Wie Europa seinen Solarboom finanziert
21. Februar 2025
Das Dach von Jesus Miguel Vera Lopez' Haus, im spanischen Marbella an der Costa del Sol, ist heute mit Solarmodulen bedeckt. "Ich habe sie installiert, um Stromkosten zu sparen – wie alle anderen auch", sagt er.
Nicht nur in Spanien sind Solaranlagen mittlerweile ein alltäglicher Anblick. Corinna Gutmann wohnt in einer Mietwohnung in Bonn und hat seit kurzem Solarmodule auf ihrem Balkon installiert. Ihre ist eine von über einer Million Solaranlagen, die allein 2024 in Deutschland registriert wurden.
"Ich wollte so ein Balkonkraftwerk schon seit etwa 2013 haben. Aber damals war der Prozess noch viel schwieriger", erzählte sie der DW. "Seitdem hat sich wirklich vieles verbessert."
Gutmann und Vera Lopez sind Teil eines weltweiten Solarbooms, der in Asien und Europa besonders deutlich ist.
Europas Solarzuwachs wird maßgeblich von der Europäischen Union angetrieben. Der Block hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu gehörte schon seit Jahren eine Wende zu Erneuerbaren Energien. Die durch Russlands Angriff auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise veranlasste die EU, den “massiven Ausbau erneuerbarer Energien” zu beschließen. Das Ziel: Unabhängigkeit von fossiler Energie aus Russland.
"Solarenergie ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Bemühungen", heißt es in der EU-Strategie für Solarenergie von 2022. "Mit jedem Solarpaneel wird die unbegrenzte Energie der Sonne dazu beitragen, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern."
Gemeinsam mit dem European Data Journalism Network hat die DW nun analysiert, wie Europas Regierungen den Ausbau der Solarenergie auf dem Kontinent unterstützen.
Wie Solarenergie zum Mainstream wurde
Mehrere EU-Länder verfügen bereits über eine Kapazität von etwa einem Kilowatt pro Kopf – das entspricht ungefähr zwei Solarmodulen pro Person. Die Niederlande führen mit 1,4 Kilowatt pro Kopf, dicht gefolgt von Deutschland mit 1,2 Kilowatt.
"Die erste Welle des Solarausbaus in Europa gab es Mitte der 2000er Jahre", erklärte Raffaele Rossi, Marktforschungs-Experte bei der Branchenvereinigung Solar Power Europe. "Einige Länder führten erste Einspeisevergütungen für ans Netz verkauften Strom ein." Dies führte zu einem spürbaren Wachstum in Pionierländern wie Deutschland, Griechenland, Belgien, Spanien, Italien oder Frankreich.
Doch die Technologie war anfangs für die meisten Privathaushalte noch zu teuer, sagt Rossi. Seitdem haben technologische Durchbrüche die Kosten für Solaranlagen weltweit um fast 90 Prozent gesenkt.
Mit dem zusätzlichen Schub durch die weltweite Energiekrise hat sich die EU-Solarkapazität allein zwischen 2021 und 2024 verdoppelt.
Laut Marktvorhersagen werden Solarziele der EU-Länder für 2030 voraussichtlich weit übertroffen. Jüngste Analysen von Solar Power Europe nehmen an, dass bis auf drei EU-Mitgliedstaaten alle ihre Ziele rechtzeitig erreichen werden, die meisten bereits vor 2030.
Kleine Solaranlagen auf Balkonen und Dächern tragen maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Sie machen aktuell ein Viertel der gesamten EU-Solarkapazität aus.
Noch immer sind Solaranlagen eine große Investition für Privathaushalte. Corinna Gutmann hat für ihre Balkonanlage 650 Euro (etwa 680 Dollar) ausgegeben, Jesus Vera Lopez' Dachanlage kostete 6.000 Euro.
