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Sonderfall Aceh

Sybille Golte31. Dezember 2004

Der Tsunami traf Indonesien besonders schwer, das Land rechnet mit 100.000 Toten. Am schlimmsten sieht es in der Provinz Aceh im Norden Sumatras aus. Die politische Lage erschwert zusätzlich die Rettungsarbeiten.

Chaos in IndonesienBild: AP


Aus der Luft betrachtet gleicht Banda Aceh, die Hauptstadt der indonesischen Unruheprovinz Aceh, einem Trümmerfeld. Die Katastrophe traf die Stadt gleich doppelt: Erst bebte die Erde - dann kam die Flut. Mit ungeheurer Wucht hat die Welle von etwa zehn Metern Höhe die Stadt im äußersten Norden Sumatras binnen weniger Minuten weitgehend zerstört. Viele Dörfer und Städte an der Westküste Sumatras sind noch immer von der Außenwelt abgeschnitten.

Die Meulaboh, West Aceh, aus der LuftBild: AP

Politische Querelen

"Wir haben große Schwierigkeiten bei der Bergung der Leichen. Viele Orte können nur aus der Luft erreicht werden. An vielen Orten brauchen wir auch Schwerfahrzeuge und Maschinen", berichtet Konter-Admiral Yayun Riyanto vom nationalen Such- und Rettungsteam in einem Gespräch mit DW-RADIO. "Den technischen und sonstigen Möglichkeiten meines Landes, eines solchen Desasters Herr zu werden, sind begrenzt", sagt der Parlamentarier Ichsan Loulembah. "Die Menschen wissen nur zu gut um die Unfähigkeit der Regierung, mit Katastrophen umzugehen."

Die Hilfsgüter sind da - jetzt müssen sie nur noch verteilt werdenBild: AP

Während in anderen Krisengebieten längst die ersten internationalen Hilfsaktionen anliefen, blieb Aceh - obwohl vom Beben am schlimmsten betroffen - zunächst außen vor. Die Ausgangslage für die Helfer ist umso schwieriger, da Jakarta wegen des schwelenden Bürgerkriegs in Aceh schon vor einiger Zeit alle internationalen Hilfsorganisationen aus der Provinz wies. Denn die Provinz stand bis zum 28. Dezember 2004 unter Ausnahmerecht.

Lange schwelender Konflikt

Indonesien hat fast 30.000 Truppen in Aceh stationiertBild: AP

Seit 1976 tobt in der streng islamischen Region ein blutiger Bürgerkrieg. Auf der einen Seite steht die Unabhängigkeitsbewegung "Freies Aceh" (GAM), deren führende Köpfe seit Jahren aus dem schwedischen Exil einen bewaffneten Kampf gegen die indonesische Zentralregierung dirigieren. Ihren auf 5000 geschätzten Kämpfern standen zuletzt etwa zehnmal so viele hochgerüstete Soldaten der indonesischen Armee gegenüber. Weit mehr als 10.000 Menschen sind dem Konflikt seit seinem Beginn zu Opfer gefallen.

Auf der Strecke blieben dabei auch die Bürgerrechte. Seit Aceh 2003 unter Kriegsrecht gestellt wurde, hat das Militär das Sagen - und daran hat sich bis heute wenig geändert. Bis zum 28. Dezember blieb ausländischen Journalisten und Hilfsorganisationen die Einreise verwehrt. Erst angesichts der Katastrophe änderte sich die offizielle Politik. "Die Prozedur ist wegen der Notsituation vereinfacht worden. Transportflugzeuge können jetzt direkt den Flughafen in Medan oder in Banda Aceh anfliegen. Das Außenministerium arbeitet mit dem militärischen Oberkommando und dem Verkehrsministerium zusammen und stellt Landegenehmigungen aus", erklärt Yuri Thamrin, Sprecher des indonesischen Außenministeriums. "Für ausländische Teams werden bei der Ankunft Visa vergeben, gültig für zwei Wochen und um weitere zwei Wochen verlängerbar."

Beistand und Hilfe tun NotBild: AP

Ungeahnte Allianzen

Rebellen des Free Aceh Movement (Aufnahme von 2000)Bild: AP

Auch die Rebellen der Bewegung "Freies Aceh" signalisieren Einlenken. Aus dem Exil rief Rebellenführer Malik Mahmud dazu auf, angesichts der Katastrophe die Feuergefechte einzustellen. Und Ali Tarunajaya, Polizeichef von Aceh, erklärte: "Wir weinen gemeinsam." So zeigt sich in der Krise ein Hoffnungsschimmer: Wenigstens der Bürgerkrieg könnte im Beben- und Flutchaos einer friedlichen Lösung näher kommen. Das entspräche auch der erklärten Absicht des neuen indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono, der bereits vor einem Monat der Bevölkerung Acehs mit einem weitreichenden Autonomieangebot die Hand zur Versöhnung gereicht hatte. Der Bürgerkrieg in Aceh hat 13.000 Menschen das Leben gekostet, darunter allein 2000 in diesem Jahr.

Lage vielerorts unklar

Im Moment gibt es drängendere Probleme. Noch sind viele Orte an der Westküste Sumatras von der Außenwelt abgeschnitten. Die Stadt Meulaboh im Süden Acehs ist zu 90 Prozent zerstört. Die Lage auf den Sumatra vorgelagerten Inseln ist völlig unklar. Erste Informationen aus der Luft lassen das Schlimmste befürchten. "Von der Insel Sabang [im Norden von Aceh] stehen zwei Drittel unter Wasser. Die Insel Simeuleu [westlich von Aceh] und die Inselgruppe Banyak sind total zerstört. Wir konnten mit dem Helikopter nicht landen, weil alles unter Wasser steht", berichtet Zainul Tahar vom nationalen Such- und Rettungsteam. Nachbeben versetzen die Bevölkerung immer wieder in Angst und Schrecken. Es wird lange dauern, bis sich die Lage in Aceh einigermaßen normalisiert hat.

Hier ungefähr war das Epizentrum des SeebebensBild: dpa
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