmlichen Mitteln beherrschbar erscheinen, wird auch kein Katastrophenalarm ausgelöst.
Im entsprechenden Gesetz für das Land Brandenburg etwa heißt es: Der Katastrophenschutz setzt ein, wenn Infektionen "eine Beeinträchtigung oder unmittelbare Gefährdung von Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen, erheblicher Sachwerte, lebensnotwendiger Unterkünfte oder der Versorgung der Bevölkerung bedeuten und dabei zugleich erhebliche Störungen oder unmittelbare Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verursachen". Es muss also schon eine Menge passieren, bis Alarm ausgelöst wird. Dann aber sind einschneidende Maßnahmen denkbar: Die Behörden dürfen dann auch auf privatem Grund und etwa in Bussen oder Bahnen kontrollieren,  auch öffentliche Veranstaltungen können abgesagt werden. Konkret wurden etwa  in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen Schulen und Kindergärten für einige Tage geschlossen, nachdem dort eine Coronavirus-Infektion bekannt geworden war.

Diese Frau in Düsseldorf setzt auf auf eine Maske, um sich und andere zu schützen. Noch wichtiger: regelmäßiges Händewaschen.Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Meissner

Es sind also auch in Deutschland viele Schritte denkbar, aber die meisten Experten glauben nicht, dass Städte so leicht wie etwa in einem zentralistischen und nicht-demokratischen Staat wie China komplett abgeriegelt werden können. Im föderalen Staat Bundesrepublik gilt immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Das heißt: Welche Maßnahme auch immer ergriffen wird, sie muss den direkt Betroffenen gelten, nicht pauschal einer großen Menschenmenge. Aber es wäre zumindest möglich, infizierten Menschen zu verbieten, spezielle Orte zu verlassen oder zu betreten. Auch Einreiseverbote sind möglich.

Soldaten nur eingeschränkt im Inland einsetzbar

Eine deutsche Besonderheit im Vergleich mit vielen anderen Ländern ist auch, dass die Bundeswehr nicht so einfach im Inneren eingesetzt werden kann. Gut in Erinnerung ist vielen Deutschen sicher noch, dass Soldaten zuletzt bei Sommerhochwasser-Katastrophen etwa an der Oder, aber auch an der Elbe aushalfen und Sandsäcke aufschichteten. Doch dem Einsatz im Epidemie-Fall sind enge Grenzen gesetzt. Kontrollen, Festnahmen oder Abriegelungen sind Sache der Polizei.

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