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Solarboom: Was bringt das fürs Klima?

29. Januar 2020

Solarenergie wird in der EU wird immer günstiger und beliebter: 2019 wurde doppelt so viel Photovoltaik installiert wie 2018. Der neue Boom braucht noch mehr Schwung, um den Klimaschutz schneller voranzubringen.

BG Sommerhitze | Photovoltaikanlage mit Solarmodulen
Bild: picture-alliance/Klaus Ohlenschläger

Bis 2012 boomte die Solarkraft in der EU. Vor allem Deutschland war damals führend bei der Zukunftstechnologie. Doch dann bremste die Politik - Solarfirmen gingen pleite, Zehntausende verloren ihre Jobs und China übernahm von Europa die Führungsrolle in der Solarindustrie.

"Nun sind wir in eine neue Ära des solaren Wachstums eingetreten. Solarkraft floriert in der Europäischen Union", sagt Walburga Hemetsberger, Geschäftsführerin des Branchenverbands SolarPower Europe. "2019 wurde mehr neue Solarkraft installiert als jede andere Technologie der Stromerzeugung." 

Rund fünf Prozent des Strombedarfs wird in der EU derzeit durch Solarenergie gedeckt. 2018 waren Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtkapazität von 115 Gigawatt (GW) am Netz. 2019 kamen knapp 17 GW hinzu, mehr als doppelt soviel wie 2018, das zeigt eine Marktanalyse von SolarPower Europe

Günstig und sauber

Der Hauptgrund für den neuen Erfolg sind stark gesunkene Preise für Solaranlagen. Heute kosten Module im Vergleich zu 2010 weniger als ein Viertel und damit sinken auch die Kosten für Solarstrom.

Für die eigene Stromerzeugung ist PV meist die günstigste Energie. In Deutschland kostet Strom aus neuen Solarmodulen vom Dach im Vergleich zu Strom aus dem Netz weniger als ein Drittel. Auch im Vergleich zu neuen Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken ist der Strom aus europäischen Solarparks deutlich günstiger und kostet meist weniger als die Hälfte.

Ein weiterer Vorteil gegenüber fossilen Energieträgern: Bei der Solarkraft entstehen sehr viel geringere langfristige Schäden für Umwelt, Klima und Gesundheit, wie eine Studie des Umweltbundesamt (UBA) zu den Folgekosten bei der Stromerzeugung zeigt.  

Bei der Verstromung von Braunkohle etwa entstanden allein in Deutschland im letzten Jahr Folgeschäden von über 78 Milliarden Euro.

Photovoltaik wird zum wichtigsten Energieträger

Klima- und Energieexperten sind sich einig, dass Solar- und Windkraft die wichtigsten Energieträger der Zukunft sein werden. Und die laut Prognosen sinkenden Kosten für Photovoltaik durch Innovationen und Massenproduktion beschleunigen den Ausbau. Solarökonom Prof. Christian Breyer von der Technischen Universität Lappenranta in Finnland (LUT), rechnet mit einer Halbierung der Kosten in den nächsten 20 Jahren. "Um 2040 werden wir Strom aus großen Photovoltaikanlagen in sonnenreichen Regionen der Welt schon für deutlich unter einen Cent pro Kilowattstunde sehen", so Breyer gegenüber der DW. 

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der unabhängigen Energy Watch Group hat die LUT berechnet, wie die günstigste klimaneutrale Energieversorgung in der Welt und in Europa aussehen könnte. Laut der Studie könnte Europa im Jahr 2050 den kompletten Energiebedarf zu 62 Prozent mit Solarenergie decken, gefolgt von Windkraft (32 Prozent), Wasserkraft (vier Prozent) und Bioenergie (zwei Prozent).

Dazu wird ein kräftiger Zubau an Solarkraft gebraucht. Die jetzt in der EU erzeugten 132 GW Leistung müssten dafür auf "etwa 5700 GW Photovoltaik ansteigen", erklärt Mitautor der Studie Hans-Josef Fell von der Energy Watch Group. "Das Szenario bestätigt, dass eine Wende hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem", so Fell gegenüber der DW.

Reicht der Solarboom für den Klimaschutz?

In den nächsten vier Jahren werden in Europa neue Photovoltaikanlagen mit rund 100 GW Gesamtleistung gebaut, bei guter Dynamik sogar bis 145 GW. Damit rechnet der Industrieverband SolarPower Europa.

"Der Zubau von Solarenergie ist erfreulich. Dennoch ist es nur ein erster Schritt in die richtige Richtung", kommentiert Energieökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) den Trend. Es müsse noch "deutlich mehr passieren, wenn Europa die Klimaziele von Paris erreichen will."

Kemfert empfiehlt die Förderbedingungen für Solarkraft in Europa zu verbessern und bestehende Barrieren abzubauen. Die sogenannten Sonnensteuern in Deutschland zum Beispiel, die auf den Verbrauch von Solarstrom vom Hausdach für Mieter erhoben werden, verursachen zusätzliche Kosten und bürokratischen Aufwand und behindern den PV-Ausbau. Zudem sollten "fossile und atomare Subventionen komplett abgeschafft werden", ergänzt Kemfert gegenüber der DW.

Fell fordert ein Umdenken auf allen Ebenen: "Die Weltgemeinschaft muss wesentlich radikaler handeln."

Um die Erderhitzung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei ein jährlicher Zubau von 500 GW Photovoltaik in der EU erforderlich. "Die Erdgemeinschaft muss bis etwa 2030 zu einer Wirtschaft finden, die bei Null CO2-Emissionen liegt", so Fell.

Die Zeit ist knapp. Der Ausstoß von CO2 muss schnell enden, um die Erderhitzung zu begrenzen.

Herausforderung und Chancen

"Die Politik muss schneller handeln", betont auch Andreas Bett, Institutsleiter vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesystem (ISE).  

Den European Green Deal der neuen EU-Kommission sieht Bett positiv, das "reicht aber von der Geschwindigkeit ganz sicher nicht aus, um das Zwei-Grad Ziel einzuhalten. Das heißt: Wir müssen noch viel aggressiver den Energieumbau vorantreiben."

Der Solarboom könne noch mehr Schwung bekommen, wenn mehr Anlagen in Europa hergestellt würden. Denn die  Transportkosten aus Asien spielten eine zunehmende Rolle und da mache eine "Fertigung in Europa Sinn und ist kostengünstig", wie eine Studie des Fraunhoferinstituts zeigt.

Genügend Platz für Solaranlagen gibt es laut Bett in Europa. Dabei sei auch die Nutzung von bebauten Flächen, Dächern und Fassaden wichtig. Nur auf rund 10 Prozent der Dächer der EU sind bisher PV-Anlagen installiert.

Beflügelt werden könnte der Solarausbau auch durch den Kohleausstieg. Große Tagebauflächen wären für die Photovoltaik gut nutzbar. Zusammen mit Solardächern könnten so die Stromerzeugung sämtlicher EU-Kohlekraftwerke ersetzt werden, so eine Analyse des Forschungscenters der EU-Kommission.

 

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