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Social Media in der Bundesliga: unterschätzt, unterbezahlt

Jonathan Harding
17. Juli 2020

Die Arbeit, die im Bereich der sozialen Medien geleistet wurde, als die Bundesliga während der Corona-Pandemie als erste Liga zurückkehrte, war enorm wichtig, wird aber oft nicht so bewertet. Gründe dafür gibt es viele.

Fußball 1. Bundesliga  Borussia Mönchengladbach - 1. FSV Mainz
Bild: picture-alliance/SvenSimon/A. Waelischmiller

Als die Bundesliga als erste europäische Liga während der Coronavirus-Pandemie ihren Spielbetrieb wieder aufnahm, war das ein großer Moment für den deutschen Fußball. Das Image der Liga und ihrer Vereine stand im Mittelpunkt. Ein weniger beachteter, aber dennoch wichtiger Aspekt dabei war der Umgang der Liga und ihrer Vereine mit dieser weltweiten Aufmerksamkeit in den sozialen Medien.

Schalkes Versuche, Premier-League-Fans zu überzeugen, sie zu unterstützen, gingen viral.

Leverkusens englischer Twitter-Account, der für seinen satirischen Ansatz des Community-Managements bekannt ist, war schon vor der Rückkehr des Fußballs sehr engagiert. Das "4-Gewinnt"-Spiel gegen Hull City am Wochenende nach dem Lockdown wurde ein Coup.

Sogar der unorthodoxe Ansatz von RB Leipzig, den Abschied von Timo Werner zu feiern, brachte die Leute zum Interagieren.

Bereits vor COVID-19 nutzte der Twitter-Account von Bayern München in den USA soziale Medien, um eines der größten Netzwerke von Fanklubs in Nordamerika aufzubauen - eine Erfolgsgeschichte für deutsche Mannschaften.

Ein Job - viele Herausforderungen

Wer in diesem Bereich aktuell arbeitet, sieht sich mit den vielfältigsten Aufgaben konfrontiert: Kundenservice, Unternehmenskommunikation, Übersetzung, Grafikdesign, Analytik, Sponsoren generieren sowie soziale Verantwortung. Einige aus der Branche berichten, dass sie außerdem viel Zeit damit verbringen, Älteren den Job und die Plattform zu erklären. Zwar sind mehrere Jobs in einem nicht ungewöhnlich, doch in einer digitalen Welt mit Millionen von Menschen und Organisationen, die sich ständig um Aufmerksamkeit, Engagement und Interaktion bemühen, stellt dies eine zusätzliche Herausforderung dar.

"Das macht es schwierig, die richtigen Leute anzustellen und die Kanäle zu betreiben. Das Medium ist in diesem Sinne den nötigen strukturellen Voraussetzungen schon weit voraus.  Es braucht mehr Stresstests, ein größeres institutionelles Verständnis und mehr interne Zusammenarbeit", sagte jemand aus der Branche, der es vorzog, anonym zu bleiben, gegenüber der Deutschen Welle.

Große Verantwortung - trotzdem oft nur ein Nebenjob

Anerkennung und ein institutionelles Verständnis für diesen Job, der zunächst außerhalb von  Unternehmensstrukturen entstand, gab es lange nicht. Als klar wurde - und an einigen Stellen ist das immer noch nicht der Fall - dass die Arbeit an einem Social-Media-Account nicht dasselbe ist, wie einfach nur einen zu haben, wuchs die Nachfrage und der Respekt vor der Rolle - jedoch allzu oft nicht die Bezahlung dafür.

Filmen, hochladen, bearbeiten, verbreiten, kommentieren und und und. Anspruchsvolle Arbeit, oft nur nebenbeiBild: Imago Images/ActionPictures

Die Social-Media-Arbeit bleibt trotz der hohen Verantwortung und Erwartungshaltung oft ein Nebenjob, dessen Umfang von den Unternehmen nicht geschätzt wird. Es könnte daran liegen, vermutet die anonyme Quelle, dass sich die Arbeit "nicht immer in direkten Geschäftsergebnissen niederschlägt und so dynamisch und schnell veränderlich ist, dass es für das traditionelle Geschäft schwierig ist, sie zu fassen."

Outsourcing - die Rolle der Agenturen

Vielleicht liegt es auch an den Agenturen. Viele Vereine und Ligen lagern ihre Arbeit aus. Das ist bei vielen internationalen Social-Media-Accounts der Bundesliga der Fall. Das kann eine kluge Lösung sein - vor allem, wenn es um mehrere Sprachen geht - und es gibt viele ausgezeichnete Agenturen, die durchweg qualitativ hochwertige Inhalte liefern.

