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Politik

Solidarität mit Protestbewegung im Iran

21. Dezember 2022

Im Westen unterstützen Regierungen wie Teile der Bevölkerung die Protestbewegung im Iran. Die Solidarität ist wichtig, ihre Wirkung nur begrenzt, glauben Experten. Doch die Regierungen könnten mehr tun.

Gedenkveranstaltung vor dem Capitol in Washington, D.C.
Gedenkveranstaltung vor dem Capitol in Washington, D.C. Bild: Nathan Howard/AP Photo/picture alliance

Es ist vor allem eine symbolische Degradierung: Iran ist nicht länger Mitglied der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau (CSW). Das beschloss es der Wirtschafts-und Sozialrat der Vereinten Nationen in New York Mitte vergangener Woche. 29 der insgesamt 54 Mitgliedsstaaten waren für den Ausschluss. Hintergrund der Entscheidung ist die anhaltende Gewalt, mit der Regierung und Staatsführung Irans seit knapp drei Monaten gegen die Protestbewegung vorgehen. Der Ausschluss Irans ist nur eine von zahlreichen Sanktionen der westlichen Welt.

Die ersten Sanktionen starteten bereits im September die USA. Die Maßnahmen richteten sich gegen Mitglieder der Religionspolizei sowie hochrangige Sicherheitsbeamte. Sollten diese Besitz in den USA haben, wird er eingefroren. Zudem dürfen US-Staatsbürger keine Geschäfte mit diesen Personen mehr machen.

In der zweiten Oktoberhälfte erließen dann die EU-Außenminister Sanktionen gegen elf Einzelpersonen und vier Organisationen im Iran. Die Betroffenen können nicht mehr in die EU einreisen. Haben sie Konten auf EU-Gebiet, werden auch sie eingefroren.

Solidarität der Zivilgesellschaft

In westlichen Ländern gehen außerdem viele Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit der Protestbewegung in Iran auszudrücken. Diese Kundgebungen seien wichtig, sagt der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad im DW-Interview. "Sie stellen Sichtbarkeit her. Sie signalisieren, dass der Protest gesehen wird. Und das wird auch im Iran wahrgenommen, von dessen hochgradig digitalisierten und globalisierten Bevölkerung."

Ähnlich sieht es Bente Scheller, Nahostexpertin der Heinrich-Böll-Stiftung. "Ich höre das immer wieder aus anderen Regionen, in denen Menschen um ihre Freiheit kämpfen. Es gibt nichts Frustrierenderes für die, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um für Freiheit zu kämpfen, als wenn niemand dies außerhalb der Landesgrenzen widerspiegelt und ihre Stimme zu Gehör bringt. Darum müssen wir unsere Aufmerksamkeit aufrechterhalten."

Zugleich träfen die Kundgebungen im Ausland auch das Regime im Iran, so Fathollah-Nejad weiter. "Denn dieses versucht, sich immer als republikanisches System darzustellen, das im Interesse seiner Bürger handele. Die Proteste im Iran lassen nun eine ganz andere soziale und politische Realität aufscheinen, die international sehr genau registriert wird. Und natürlich fürchtet das Regime, dass diese Realität ungefiltert durchdringt. Denn damit verliert es seine Legitimität auch auf internationaler Bühne."

Vor wenigen Tagen hat die Europäische Union führende Angehörige des Reimes persönlich ins Visier genommen. Nachdem zwei junge Männer im Iran wegen Teilnahme an Demonstrationen hingerichtet worden waren, wurden 20 weitere führende Mitglieder des Regimes in Teheran mit Einreiseverbot und Sperrung von Bankkonten belegt. Vier weitere Personen wurden zudem wegen ihrer Rolle bei der Entwicklung und Lieferung von Kampfdrohnen für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sanktioniert.

"Westen muss Druck erhöhen"

Bislang zeigt sich der Iran von den Sanktionen unbeeindruckt. Darum müsse der Westen den Druck erhöhen und die bereits bestehenden Sanktionen stärker durchsetzen als bislang, sagt Politikwissenschaftler Fathollah-Nejad. "Die Politik des maximalen Drucks während der US-Präsidentschaft unter Donald Trump war so groß, dass selbst China kein Öl aus dem Iran importierte." Das habe sich unter der Biden-Administration aber wieder geändert.

Deutschland kann als der größte Handelspartner des Irans in der EU seinen Druck ebenfalls erhöhen, glauben Experten. Allein zwischen Januar und Ende Oktober dieses Jahres wurden Waren im Wert von 1,2 Milliarden Euro in den Iran exportiert.

"Wir müssen zeigen, dass wir bei der Revolution im Iran auf der richtigen Seite der Geschichte stehen", sagt Norbert Röttgen (CDU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags, im Interview mit der DW.

Außenexperte Röttgen schlägt weitere Sanktionen vor. So müsse die EU die iranischen Revolutionsgarden auf ihre Terrorliste setzen. Es gehe nicht mehr nur um die Verantwortung einzelner Täter. Die Verantwortung liege beim Regime selbst. Darum müssten die Sanktionen an die richtige Adresse, an die Revolutionsgarden als das machtpolitische Rückgrat und den wirtschaftlichen Profiteur dieses Regimes. Die "Terrorbande, die jeden Tag Terrorismus betreibt", gehöre auf die EU-Terrorliste, so Röttgen.

Revolutionsgarden als "Terrororganisation"?

Dieser Schritt ist rechtlich allerdings nicht einfach. Denn dazu müssten die Revolutionsgarden in einem EU-Staat einen Terrorakt verübt haben. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, ebenfalls Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, verweist auf Anschläge, die im Umfeld der Revolutionsgarden in Deutschland verübt worden sein könnten. Deutsche Ermittler untersuchen derzeit einen Anschlag auf die Essener Synagoge Mitte November auch mit Blick auf eine direkte oder indirekte Mitwirkung der Revolutionsgarden.

"Wenn das gewollt ist, wird das auch umgesetzt. Allerdings wird das Ganze politisch immer als besonders schwerwiegend oder herausfordernd dargestellt, weil man bislang kein Interesse daran hatte, das Atomabkommen mit dem Iran zu gefährden", so Djir-Sarai.

Für Frauen, das Leben und die Freiheit: Solidaritätskundgebung in Bonn, 17. Dezember 2022 Bild: Shirin Shakib/DW

So sieht es auch Fathollah-Nejad. Tatsächlich komme es darauf an, dass der Westen von seinem bisherigen Kurs ablasse, ein Atomabkommen mit dem Iran doch noch umzusetzen. "Denn Teheran gibt durch die Drohung der nuklearen Eskalation stets den Takt vor, auf den die westlichen Staaten dann reagieren. Das nimmt diesen erhebliche Möglichkeiten, auf das Regime einzuwirken."

Sinnvoll wäre es in diesem Zusammenhang auch, die Angehörigen der iranischen Machtelite in Europa zu sanktionieren, sagt Fathollah-Nejad. "Deren Töchter und Söhne leben nahezu ausnahmslos im Westen." Zwar sollte es keine Sippenhaft geben. "Aber es ist durchaus möglich, die Quellen ihres Besitztums zu untersuchen, bestimmte Geldflüsse zu untersuchen, wie es ja anderswo, etwa bei den Finanzbehörden, ja ebenfalls selbstverständlich praktiziert wird. Solch ein Schritt täte der Machtelite weh."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika