Somalia kommt nicht zur Ruhe
22. April 2004Was 1969 mit dem Militärputsch durch General Mohammed Siad Barre als Staatskrise begann, mündete in den 1990er Jahren in einen Bürgerkrieg mit der vorläufigen Dreiteilung des riesigen und dünn besiedelten Flächenstaates Somalia: in das südlich gelegene Somalia mit der alten Hauptstadt Mogadischu, die nordöstlich gelegene autonome Region Puntland und das nordwestlich gelegene Somali-Land, das seine Unabhängigkeit erklärte.
Bislang erkannte aber kein Staat das Land an. Die moderne Staatsstruktur Somalias ist zerfallen. Der Bürgerkrieg schafft neue Strukturen, die sich mit dem Begriff "Staatenlose Kriegswirtschaft" nur unvollständig beschreiben lassen.
Chaos statt staatlicher Strukturen
In Somalia fehlt jegliche Staatsstruktur, die das Land zusammenhalten könnte. Nach wie vor ist die somalische Gesellschaft eine bäuerliche, von Nomaden geprägte Clan-Gesellschaft. Rund 70 Prozent der Somalier leben von der Landwirtschaft.
Die Somalier identifizieren sich über ihren Clan, der in der Regel über ein halbwegs festgelegtes Gebiet verfügt. Die Clanführer sind seit dem Beginn des Staatszerfalls die eigentlichen Machthaber in ihren Einflussgebieten. Die Menschen orientieren sich an diesen lokalen Führern, die ihnen zumeist als schwer bewaffnete Warlords ein Mindestmaß an Sicherheit garantieren.
Falsches Bild
Das Bild des ständig gewaltbereiten Somaliers mit der Waffe im Anschlag sei aber falsch, wie Abdurrahman Alan betont. Er war Geschäftsträger der Somalischen Botschaft in Bonn: "Es ist eine Lüge, dass jeder Somali eine Waffe hat. Wenn, dann besonders in Gebieten, in denen die Menschen ständig Angst haben, überfallen zu werden. In den meisten Gebieten kennen sich die Leute."
Besonders im relativ fruchtbaren Somali-Land herrscht überwiegend Ruhe. Das Land verfügt über einen funktionsfähigen Hafen am Golf von Aden und einen Großflughafen sowjetischer Herkunft. Da dort nur wenige rivalisierende Clans leben, gibt es kaum bewaffnete Auseinandersetzungen um die politische Führerschaft zwischen den einzelnen Führern. Im Gegensatz dazu herrscht im Süden Somalias mit der alten Hauptstadt Mogadischu, nach wie vor Bürgerkrieg.
Florierender Waffenhandel
Dafür sind nach Ansicht Ulf Terlindens vom Zentrum für Entwicklungsforschung in Bonn besonders die Nachbarländer Äthiopien, Kenia und zum Teil auch der Mini-Staat Dschibuti verantwortlich, die zurzeit nicht an einem stabilen Somalia interessiert sind.
Sie profitieren wirtschaftlich von dem Krieg, denn der Waffenhandel, vor allem der Handel mit Kleinwaffen und Kalschnikows, sichert den Staaten enorme Gewinne. "Diese Länder haben eigene Vorstellungen für Somalia. Aber solange diese nicht erreicht werden, ziehen sie die aktuelle chaotische Situation vor. Denn sie alle arbeiten eng mit Warlords zusammen, die ihre Interessen durchsetzen", sagt Terlindens.
Drogen-Probleme
Die einzige Konstante des Landes ist neben dem Waffenhandel und dem Export von Kamelen für die Arabische Halbinsel der Handel mit der Droge Qat. Qat gibt es auf jedem Markt zu kaufen. Qat schade der Wirtschaft des Landes unmittelbar, meint Terlindens. Ein Großteil der männlichen Bevölkerung sei mit dem Konsum der Droge beschäftigt, statt sich auf die Entwicklung des Landes zu konzentrieren.