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Politik

Somalia: Unmögliche Mission am Horn von Afrika

Ludger Schadomsky
19. Februar 2018

Anfang Februar gab Deutschland bekannt, sich von der europäischen Ausbildungsmission für somalische Sicherheitskräfte zurückzuziehen. Im DW-Interview erläutert ein ehemaliger Berater der Mission die Hintergründe.

EUTM Uganda Archiv 2012
Bild: Bundeswehr

Deutsche Welle: Acht Jahre lang beteiligte sich Deutschland mit bis zu 20 Soldaten an der Ausbildungsmission EUTM in Somalia. Ende März sollen sie zurückkehren, denn die Bundesregierung hat das Mandat nicht verlängert. Der Grund: "Defizite in den politischen und institutionellen Strukturen". Das ist im politischen Jargon vergleichsweise stark formuliert - hätte man sich eigentlich schon viel früher aus dem Unterfangen zurückziehen müssen?

Stefan Brüne: Es kommt darauf an, welche Erwartung man an diese Mission hatte, die ja klein ist. Man könnte der Meinung sein, dass es mehr um die Wahrung informeller Kommunikationskanäle ging als um eine überzeugende Ausbildungsmission für die somalische Armee. Alle Bundeswehrsoldaten, die ich während meines Aufenthaltes gesprochen habe, machten mir den Eindruck, dass sie keine allzu großen Erwartungen hinsichtlich der Ausbildung hatten.

In einer Stellungnahme gegenüber der DW sprechen Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt von "politischen Spannungen zwischen der Zentralregierung und den föderalen Gliedstaaten, deren Auswirkungen auch im Verteidigungsbereich zu spüren seien" als einem Grund für den Rückzug. Können Sie das aus Ihrer Binnensicht bestätigen?

Ja, das kann ich. Der bislang größte Anschlag in Mogadischu im Herbst 2017 mit über 500 Toten und mehr als 300 Verletzten lässt sich durchaus als Zeichen für innersomalische Konflikte deuten. Für diese Spannungen gibt es - neben der ungelösten Frage der Anerkennung Somalilands - unterschiedliche Gründe. Als weiteres Moment, auch wenn wir da nur spekulieren können, kommt die Truppenverstärkung und die ausgeweitete Drohnenpolitik der USA gegen Ziele der Al-Shabaab hinzu.

Diese somalischen Soldaten wurden von deutschen Soldaten in Uganda ausgebildetBild: Bundeswehr

Stichwort Al-Shabaab: viele sukzessive Regierungen haben angekündigt, die Al-Kaida-nahe islamistische Terrormiliz endgültig zu besiegen. Doch das hat sich bisher als Wunschtraum entpuppt. Wie beurteilen Sie die Sicherheitslage derzeit?

Die Sicherheitslage ist nach wie vor sehr prekär. Ich sehe keine kurzfristig gewaltmindernde Lösung - was man so mitbekommt, hat Al-Shabaab doch eine Langfriststrategie. Durch Drohnenangriffe wird sich die Organisation vielleicht in einem klassisch-militärischen Sinne schwächen lassen. Aber das probiert man jetzt seit 20 Jahren, und dieser Problemlösungsversuch war bisher wenig erfolgreich. Ich sehe nicht, wie verstärkte Luftangriffe der US-Militärs in absehbarer Zeit sehr viel daran ändern werden.

Politberater Stefan BrüneBild: privat

Nach meiner Wahrnehmung bedarf es des Versuches einer politischen Lösung und von Hintergrundgesprächen - gerne auch inoffiziell - über die AU und internationale oder auch private Organisationen. Die Bundesregierung hat ja gesagt, man wolle nach wie vor das Vorgehen der internationalen Gemeinschaft in Somalia unterstützen, aber man wolle gleichzeitig die zivilgesellschaftlichen Unterstützungsmöglichkeiten ausweiten.

Die Aktivitäten der Bundesregierung sollen sich dabei z.B. auf die Ausbildung der somalischen Polizei konzentrieren. Das bringt uns zu der Frage des drohenden Sicherheitsvakuums ab dem Jahr 2020, wenn nämlich die AMISOM-Mission komplett aus dem Land abgezogen sein soll. Die Internationalen gehen raus, die somalischen Akteure sind noch zu schwach, die Regionalbündnisse AU und IGAD haben bislang keinen zündenden Plan vorlegen können. Wer soll - und kann - die Lücke denn füllen?

Tja, das ist im Moment schwer zu beantworten. Ich glaube, dass es schwierig wird. Man wird jetzt abwarten müssen, welche Effekte das verstärkte amerikanische Drohnen-Engagement haben wird. Ich glaube, dass die innenpolitischen Gegensätze innerhalb Somalias, die historisch, geopolitisch und kulturell bedingt sind, weiter eine große Rolle spielen werden. Und wenn die dann verbunden sind mit etwa mit den wirtschaftlichen Interessen an Holzkohleexporten, wo z.B. Teile der kenianischen Armee impliziert sind,  dann haben Sie eine derart hochkomplexe Situation, dass eine Kurzfriststrategie nicht vorstellbar ist.

Ende März sollen die Deutschen Ausbilder heimkehrenBild: Bundeswehr

Man bräuchte eine mindestens auf ein Jahrzehnt angelegte Langzeitstrategie. Aber das wirft natürlich die Frage auf: Welche Akteure können das, und wie können sie sich ergebnisorientiert zusammenschließen? Und dann gibt es ja noch einen weiteren Punkt: Innerhalb des europäischen Engagements mit bis zu zwölf Nationen gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen und Positionen, so dass ich nicht sehe, wie man ohne politische Gespräche mit diesen militärischen Maßnahmen eine Lösung finden kann.

Der Politologe und Ostafrika-Experte Prof. Dr. Stefan Brüne war 2014 politischer Berater der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte (EUTM Somalia) in Mogadischu - bis er nach wenigen Monaten entnervt das Handtuch warf.

Das Interview führte Ludger Schadomsky