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PolitikAfrika

Somaliland: Ungewisses Warten

Katrin Gänsler
16. Dezember 2022

Eigentlich sollten in Somaliland im November Präsidentschaftswahlen stattfinden, doch die Abstimmung wurde verschoben. Das hat eine gewisse Tradition, kommt aber in der aktuellen Krise nicht überall gut an.

Blick auf Somalilands Hauptstadt Hargeisa
Hargeisa, Hauptstadt von SomalilandBild: Katrin Gänsler/DW

Es ist Nachmittag in Somalilands zweitgrößter Stadt Burao. Während überall Muezzine zum Gebet rufen, sitzt Abdiraxiim Yama Yasin vor seinem Laden. In den Regalen stapeln sich Blinker, Keilriemen und Ölflaschen. Der 38-Jährige handelt mit Ersatzteilen für Autos. Doch in den vergangenen drei Jahren sind kaum noch Kunden gekommen. "Üblicherweise habe ich mein Geschäft sogar ganz geschlossen. Es gab Zeiten, in denen ich das eine oder andere Teil für 45 US-Dollar verkauft habe. Heute erhalte ich dafür nicht einmal zehn US-Dollar", sagt er.

Die aktuelle Dürre am Horn von Afrika hat katastrophale Auswirkungen auf Somalilands Wirtschaft. Nach Schätzungen des UN-Nothilfebüros OCHA brauchen über 36 Millionen Menschen in Äthiopien, Somalia und Kenia dringend Hilfe. Somaliland - eine Region im Norden Somalias, die 1991 ihre Unabhängigkeit erklärte, aber nicht als eigener Staat anerkannt wird - hat sich auch von den Folgen früherer Dürren nie ganz erholt. Die politische Entwicklung erschwert die Lage zusätzlich.

Abdiraxiim Yama Yasins Geschäfte laufen schlechtBild: Katrin Gänsler/DW

Denn eigentlich hätten im November dieses Jahres Präsidentschaftswahlen stattfinden müssen. Doch im September verlängerte der einflussreiche Ältestenrat Guurti die Amtszeit von Präsident Muse Bihi Abdi um zwei Jahre. Möglicherweise soll im nächsten Jahr gewählt werden, was aber bisher nicht sicher ist. Somalilands Finanzminister Saad Ali Shire nimmt es gelassen. Seit 2010 gehört er der Regierung an, war schon Planungs- und Außenminister. "Die Amtszeiten beider Vorgänger des Präsidenten wurden jeweils um zwei Jahre verlängert. Zwar sind fünf Jahre [die verfassungsmäßige Amtszeit] fünf Jahre. Das ist aber zu unserer Gewohnheit geworden."

Somalilands Ältestenrat bestimmt über Parteienmandate

Die Opposition sieht das allerdings anders. Die größte Oppositionspartei Waddani betont, dass sie Präsident Abdi seit dem 13. November nicht mehr als legales Staatsoberhaupt anerkennt. An dem Tag hätten die Wahlen ursprünglich stattfinden sollen. "Alle bisherigen Mandatsverlängerungen wurden von allen Verantwortlichen akzeptiert. Der Guurti hätte sich im Vorfeld mit allen Akteuren beraten müssen, was aber nicht geschah", sagt Waddani-Gründer Abdirahman Mohamed Abdullahi. Er war bei der Präsidentschaftswahl 2017 Zweiter geworden.

Finanzminister Saad Ali Shire hält die Verschiebung der Wahlen für unproblematischBild: Katrin Gänsler/DW

Die Opposition kritisiert außerdem, dass ausgerechnet der Ältestenrat über Mandatsverlängerungen entscheidet. Er ist seit der Gründung des Staats nie gewählt worden, sondern verlängert seine Amtszeiten stets selbst. "Anfangs waren das ältere, weise, respektierte Männer", so Abdullahi. Heute hätten die Kinder die Sitze übernommen, ohne die Kriterien zu erfüllen.

Wahlverschiebung könnte der Opposition schaden

Die Situation wird aufgrund einer Besonderheit der somaliländischen Verfassung noch komplizierter. Um eine Zersplitterung der Parteienlandschaft zu verhindern, sind nur drei Parteien für jeweils zehn Jahre zugelassen. Ihre Lizenzen laufen am 27. Dezember aus. Waddani ging vergangenes Jahr gestärkt aus den Parlamentswahlen hervor und gewann einen Sitz mehr als Präsident Abdis Partei Kulmiye. Waddani hat deshalb auf Präsidentschaftswahlen gepocht, bevor sich die Parteienbündnisse neu finden.

Eine gute Außenwirkung hat all das nicht. Somaliland hat zwar eine Regierung, eigene Pässe und eine eigene Währung, wird international aber nur von Taiwan anerkannt. Seit Jahrzehnten kämpft das Land für eine Mitgliedschaft in der Afrikanischen Union. Gelingt das eines Tages, dann gäbe es Zugang zu Krediten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Jetzt hängt die Wirtschaft von Rücküberweisungen aus der Diaspora und der Viehwirtschaft ab. "Konflikte halten stets Investitionen zurück", sagt Finanzminister Saad Ali Shire, "vor allem Menschen in der Diaspora, die nicht vor Ort sind, haben einen anderen Eindruck der Sicherheitslage". Weder sie noch ausländische Investoren würden ermutigt ins Land zu kommen und zu investieren.

Somaliland lebt von der ViehwirtschaftBild: Katrin Gänsler/DW

Anders als Somalia hat Somaliland stets betont, sicher und vor allem demokratisch zu sein. Auch das soll bei der Anerkennung helfen. Doch zunehmend wird die Einschränkung der Grundrechte kritisiert. Im August starben bei einer Demonstration gegen die Verschiebung der Wahlen fünf Menschen. Mindestens 100 wurden nach Oppositionsangaben verletzt. "Willkürliche Festnahmen haben in den vergangenen zwei Jahren aufgrund der politischen Situation zugenommen", kritisiert Khadija Mousa von der lokalen Nichtregierungsorganisation Menschenrechtszentrum. Dabei garantiere die Verfassung Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Daher gebe es auch keine Gründe, etwa Journalisten zu verhaften.

Keine Frau mehr im Parlament von Somaliland

Khadija Mousa kritisiert auch, dass das Parlament - dem seit der Wahl 2021 keine einzige Frau mehr angehört - nach Demonstrationen zwar Berichte verfasse, aber niemand zur Rechenschaft gezogen werde. "In unserer Kultur, Gesellschaft und demokratischen Umgebung wird jeder soziale Ungehorsam so angesehen, als ob man gegen die Regierung sei." Auch das wirkt sich negativ auf das internationale Ansehen aus.

In Burau hat Autoteile-Händler Abdiraxiim Yama Yasin an diesem Nachmittag wieder nichts verkauft. Er hofft, dass sobald wie möglich gewählt wird, damit sich die Lage im Land ändert. "Wenn nicht gewählt wird, möchte ich nicht mehr hier bleiben. Dann wandere ich aus."