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Solar-Geoengineering: Kann man den Planeten kühlen?

Tim Schauenberg
21. Juni 2021

Die letzte Chance, die Erderwärmung aufzuhalten oder menschlicher Größenwahn? Wissenschaftler arbeiten an Möglichkeiten, den Planeten künstlich zu kühlen. Drei Ideen im Schnellcheck.

Blick auf die Erde und die Luftschichten, die sie umgeben aus ca 20 km Höhe.
Die Erde heizt sich immer weiter aufBild: Kirchner-Media/Wedel/picture alliance

"Zweifellos ist der Mensch in der Lage, den Planeten künstlich zu kühlen", sagt Professor David Keith von der Universität Harvard. Keith forscht im Bereich Solar-Geoengineering, einem sehr umstrittenen Fachgebiet. Denn es geht um nichts weniger als die Frage, wie der Mensch die Sonneneinstrahlung auf der Erde manipulieren kann, um den Klimawandel zu bremsen. Drei erstaunliche Ideen, wie das funktionieren könnte - oder auch nicht.

1. Die Kraft der Vulkane 

Am 15. Juni 1991 wurden beim Ausbruch des Pinatubo-Vulkans auf den Philippinen tonnenweise Asche und Gas kilometerweit in die Atmosphäre geblasen. Es war der zweitgrößte Vulkanausbruch des Jahrhunderts. Zur Überraschung vieler Wissenschaftler kühlte das Ereignis die Erde in den folgenden Monaten um etwa ein halbes Grad Celsius. Winzige Partikel in der Luft, sogenannte Aerosole, reflektierten mehr Sonnenlicht zurück ins All als unter normalen Bedingungen. Das Ergebnis: weniger Erderwärmung.

Die Rauchwolke des Vulkans Pinatubo hatte erstaunliche NebeneffekteBild: picture-alliance/dpa

Wissenschaftler wie Keith wollen diesen Vulkan-Effekt künstlich erzeugen. Die Theorie dahinter nennt sich "Stratospheric Aerosol Injection" (SAI). Dabei sollen Schwefel-Aerosole in die Stratosphäre eingebracht werden – zwischen 15 und 50 Kilometer über der Erdoberfläche. Die Aerosole, so die Theorie, verbinden sich dort mit Wasserpartikeln und reflektieren für etwa ein bis drei Jahre mehr Sonnenlicht als gewöhnlich.

"Praktisch jedes Klimamodell zeigt, dass man mit einer gleichmäßigen Verteilung der Aerosole in der Stratosphäre […] viele der wichtigsten Klimagefahren verringern kann. Also, Veränderungen in der Verfügbarkeit von Wasser, Änderungen der Temperaturen, extreme Temperaturen eingeschlossen", so Keith.

Um die Sonneneinstrahlung zu verringern, wollen einige Wissenschaftler kleine Partikel in die Erdatmosphäre ausbringenBild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopress/picture alliance

Damit es dauerhaft kühler wird, müssten die Aerosole allerdings über Jahrzehnte und großflächig in die Stratosphäre gebracht werden. Dazu könnten Ballons, die Artillerie, Flugzeuge oder riesige Türme genutzt werden.

Aber diese vermeintlich einfache Lösung birgt erhebliche Risiken. Einige Wissenschaftler befürchten eine Zunahme von Wetterextremen, sauren Regen oder eine Beschädigung der Ozonschicht. Kritiker sehen in der Technologie sogar eine potenzielle Klimawaffe.

Tests für die SRI-Methode mit Ballons sollten im Juni 2021 starten, wurden aber nach Protesten abgesagtBild: Bill Rodman/Planet Pix via ZUMA Wire/Zumapress/picture alliance

Bisher gibt es kaum Erfahrungswerte aus der Praxis. Das Forschungsprojekt SCoPEx, an dem auch David Keith beteiligt ist, wollte dieses Jahr mit einem Ballon Versuche in der Atmosphäre über Schweden durchführen und dabei Auswirkungen und Risiken der Methode untersuchen. Nach Protesten von lokalen Gemeinden und Umweltaktivisten wurde der Versuch aber in letzter Minute abgesagt. 

2. Das Meer als Spiegel

Es klingt unglaublich, doch einige Wissenschaftler forschen, wie man den Planeten kühlen könnte, indem große Teile des Meeres mit künstlichem Schaum bedeckt werden. Das Verfahren wird auch als  "Ocean foaming" oder "Microbubbles" bezeichnet.

Etwa 70 Prozent der Erdoberfläche sind vom Meer bedeckt. Das wegen der Tiefe meist dunkle Wasser reflektiert jedoch nur sehr wenig Sonnenlicht und speichert viel Wärme. Je heller eine Oberfläche ist, desto weniger heizt sie sich auf. Der Effekt nennt sich Albedo-Effekt. Der Effekt könnte auch auf dem Wasser genutzt werden.

