Somalische Übergangsregierung will mit Islamisten verhandeln
25. Juli 2006Tag für Tag wachsen die Spannungen am Horn von Afrika, Tag für Tag liefern sich Islamisten und Übergangsregierung in Somalia Wortgefechte und tatsächliche Kämpfe. Doch nun scheint es ein erstes versöhnliches Signal zu geben: Die somalische Übergangsregierung hat sich nach anfänglicher Ablehnung zu Friedenverhandlungen mit der weite Teile Somalias beherrschenden Bewegung der Islamischen Gerichte (UIC) bereit erklärt. "Wir werden ohne Vorbedingungen zu Gesprächen in die sudanesische Hauptstadt Karthum kommen", erklärte am Dienstag der Stabschef von Präsident Abdullahi Jusuf. Dennoch - für Matt Bryden von der International Crisis Group in Nairobi gibt diese Ankündigung keinen Grund zur Hoffnung.
Das Risiko für einen Krieg ist groß
"Ich glaube nicht, dass die Friedensverhandlungen viel mehr als den geringsten Funken der Hoffnung vermitteln", sagt Bryden. Zu verhärtet seien die Fronten, glaubt er. Solange sich äthiopische Truppen in Somalia befänden, sei die Gefahr eines Krieges noch immer nicht gebannt: "Meiner Meinung nach ist das Risiko sehr groß für einen Krieg in der Region. Die 'Islamischen Gerichte' haben zum Dschihad gegen die äthiopischen Militärs aufgerufen." Kommt es zu militärischen Auseinandersetzungen, wären nicht nur große Teile Somalias bedroht. Vertreter der "Islamischen Gerichte" haben auch die Nachbarstaaten bedroht, die Soldaten auf somalischem Boden haben.
Noch immer dementieren sowohl die äthiopische Regierung als auch Somalias Übergangsregierung die Anwesenheit äthiopischer Militärs. Augenzeugen berichten anderes: Etwa 5000 äthiopische Soldaten seien derzeit in der Provinzhauptstadt Baidoa, dem Sitz der Übergangsregierung, stationiert. Das Dementi bezeugt ein weiteres Mal die Ohnmacht der somalischen Führung. Dieses Zweckbündnis von Warlords und Geschäftsleuten, das 2004 nach jahrelangen Verhandlungen entstand, erhebt zwar den Anspruch, Parlament und Regierung Somalias zu sein, ist aber innerlich zerstritten und hat faktisch keinen Einfluss.
Bollwerk gegen den Islamismus
"Die Tragödie ist, dass die meisten Somalier niemandem mehr vertrauen", sagt Bryden. "Keiner der politischen Akteure vertritt die somalische Meinung. Die Islamischen Gerichte wurden nicht gewählt. Sie haben Mogadischu mit Gewalt eingenommen." Obwohl die Bevölkerung dankbar dafür sei, dass die Islamisten sie von den Warlords befreit haben, genössen sie nicht das Recht, für die Menschen von Mogadischu zu sprechen, so der Experte.
Die Übergangsregierung dringt schon seit langem auf die - von den Islamisten vehement abgelehnte - Entsendung von afrikanischen Friedenstruppen. Dabei genießt sie die relativ offene Unterstützung des benachbarten Äthiopien. Der äthiopische Staat versteht sich als Bollwerk gegen den Islamismus in der Region und verfolgt dabei jedoch auch ganz eigennützige Ziele: Die erstarkten Islamisten in Somalia reizen Addis Abeba immer wieder mit territorialen Ansprüchen. Es geht dabei um das Gebiet Ogaden, das zu Äthiopien gehört, aber von Somaliern bevölkert ist.
Rückhalt der Amerikaner
Beim Kampf gegen die vordringenden Islamisten kann die Übergangsregierung auf den Rückhalt der Amerikaner setzen. Washington sagt den Scheichs in Somalia enge Verbindungen zum El Kaida Netzwerk nach. Und dennoch haben Europäer als auch Amerikaner bisher ein Eingreifen in den Konflikt vermieden. "Die Amerikaner und Europäer sehen sich in der Gefahr, dass sie mit der Übergangsregierung eine Regierung unterstützen, die keinerlei Legitimität oder Autorität in der Bevölkerung genießt", sagt Bryden. Die einzige Lösung, auf die er setze, sei eine Neu-Konstituierung der somalischen Übergangsregierung. Nur damit könnte diese wieder einen Rückhalt in der somalischen Bevölkerung gewinnen.
"Was jetzt wirklich geschehen müsste ist, dass sich die Übergangsregierung neu konstituiert als eine Regierung der Nationalen Einheit", sagt Bryden. "Dann wird sie auch breitere Schichten in der Bevölkerung repräsentieren. Aber auch die Islamischen Gerichte brauchen ein gewisses Mandat von der Bevölkerung, da sie für sich beanspruchen, die Menschen in Mogadischu zu vertreten. Sonst haben wir zwei Hardliner-Gruppen mit vollkommen gegensätzlichen Interessen." Die Gespräche zwischen Übergangsregierung und Vertretern der Bewegung der Islamischen Gerichte (UIC) sollen am 2. August in der sudanesischen Hauptstadt Khartum beginnen. Viel wird davon abhängen, wie stark sich die Übergangsregierung als Vertreter des Somalischen Volkes versteht.