"Es lohnt sich", findet Vera Lopez, der statt über 100 Euro nun nur noch 15 Euro monatlich für Strom ausgibt. Dies deckt sich mit einer Studie von 2023 von Solar Power Europe. Sie ergab, dass Einfamilienhäuser in Deutschland, Italien und Spanien im Schnitt über 1.000 Euro Energiekosten jährlich durch Solaranlagen einsparen können.
Solarenergie für alle erschwinglich machen
Doch nicht alle können sich die Anfangs-Investition leisten. "Wir müssen uns besonders auf Haushalte mit niedrigem Einkommen konzentrieren", sagt Seda Orhan, Managerin für erneuerbare Energien beim Climate Action Network Europe (CAN), einem Zusammenschluss von NGOs, die sich für nachhaltige Klima- und Energiepolitik einsetzen. "Sie sind bisher bei der Energiewende außen vor geblieben."
Die EU möchte daher, dass Mitgliedstaaten Antragsprozesse vereinfacht und und finanzielle Förderungen nutzt, um ihre Bürgerinnen und Bürgern beim Umstieg auf Solarenergie zu helfen. Diese DW-Analyse zeigt: Mitgliedstaaten gehen dabei ganz unterschiedliche Wege.
Wo man weniger für Photovoltaik zahlt
Mindestens neun europäische Länder, darunter Deutschland, haben die Mehrwertsteuersätze für den Verkauf und die Installation von Solarmodulen gesenkt. Das senkt die Verkaufspreise direkt, ohne potenziell komplexe Antragsprozesse für Rückerstattungen.
In ganz Europa bieten Regierungen außerdem direkte Finanzierung für Menschen an, die in Solarenergie investieren. Beträge und Bedingungen variieren stark.
Ungarn etwa führt mit großzügigen Subventionen, die bis zu zwei Drittel der Anschaffungskosten für Hauseigentümerinnen und Eigentümer abdecken – jedoch nur unter bestimmten Bedingungen, und nur, wenn zusätzlich Energiespeicher angeschafft werden. Schweden bietet stattdessen mit dem "Grön Teknik"-Programm eine niedrigere 20-prozentige Rückerstattung des Anschaffungspreises, dafür mit minimalem Verwaltungsaufwand.
Für Corinna Gutmanns Balkonkraftwerk übernahm die Stadt Bonn 300 Euro, also fast die Hälfte der Kosten. Der Antrag war unkompliziert: "Ich musste nur ein paar Angaben ausfüllen, meine Rechnungen und ein Foto meines Balkons hochladen, und zwei Wochen später war das Geld dann da", erzählt sie der DW. "So rentiert sich die Anlage jetzt innerhalb von zwei Jahren."
Förderungen vor allem für Eigenheime, aber auch für Mieter
Während in Deutschland Mieterinnen und Mieter von ähnlichen Programmen profitieren können, unterstützen die meisten europäischen Länder nur Menschen, die ihr Haus auch besitzen, wie Jesus Vera Lopez in Spanien.
Er hat sich für das andalusische Regionalprogramm Plan Eco Vivenda beworben, das im Dezember 2024 auslief. Vera Lopez hofft auf eine Rückerstattung von 40% seiner Kosten, wartet aber noch auf Rückmeldung. Den Antragsprozess fand er kompliziert: "Ich bin nicht besonders gebildet. Sie haben viele Dinge gefragt, die ich nicht verstanden habe", sagt er.
Spaniens Fördersystem ist komplex und bekannt für lange Wartezeiten: "Zwei Jahre, nachdem die Fördergelder zugewiesen waren, waren erst weniger als die Hälfte der beantragten Gelder ausgezahlt", sagt Seda Orhan von CAN. Allerdings hat das Land im europäischen Vergleich auch einige der umfangreichsten Förderprogramme für Solardächer.
Günstige Kredite und Steueranreize befördern den Solarboom
Einige Regierungen und Banken bieten zinsgünstige Kredite für Solaranlagen an. In der belgischen Region Wallonien etwa können einkommensschwache Haushalte Kredite bekommen, ohne Zinsen dafür zahlen zu müssen.