Die Idee: "Einen Schaum herzustellen, der einen Teil der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert, und ihn dann an strategischen Stellen einzusetzen, wo man möglicherweise gewisse Klimaeffekte erzielen kann", sagt Corey Gabriel, Klimawissenschaftler an der University of California in San Diego. 

Damit Schaum einen Effekt hat, müsste er mehrere Tage auf der Wasseroberfläche bleibenBild: Muhammed Enes Yildirim/AA/picture alliance

Theoretisch könnte dieser Schaum zehn Mal mehr Sonnenlicht reflektieren als dunkle Wasseroberflächen. Mit genügend Schaum soll das den Planeten um 0,5 Grad Celsius kühlen können. Einige Wissenschaftler haben vorgeschlagen, dass der Schaum im Kielwasser spezieller Schiffe aufgewirbelt werden könnte. Oder Containerschiffe weltweit könnten ihn in verschiedenen Meeresgebieten ausbringen.

Diese Methode ist jedoch weitgehend unerforscht und noch lange nicht umsetzbar. Und die Folgen, die riesige Mengen Schaum auf dem Wasser für Ökosysteme im Meer haben würden, sind bisher völlig unklar. Die Auswirkungen auf das Klima und lokale Wetterereignisse wären außerdem nur sehr schwer kontrollierbar.

3. Weiße Städte 

Im Sommer wird es in vielen Städten richtig heiß.  New York zum Beispiel ist im Durchschnitt 1 - 3 Grad Celsius wärmer als seine Umgebung. An manchen Abenden sind es sogar bis zu 12 Grad Celsius. 

Der Grund: Dunkle Dächer, Straßen und Bürgersteige heizen sich stärker auf als Bäume, hellere Felder und Gebiete, in denen Pflanzen Schatten spenden. 

Eine Lösung dafür gibt es schon: Häuser und Dächer weiß streichen. Es ist so einfach wie es klingt, dazu relativ billig. Und es kühlt. Ein weißes Dach ist etwa 30 Prozent kühler als ein schwarzes. Und in der traditionellen Architektur etwa in afrikanischen, arabischen und südeuropäischen Ländern wird es seit jeher so gemacht, um die Hitze draußen zu halten. 

Helle Dächer und Wände: Hier in Griechenland wird schon seit jeher so gebaut, damit es drinnen kühl bleibtBild: Roman Sigaev/Zoonar/picture alliance

"Lokale Temperaturen könnten um etwa ein Grad gesenkt werden. An sehr heißen Tagen, an denen man sehr hohe Sonneneinstrahlung hat, könnte der Effekt sogar noch höher sein," erklärt Professor Sonia Seneviratne, Klimawissenschaftlerin an der ETH Zürich.

In New York werden mit Förderung der Stadt Hausdächer weiß gestrichen. Das spart Energie und Kosten für die Klimaanlagen im HausBild: AFP/Getty Images/E. Dunand

Das New York City  CoolRoofs Programm hat seit 2009 schon über eine Million Quadratmeter Dachfläche der Stadt weiß angestrichen. Die Farbe kühlt nicht nur die Häuser und die Umgebung, sondern sie spart auch Energie, zum Beispiel für Klimaanlagen. Wissenschaftler schätzen, dass man die Treibhausgasemissionen von 700 mittelgroßen Kohlekraftwerken einsparen könnte, wenn weltweit alle Dächer und Bürgersteige weiß gestrichen werden.

Solar-Geoengineering - ja oder nein?

Zwar haben weiße Städte nur einen Effekt auf das lokale Klima, dafür gibt es aber auch keine gefährlichen Nebenwirkungen, diese Methode wird schon eingesetzt. Wegen vieler Unklarheiten und der großen potentiellen Risiken ist dagegen das Ausbringen von Aerosolen in die Stratosphäre, die "Stratospheric Aerosol Injection" bisher noch weit von einer Realisierung entfernt. Und das "Ocean foaming", künstlicher Schaum auf dem Meer, ist derzeit sogar noch weniger umsetzbar.

In der Wissenschaft gibt es zwei Lager, die sich uneinig sind, ob künftig mehr Geld in die Solar-Geoengineering-Forschung gesteckt werden sollte. 

"Wenn wir nicht forschen, dann wird die nächste Generation Entscheidungen in Unwissenheit treffen müssen - und es kann dann sein, dass sie am Ende die Entscheidung trifft, [solche Methoden] auch ohne Forschung einzusetzen," findet David Keith. "Das wäre töricht, und ich denke, es gibt so etwas wie einen ethischen Imperativ, die nächste Generation mit Informationen zu versorgen."

Auch wenn viele Wissenschaftler anders denken als Keith, in einem Punkt sind sich alle einig: Wir müssen die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich senken und langfristig Wege finden, uns an den Klimawandel anzupassen, denn auch Solar-Geoengineering wird die Klimaerwärmung nicht rückgängig machen können.

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