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Ferien? Aktivisten kämpfen lieber gegen den Klimawandel

Bob Berwyn Wien
27. Juni 2018

Fossile Brennstoffe und Fracking tragen zum Klimawandel bei. Dagegen engagieren sich immer mehr Menschen. Manche verbringen sogar ihre Ferien in Klimacamps.

Junge Aktivisten beim Klimacamp 2018 in Österreich
Klimaaktivisten in Österreich setzen ein Zeichen im Kampf gegen den KlimawandelBild: DW/Bob Berwyn

Idyllischer als am diesjährigen Fronleichnamstag hätte sich der Ort Wolkersdorf im Nordosten Österreichs kaum präsentieren können. Der Wind spielt mit tiefroten Mohnblumen am Rand eines Feldwegs, Vögel zwitschern, Insekten surren. Alles hat den Anschein eines Ferientages im Sommer, und auch die Sonne tut ihr Bestes, um diesen Eindruck zu erwecken. Sie hat die Kirschen an den Bäumen eines Bauernhofs hier rot und prall werden lassen. Ein Landwirt gibt die Früchte an Besucher heraus, die in der Nähe ihr Lager aufschlagen wollen.

Als sie ihm erzählen, wo genau ihr Ziel liegt, hebt er den Daumen, er ist einer von ihnen. Denn die Menschen, die es heute in den Ort 30 Kilometer vor Wien zieht, haben nicht vor, sich faul an einen Strand zu legen, in den Bergen zu klettern oder irgendwo ein Picknick zu machen. Sie sind, wie einige Hundert andere auch, auf dem Weg zum Klimacamp 2018, um ihren Teil gegen den Klimawandel zu tun.

Das Camp ist Teil der "System Change, not Climate Change!"-Bewegung, die auch von den Bauern hier unterstützt wird. Das Land, auf dem es stattfindet, gehört einem Biobauern. Tägliche Versammlungen und gemeinschaftliches Kochen finden auf einer Weide statt, auf der sonst Tiere grasen. Nun aber tummeln sich hier Menschen. Ihre etwa 50 Zelte haben sie auf einer nahen Brache aufgeschlagen.

Das Klimacamp 2018 ist nicht das einzige. Europaweit gibt es, über den Sommer verteilt, etliche solcher Events. Immer mehr Menschen sind sich des Themas bewusst und wären bereit sich zu engagieren, heißt es von Seiten der Organisatoren.

Das Ziel in diesem Jahr ist das Verhindern einer neuen Landebahn am Wiener Flughafen - die Aktivisten planen hier Aktionen, die im Lauf des Sommers umgesetzt werden sollenBild: DW/Bob Berwyn

So wie Hannes. "Wir kämpfen für die Zukunft unserer Generation", sagt er. Hannes ist einer der Teilnehmer. Seinen vollständigen Namen möchte er nicht nennen, weil er plant, noch andere Events im Sommer zu besuchen. Alle sollen friedlich bleiben, sagt er, aber nicht alle seien wohl zu 100 Prozent legal.

"Wir sind absolut nicht extrem. Wir sind vernünftige Leute, die sich für die Natur und das Klima einsetzen", sagt er. "Menschen, die weiterhin Kohle verbrennen wollen und die Wälder abholzen, sind weitaus schlimmer als wir. Die zerstören die Umwelt, die wir zum Überleben brauchen."

Mehr lesen: Tausende Demonstranten fordern raschen Kohleausstieg

Hannes ist nicht der einzige, der so denkt. Man muss sich nur bei Twitter umschauen, und dann stößt man sehr schnell auf ähnliche Stimmen weltweit: Blockaden, um einen alten Wald in Polen zu schützen zum Beispiel oder die Besetzung einer Kohlemine in Deutschland und Anti-Fracking-Proteste in Australien. In Frankreich wurde mit Traktoren gegen Palmöl-Importe protestiert, oder man erinnere sich an den Aufschrei während der #NoDAPL-Proteste, die in den USA den Bau der Dakota Access-Pipeline (DAPL) verhindern wollten.

Diesen Trend bestätigt Carnegie Endowment for International Peace. Der Think Tank aus Washington D.C. hat ermittelt, wie oft sich Menschen in den vergangenen Jahrzehnten Gehör verschafft haben. Unter den untersuchten Demonstrationen waren auch etliche mit einem Klimaschutz-Bezug.

Protestler wollen etwas bewegen

In einigen Ländern wurden die Stimmen Regierungen zu laut. Sie beschnitten, laut dem International Network of Civil Liberties Organizations, die Rechte ihrer Bürger teils drastisch. Genannt wurden hier unter anderem die USA, Australien oder Polen.

Die Idylle trügt: Den Menschen hier geht es nicht um Sommerferien, sie wollen etwas bewegen.Bild: DW/Bob Berwyn

Das Klimacamp von Wolkersdorf durchweht unterdessen der Geist, etwas schaffen zu wollen. Das Hauptthema in diesem Jahr ist eine geplante neue Landebahn am Wiener Flughafen.

