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Öko-Siedler

17. Mai 2010

1740 Stunden pro Jahr scheint in Freiburg im Breisgau die Sonne. Doch das prima Klima ist nur ein Grund, warum Wolfgang Schnürer in seinem Haus kaum noch heizen muss.

Energieplushaus heißt es Fachjargon - Wohlfühlhaus nennt es Wolfgang SchnürerBild: DW

Früher hatte er ein Einfamilienhaus. Freistehend, 150 m² Wohnfläche, Garten. Jetzt durchmisst er sein Grundstück in der Breite mit zehn Schritten. Trotzdem ist Wolfgang Schnürer sehr glücklich. Bequem lehnt er sich im Sessel zurück. "Wir leben jetzt fünfeinhalb Jahre in diesem Haus und fühlen uns urwohl", erzählt er. "Ich nenne es 'Unser Wohlfühlhaus'."

Im Fachjargon heißt Schnürers Eigenheim "Plusenergiehaus". 59 davon stehen im Quartier Vauban, einem Viertel des süddeutschen Freiburgs im Breisgau. Hinzu kommt das lang gestreckte, gläserne "Sonnenschiff" mit Büros und Geschäften wie einem Bioladen und einer Umweltbank. Babyblau, mintgrün, orange, rot und gelb gestrichen leuchten die Häuser wie ein Blumenfeld. Eigentlich sind es aber 60 kleine Kraftwerke, denn die Häuser liefern Sonnenstrom, der ins Netz eingespeist wird. Und Heizen ist hier überflüssig.

Weniger Heizkosten, zusätzliche Einnahmen

Sonnendurchflutetes Wohnzimmer: Bis auf die Südseite hat das Haus nur kleine FensterBild: DW

"Nur wenn’s lange Zeit grau in grau ist, dann müssen wir ein bisschen zuheizen", sagt Wolfgang Schnürer. Durch die großen Wohnzimmerfenster scheint die Sonne auf den Holzboden. Die gesamte Südfront des Hauses ist verglast und das Glas wiederum von innen beschichtet. Das speichert die Wärme in den Räumen. Hinzu kommt: Die Wände sind 40 Zentimeter dick, die Türen immerhin zehn. Gelüftet wird automatisch, alle 90 Sekunden per Ventilator mit Wärmerückgewinnung. Das spart Arbeit und Geld.

Denn für Wolfgang Schnürer und seine Frau Holde Karstens ist das Haus nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch eine Geldanlage: "Ich hab mal durchkalkuliert was mich früher die Ölheizung gekostet hat mit Heizöl, Brennerwartung, Schornsteinfeger, Emissionsmessung und so fort. Da kam ich auf monatliche Kosten von 370 Euro. Dieses Haus hat monatliche Kosten von rund 70 Euro." Und durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach verdient er rund 200 Euro im Monat dazu - dank Subventionen der Bundesregierung, denn Schnürer speist den Strom ins Netz ein. 48 Cent pro Kilowattstunde kriegt er dafür. Deutlich mehr als er für eine Einheit Ökostrom bezahlen muss, wenn er den Strom zurückkauft.

Begehrtes Musterbeispiel

Doch: Gerade anfangs gab es viele Zweifler. Eine Siedlung, die mehr Energie erzeugt, als sie verbraucht? "Man hat uns prophezeit, dass die Häuser komplett unverkäuflich wären, weil viel zu teuer und außerdem technisch unmöglich", sagt Tobias Bube vom Architekturbüro Rolf Disch. Baubeginn war im Jahr 2000. Innerhalb von fünf Jahren standen alle Eigenheime und sorgten für gehöriges Aufsehen. Mehrmals in der Woche zeigt Bube heute Journalisten oder ganzen Busladungen interessierter Besucher die Anlage. Die Siedlung als Museumsdorf.

Für Schnürers Frau wird das langsam etwas viel. Während ihr Mann stolz das Haus vorführt, richtet sie im Garten ein neues Beet her, jätet Unkraut, harkt und pflanzt. Dabei war sie eigentlich die treibende Kraft: "Beeinflusst durch meine Frau hab ich mich sehr intensiv für ökologische Fragen interessiert. Jetzt leben wir ziemlich biologisch orientiert und ernähren uns auch so", sagt Wolfgang Schnürer. In die Stadt geht’s meist per Rad. Und im vorigen Jahr war das Ehepaar im Urlaub in Lappland: wandern, 186 Kilometer in zwölf Tagen, von Hütte zu Hütte. Er ist 73, sie 63. "Ab und zu gehen wir dann schon mal aus, um das Gleichgewicht wieder herzustellen", sagt er und lacht.

Klimafreundlich leben ist teuer

Den Freiburgern scheint die Naturverbundenheit im Blut zu liegen. Die Stadt nahe der französischen Grenze gilt als "grüne Keimzelle". Dass hier, wo die Sonne in Deutschland am meisten scheint, eine Solarsiedlung entstanden ist, verwundert denn auch wenig: Vom Dach des "Sonnenschiffes" sieht man sechs, sieben weitere Photovoltaikanlagen - eine Schule, Parkgaragen und Wohnhäusern sind damit bedeckt. Und im nahe gelegenen Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme wird an neuen Techniken getüftelt.

Wolfgang Schnürer genießt sein umweltbewusstes LebenBild: DW

Allerdings: Klimafreundlich wohnen, wie in der Solarsiedlung, ist teuer: Schnürer zahlte rund 3200 Euro pro Quadratmeter - etwa zehn bis 15 Prozent mehr als für ein konventionelles Haus. "Aber das haben Sie spätestens in sechs bis acht Jahren wieder reingeholt", sagt Schnürer. Die Solaranlage lief jedoch nicht immer, wie sie sollte: "Die Anfangsphase war keineswegs rühmlich, da hatten wir massive Ausfälle bei den Wechselrichtern", sagt der pensionierte Lehrer. "Wir hatten fünf und davon waren drei kaputt im ersten Jahr; im zweiten Jahr zwei." Inzwischen funktioniert alles ohne Probleme. "Deshalb machen wir jetzt auch Gewinn." Und darüber freut sich Schnürer geradezu diebisch.

Er hat Gefallen gefunden am Sparen und Klima schützen. Im Haushalt ist deshalb inzwischen auch der letzte Stromfresser rausgeflogen: "Wir haben den Tiefkühlschrank ausgetauscht. Der alte war 25 Jahre alt, funktionierte noch perfekt. Aber wir meinen, das geht heute nicht mehr. Und der neue ist A++, also oberste Qualitätsstufe, der braucht höchstens die Hälfte Strom."

Autorin: Monika Griebeler

Redaktion: Joscha Weber

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