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Rechtsextremismus: So will Deutschland dagegen vorgehen

13. Februar 2024

Innenministerin Nancy Faeser will den Staat wehrhafter gegen Rechtsextremismus machen. Netzwerke sollen zerschlagen, Einnahmen entzogen werden - hieß es bei einem Treffen mit Verfassungsschutz und BKA.

"Für eine solidarische Gesellschaft - alle zusammen gegen den Rechtsruck" steht auf einem riesigen Transparent auf einer Demonstration in Bremen.
Seit Januar 2024 protestieren überall in Deutschland massenhaft Menschen gegen Rechtsextremismus, hier in BremenBild: Focke Strangmann/dpa/picture alliance

Gemeinsam sitzen sie auf dem Podium der Bundespressekonferenz in Berlin, dem Forum der nationalen und internationalen Medien im Regierungsviertel: Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser sowie die Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, und des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch. Ihr Anliegen: Maßnahmen gegen Rechtsextremismus.

Auslöser ihrer konzertierten Aktion war ein Treffen von Rechtsextremisten und Erzkonservativen im November 2023 in Potsdam, bei dem über massenhafte Ausweisungen von Menschen mit Migrationshintergrund referiert und diskutiert worden sein soll. Im Januar hatte das Medienunternehmen "Correctiv" über die Veranstaltung berichtet. Seitdem demonstrieren landesweit Millionen Menschen gegen Rechtsextremismus.

Nachdenklich im Kampf gegen Rechtsextremismus: Innenministerin Faeser, Verfassungsschutz-Chef Haldenwang und BKA-Chef Münch (v.r.) Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Innenministerin Faeser ist von den Massendemos beeindruckt

"Dass so viele Menschen gegen Hass, gegen Ausgrenzung auf die Straße gehen, ist für mich Ermutigung und Auftrag zugleich", sagt die Sozialdemokratin (SPD) Faeser. Denn es gehe darum, die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen. Rechtsextremisten agierten vernetzt und strategisch, betont sie.

"Insbesondere die sogenannte Neue Rechte versucht, ihre menschenverachtende Ideologie in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Der verlängerte Arm dieser Rechtsextremisten reicht bis in unsere Parlamente." Damit ist die Alternative für Deutschland (AfD) gemeint, deren Namen die Ministerin unerwähnt lässt. 

Vieles stammt aus dem Aktionsplan Rechtsextremismus

Man wolle alle Instrumente des Rechtsstaats nutzen, um die Demokratie zu schützen, kündigt Faeser an. "Wir wollen diese rechtsextremistischen Netzwerke zerschlagen, wir wollen ihnen ihre Einnahmen entziehen, wir wollen ihnen die Waffen wegnehmen." Maßnahmen, die teilweise schon im 2022 präsentierten Aktionsplan gegen Rechtsextremismus zu finden sind.

Allerdings müssen dafür in einigen Bereichen noch Gesetze reformiert oder neu geschaffen werden. Das meiste sei aber bereits umgesetzt, sagt Faeser. Oder es fehle nur noch die Zustimmung durch das Parlament. Dass dies bald geschehe, daran lässt sie keinen Zweifel.

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Verfassungsschutz-Chef sieht keine neue Entwicklung

Vieles von dem, was aus den rechten Milieus nicht erst seit der "Correctiv"-Enthüllung bekannt ist, spielt sich aus Sicht der Sicherheitsbehörden schon lange ab. Verfassungsschutz-Präsident Haldenwang zitiert dafür aus dem Bericht seiner Behörde des Jahres 2014: "Rechtsextremisten sehen Deutschland von einem Volkstod bedroht, der von einer selbst ernannten Elite verhindert werden muss."

Zu dieser Elite zählen sich heute nach Haldenwangs Angaben zahlreiche Akteure der sogenannten Neuen Rechten, die Identitäre Bewegung (IB), die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative sowie erhebliche Teile der AfD selbst. Seine Schlussfolgerung: "Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten. Denn es geht auch um verbale und mentale Grenzverschiebungen."

Wenn die Würde der Menschen mit Füßen getreten wird

Wie der Verfassungsschutzchef zugleich einräumt, haben die in rechtsextremistischen Kreisen diskutierte Pläne zur massenhaften Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund noch keine strafrechtliche Relevanz. "Aber es ist trotzdem staatswohlgefährdend und es greift unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung an, indem die Würde der Menschen mit Füßen getreten wird."