Outsourcing ist jedoch nicht unproblematisch, wie jüngste Beispiele aus der Bundesliga gezeigt haben: Auf der arabischen Website von Bayern München, die von einer externen Agentur betrieben wird, wurde die Nachricht von der Vertragsunterzeichnung von Leroy Sané einen Tag zu früh veröffentlicht. Auf Twitter gratulierte der englische Account von Schalke 04 dem russischen Klub Zenit St. Petersburg zum Gewinn der Meisterschaft, obwohl der deutsche Account dies nicht tat. Außer dem Sponsor Gazprom scheint es keine Verbindung zwischen den beiden Vereinen zu geben.

Zudem gibt es die Sorge, dass die Auslagerung ohne eine regelmäßige und klare Kommunikation sowie ein ausgeprägtes Verständnis für den Umfang der Rolle dazu führt, dass die Klubs ihre Stimme verlieren. Agenturen können Inhalte liefern, die in sozialen Medien gut ankommen - egal, ob diese mit den Werten des Vereins vereinbar sind. Ob ausgelagert oder nicht schlagen die internationalen sozialen Plattformen einiger Bundesligamannschaften oft einen drastisch anderen Ton an, als die Vereine in der Realität vermitteln wollen.

Hohe Anforderungen - dafür nur kleines Gehalt

Trotz der vielfältigen Aufgaben und der hohen Anforderungen an die Social-Media-Arbeit ist die Bezahlung oft nicht angemessen.

"Als ich diesen Karriereweg eingeschlagen habe, bin ich in die Falle getappt, die Gelegenheit überzubewerten und mich von einem Unternehmen unterbewerten zu lassen", sagte der ehemalige Agenturmitarbeiter Daniel der DW, der darum bat, nicht seinen richtigen Namen zu verwenden. "Ich begann im Alter von 21 Jahren mit 200 Euro pro Monat als einziger englischer Muttersprachler in einer deutschen Agentur."

Viele Plattformen, viel Arbeit - wenig Geld Bild: Imago/xim.gs

Infolgedessen war er für mehrere Projekte verantwortlich: von zwei englischen Websites für Bundesliga-Vereine bis zur Skriptübersetzung für japanische Drift-Rennen. "Ich verließ die Agentur nach 20 Monaten, wobei mein höchstbezahlter Monat - mein letzter - mit 800 Euro zu Buche schlug. Obwohl ich dankbar bin für die Fähigkeiten, die ich verbessern konnte, habe ich inzwischen herausgefunden, dass die Fähigkeiten, die ich entwickelt habe, mindestens fünf Mal so viel wert sind."

Ein anderes Mitglied der Social-Media-Branche, das es ebenfalls vorzog, anonym zu bleiben, erzählte der DW, dass ihm einmal von einer Agentur eine Stelle angeboten wurde, um ein Team zu leiten, das zwölf Vereinsaccounts betreiben sollte  - und das für nur 1.500 Euro im Monat.

Folgen für die psychische Gesundheit

Für diejenigen, die im Bereich der sozialen Medien arbeiten, gibt es zudem noch ein mentales Problem: Viele in der Branche beschreiben, dass sie sich regelmäßig erschöpft fühlen, weil sie ständig online sind.

Ein Artikel aus dem Jahr 2019 im "International Journal of Mental Health and Addiction" fand Hinweise darauf, dass "exzessive Smartphone-Nutzung das Risiko kognitiver, verhaltensbezogener und emotionaler Störungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen erhöhen kann". Eine Studie aus dem Jahr 2017, die im "Journal of the Association of Consumer Research" veröffentlicht wurde, zeigte, dass allein die Anwesenheit eines Smartphones im selben Raum die verfügbare kognitive Kapazität verringern kann - selbst wenn es ausgeschaltet ist und man alles tut, um es zu ignorieren. Vor diesem Hintergrund gibt es ernsthafte Bedenken, ob in der Branche genug getan wird, um das "Abschalten" ausreichend zu fördern.

Schon heute, in einer modernisierten, globalisierten Sportwelt, wird deutlich, wie wichtig die Arbeit in den sozialen Medien ist und sein wird. Denn von denjenigen, die weltweit die Timelines füllen, wird künftig immer mehr erwartet werden. Jetzt scheint der richtige Zeitpunkt gekommen, um den Wert dieser Rolle einzuschätzen, den Umfang der Position zu klären und die angebotene Unterstützung zu verbessern.

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