Das Projekt wurde kürzlich durch ein hohes Gericht in Österreich genehmigt, könnte aber auf europäischer Ebene noch einige Hürden vor sich haben.

"Die Menschen müssen verstehen, wie sehr diese Landebahn das Klima schädigen würde", erklärt Mira Kapfinger. Um dies zu verdeutlichen, werde die Demonstration Dutzende, silbrig glänzende und drei Quadratmeter große Ballons verwenden. Sie stünden für die 500.000 Tonnen CO2, die durch die Landebahn verursacht würden, sagt die Umweltschützerin.

Gleich um die Ecke bereiten knapp 20 Menschen im Schatten einer Pappel einen Flashmob vor, mit dem sie im Sommer auf dem Flughafen für Aufmerksamkeit sorgen wollen. Im Zentrum soll die Beerdigung der Erde stehen, inklusive eines Erdballs, der in einem großen Sarg liegt.

Aktivismus mit Tradition

Die Planungen finden nur wenige Kilometer von historischem Boden statt. Nördlich von hier lehnten sich Menschen schon Mitte der 1980er Jahre erfolgreich gegen ein großes Staudammprojekt auf. Das geplante Wasserkraftwerk hätte den Verlauf der Donau massiv verändert.

Wissenschaftler haben gezählt und herausgefunden, dass sich immer mehr Menschen auf der Straße für ihre Belange engagieren - oft auch bei UmweltthemenBild: picture alliance/AA/S. Corum

Heute, sagt der Umwelthistoriker Paul Sutter, könnte die Zeit wieder reif sein für eine neue Welle des Engagements aus der Mitte der Gesellschaft. Allerdings mit einem modernisierten Ansatz.

"Vor ein oder zwei Generationen ging es in den Protesten vor allem darum, einen bestimmten See oder Wald oder ein Feuchtgebiet, zu retten", sagt Sutter. "Heute geht es darum, die Bedrohung durch die globale Erwärmung in Angriff zu nehmen. Dabei ist ziviles Handeln immer noch einer der wirksameren Wege, um stetigen Druck auszuüben und das Bewusstsein zu schärfen, damit auch die breite Bevölkerung etwas davon mitbekommt."

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In den letzten Jahrzehnten haben sich Umweltaktivisten oftmals durchsetzen können, doch das reicht noch lange nicht, sagen Wissenschaftler, denn schon heute haben viele Menschen mit den tödlichen Auswirkungen des Klimawandels zu tun. Die Statistiken und Daten sprechen eine unmissverständliche Sprache. Sie machen deutlich, dass viele Arten aussterben und wie katastrophal die Auswirkungen des Klimawandels bereits sind.

Sei Teil des Wandels

Dies sei ein Wendepunkt der Geschichte, an dem deutlich werde, wie absolut unerlässlich Widerstand aus der Zivilgesellschaft für die Umweltpolitik sei, sagt Melanie Mattauch von der Umweltgruppe 350.org.

Wer etwas verändern will, muss sich engagieren und andere mitreißen, fordern Aktivisten - die Statistiken geben ihnen RechtBild: DW/Bob Berwyn

"Im Verlauf der Geschichte können wir immer wieder sehen, dass soziale Bewegungen große Veränderungen auf den Weg bringen können, wenn nur genügend Menschen dabei sind", so Mattauch. "Ziviler Ungehorsam ist ein großer Teil davon", fügt sie hinzu. "Die Menschen erkennen, dass die Regierungen den Klimawandel nicht für sie aufhalten werden. Politiker werden uns nicht retten. "

"Wir alle müssen uns ändern", ergänzt Clive Splash, Professor an der Wirtschaftsuniversität in Wien. "Wir werden nicht überleben, wenn wir weitermachen wie bisher."

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"Wie bekommt man Wachstum und Klimawandel unter einen Hut", fragt er auf einem Klimacamp-Event in Wien und antwortet selbst: "Die einzige Art Wirtschaftswachstum, die wir kennen, basiert auf fossilen Brennstoffen." Und die, betont er, sei nicht nachhaltig. Also hätten wir alle die Verantwortung, uns zu engagieren.

"Wenn du davon schon etwas gehört hast, dann ist es deine Pflicht, dich zu engagieren. Wenn du verstanden hast, dass etwas mit der Gesellschaft schief läuft, solltest du etwas unternehmen. Und wenn es Institutionen gibt, die lügen, dann solltest du diese Institutionen ansprechen. Ich denke, dass es deine Pflicht ist, Leute darauf aufmerksam zu machen, was vor sich geht", so Splash.

Fünf Tage dauert das Klimacamp in Wolkersdorf. Am Anschluss ist die Zahl derer, die sich dieser Aufgabe stellen werden, wieder ein Stück größer.

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