Martin Sellner, Gründer der Identitären Bewegung in Österreich, gerät immer wieder ins Visier der Justiz, hier bei einem Verfahren vor dem Wiener Landgericht im Jahr 2023Bild: GEORG HOCHMUTH/APA/picture alliance

Deshalb sei es aber auch möglich, Einreiseverbote auszusprechen, betont Haldenwang. Dabei denkt er konkret an Leute wie den Österreicher Martin Sellner, der 2012 in seinem Heimatland die Identitäre Bewegung gründete und bei dem Treffen in Potsdam eine zentrale Rolle gespielt haben soll.

Der BKA-Präsident erhofft sich mehr Durchschlagskraft

Auch das Bundeskriminalamt (BKA) verspricht sich von verschärften Maßnahmen im Bereich des Rechtsextremismus zusätzliche Erfolge im Rahmen von Ermittlungen und Strafverfahren. Dabei arbeitet das BKA schon seit einigen Jahren eng mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Medienanstalten zusammen, um Hass und Hetze im Internet zu bekämpfen.

"Aktuell bearbeiten wir durchschnittlich pro Monat 1500 bis 1700 Meldungen", berichtet BKA-Präsident Holger Münch. Die Zahlen nähmen zu und das sei auch gut so, betont er: "Wir brauchen einen solchen Strafverfolgungsdruck." Außerdem werde man gegenüber Internet-Providern mit dem Ziel aktiv, strafrechtlich relevante Inhalte aus dem Netz zu entfernen.

Was kann der Digital Services Act bewirken?

Im Jahr 2023 habe man über 7200 Lösch-Ersuchen gestellt, sagt Münch. Etwa drei Viertel davon seien erfolgreich gewesen. Um diese Quote zu erhöhen, könnte auch der Digital Services Act (DSA) hilfreich sein. Er wurde im vergangenen Jahr beschlossen und soll am 17. Februar 2024 in allen 27 Ländern der Europäischen Union (EU) wirksam werden.

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Wichtigstes Ziel: Rechtsverstöße im digitalen Raum schneller und besser ahnden zu können. Das gilt für Einkäufe im Online-Shop ebenso wie für Hass-Kommentare auf Plattformen wie "X" (früher Twitter), Facebook und Co. Welches Potential die neue EU-Verordnung für das BKA entfalten wird, kann dessen Chef noch nicht abschließend einschätzen.

Meldeverpflichtung für Internet-Provider

Für Internet-Provider gebe es eine Meldeverpflichtung: "Immer dann, wenn Sachverhalte für das Leben, die Gesundheit oder die Sicherheit einer Person eine Gefahr darstellen." Das sei sehr abstrakt, findet Behördenchef Münch. Morddrohungen seien davon zum Beispiel erfasst, aber eben nicht Hass und Hetze in der Breite.

Die Schwierigkeit besteht aus Sicht des BKA-Präsidenten nun darin, auf europäischer Ebene gemeinsam vorzugehen und gegenüber Providern geschlossen aufzutreten. Entscheidend für Münch ist dabei eine Frage: "Über welchen Kanal, mit welchen Standards und welche Inhalte werden denn dann gemeldet?"

Aktuelle Studie über Hass und Hetze im Netz

Welche Dimension digitale Hetze inzwischen hat, zeigt auch eine aktuelle Studie des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz. Von den 3000 Befragten ab 16 Jahren gab die Hälfte an, sich aus Angst seltener politisch zu äußern und an Diskussionen zu beteiligen. Fast jede zweite Person wurde demnach schon einmal online beleidigt.

Drei Tipps gegen Hass im Netz

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Mit körperlicher Gewalt bedroht wurde eigenen Angaben zufolge ein Viertel und 13 Prozent berichteten über sexualisierte Gewalt. Besonders betroffen von solchen Delikten sind laut der Studie Menschen mit Migrationshintergrund, junge Frauen sowie Homo- und Bisexuelle.

Familienministerin nimmt TikTok und Co in die Pflicht

"Aus digitalem Hass im Netz kann analoge Gewalt werden", warnt Familienministerin Lisa Paus vor den möglichen Folgen. Das von der Grünen-Politikerin geleitete Ressort hat die Studie finanziell unterstützt. Von globalen Internetunternehmen wie Meta oder TikTok erwartet sie mehr Unterstützung: "Hierzu gehört auch, dass Hass durch Algorithmen nicht belohnt wird."

Mit Algorithmen steuern Internet-Unternehmen wie Google und YouTube, welche Inhalte auf ihren Seiten priorisiert und damit der Kundschaft bevorzugt angezeigt werden. Das Problem für Politik und Sicherheitsbehörden: Algorithmen gehören zu den am besten gehüteten Betriebsgeheimnissen. Am Ende kommt es deshalb immer wieder auf den guten Willen und die Kooperationsbereitschaft der Firmen an, um Hass und Hetze aus dem Netz zu verbannen.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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