Eigentümerinnen und Eigentümer beispielsweise in Spanien oder Italien können erhebliche Einkommensteuerabzüge für ihre Solarinvestitionen geltend machen. Deutschland und Schweden reduzieren stattdessen die Steuern auf Einnahmen aus Stromverkäufen.
Eine vollständige Übersicht der in dieser Analyse identifizierten Solarförderungen finden Sie in dieser Datenbank.
Ungewisse Zukunft für viele Solar-Förderprogramme
Die Analyse der DW ergab, dass viele Solarförderungen demnächst auslaufen, viele andere sind bereits beendet. Seda Orhan verweist auf unsichere EU-Fördertöpfe. Der sogenannte Mehrjährige Finanzrahmen der EU endet 2027, viele Förderprogramme sind demnächst ausgeschöpft, und die Verhandlungen über einen neuen Haushalt beginnen erst. "Erst muss ein ambitionierter EU-Haushalt verabschiedet werden", sagt Orhan. "Dann werden wir sehen, wie die neuen Gelder verteilt werden."
Einige Regierungen argumentieren außerdem dafür, Solarsubventionen perspektivisch ganz abzuschaffen, erklärt Marktexperte Raffaelle Rossi.
"Unter den richtigen Bedingungen könnten direkte Förderungen durchaus reduziert werden. Aber das sollte mit Vorsicht geschehen und nicht von heute auf morgen. Wir sehen aktuell bereits, dass der Markt negativ auf das Auflaufen der Subventionen reagiert." Besonders für einkommensschwache Haushalte, betont er, bleiben Förderungen besonders notwendig.
"Es wird immens wichtig sein, Solarenergie weiterhin zu unterstützen", fügt Seda Orhan hinzu. Abgesehen von der Notwendigkeit für Klimaziele habe der Solarsektor großes wirtschaftliches Potenzial. Bereits mehr als 800.000 Menschen in der EU arbeiten in der Solarindustrie, hauptsächlich in Installation und Wartung. Regierungen, die Förderprogramme aufrechterhalten, schaffen so direkt vor Ort Arbeitsplätze und zahlen in ihre eigene Wirtschaft zurück.
Solarenergie braucht zuverlässige Infrastruktur
Trotz der derzeitigen Unsicherheiten prognostiziert Solar Power Europe, dass sich die EU-Solarkapazität bis 2030 im Vergleich zu heute verdoppeln könnte. Solardächer bleiben dabei das größte Segment, und auch größere Photovoltaikanlagen holen auf.
Wie sich der Solarsektor entwickelt, wird maßgeblich von einer robusten Infrastruktur abhängen. Laut der EU-Strategie für Solarenergie müssen dafür unter anderem mehr Arbeitskräfte ausgebildet werden, die Solaranlagen herstellen, installieren und warten können. Außerdem soll das europäische Stromnetz modernisiert werden, um besser mit den kleinen, dezentralen Solarenergiequellen umgehen zu können.
Außerdem sind Energiespeicher wichtig, betont Rossi. Sie ermöglichen es, Strom direkt dort zu nutzen, wo er erzeugt wird, und reduzieren so die Belastung des Netzes.
Für Corinna Gutmann hat sich ihre Balkon-Solaranlage bereits gelohnt. "Wenn man solche Anlagen jetzt mehr im Straßenbild sieht, macht das neugierig", sagt sie. "Ich glaube, das ist sehr ansteckend. Es gibt heute wirklich nicht mehr so viele Hürden."
Zsolt Bogar, Sofia Kleftaki, Michal Gostkiewicz und Emmy Sasipornkarn haben zu dieser Recherche beigetragen.
Redaktion: Gianna Grün, Tamsin Walker
Daten, Quellen und Methodik hinter dieser Analyse finden Sie in diesem Repository. Mehr datenjournalistische Geschichten der DW finden Sie hier.
Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit mit dem European Data Journalism Network unter Leitung der DW. Partnerredaktionen: Center for Investigative Journalism of Serbia, El Orden Mundial.