Sri Lankas Energiedilemma
14. Februar 2012 Stromhungrig und ressourcenarm – gerade kleinere Länder sehen sich oft mit diesem Problem konfrontiert, wenn es darum geht, das eigene Wirtschaftswachstum zu befeuern. Rechnet man noch unzureichende Stromnetze dazu, ist das Dilemma komplett. Auch in Sri Lanka. Der Energiebedarf steigt, nennenswerte eigene fossile Rohstoffvorkommen hat das Land nicht.
Solarstrom für Haushalte, Kohlekraft für die Wirtschaft
Nachhaltige Energieprojekte sollen dort helfen, allen Bewohnern noch im laufenden Jahr Zugang zur Stromversorgung zu ermöglichen. Neben der traditionell viel genutzten Wasserkraft gingen in den vergangenen Jahren mehrere Windkraftanlagen und Solarparks ans Netz. Doch wo zentrale Stromnetze fehlen, können selbst solche Energie-Großprojekte nicht sicherstellen, dass Strom in alle Haushalte fließt. Besonders betrifft dies abgelegene und ländliche Regionen. Hier sollen dezentrale Solaranlagen helfen, das Versprechen der Regierung einzulösen. Entsprechende Fördermaßnahmen bietet etwa das Energieministerium an.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Wasser, Wind und Sonne kosten nichts, anders als Kohle und Öl – Rohstoffe, die Sri Lanka komplett importieren muss. Ganz an den fossilen Brennstoffen vorbei kommt das Land allerdings nicht. Der Energiebedarf ist einfach zu groß. Kohle – die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung – ist daher in den Energieplänen des Landes ebenfalls von zentraler Bedeutung. Schon jetzt ist das Kohlekraftwerk Norocholai an der Westküste von Sri Lanka das größte Strom erzeugende Kraftwerk im Land. Im März 2011 ging der erste Block mit 300 Megawatt ans Netz. Zwei weitere Blöcke sollen folgen, die Gesamtkapazität letztendlich 900 Megawatt betragen. Vom Parlament abgesegnet wurde inzwischen der Bau eines zweiten Kohlekraftwerks an der Ostküste. Danach soll jedoch – so die Pläne der Regierung – Schluss sein.
Know-How und Rohstoffe von den Nachbarn
Für das Land, in dem viele Menschen keinen Zugang zum Stromnetz besitzen, ist Norocholai ein Riesenkraftwerk. Doch im Vergleich zu den asiatischen Nachbarn wirken die Pläne nur allzu bescheiden. „Man muss bedenken, dass China Kapazitäten vergleichbar mit denen des Norocholai-Kraftwerks in manchen Jahren innerhalb weniger Tage aufgebaut hat“, sagt Carlos Fernández Alvarez, Kohleexperte bei der Internationalen Energieagentur (IEA). „Trotzdem ist der Bau des Kraftwerks in Sri Lanka bemerkenswert.“
Beim chinesischen Nachbarn holte sich das kleine Sri Lanka Hilfe beim Bau des ersten Kohlekraftwerks. Bauherr ist die China Machine Engineering Corporation. Das zweite Kraftwerk soll in Zusammenarbeit mit dem staatlichen indischen Stromkonzern NTPL (National Thermal Power Corporation) entstehen. Die Kohle kommt aus Indonesien. Einen ersten Liefervertrag hat der staatliche Stromkonzern Ceylon Electricity Board bereits abgeschlossen.
Steigende Weltmarktpreise zwingen zum Umdenken
Bislang hat Sri Lanka neben der Wasserkraft vor allem Öl- und Dieselkraftwerke eingesetzt. Doch die zu betreiben kann sich das Land wegen der hohen Ölpreise kaum noch leisten. Der Preis für ein Barrel Öl stieg in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich an, eine kurze Pause gab es nur während der Wirtschaftskrise. Mit Ölpreisen über 100 Dollar pro Barrel ist die Stromerzeugung aus Öl ein teurer Luxus. Ölkraftwerke spielen weltweit nur noch eine marginale Rolle in der Stromerzeugung. Sri Lanka versucht daher neben dem Bau der Kohlekraftwerke, Ölkraftwerke auf die Nutzung von Flüssiggas umzustellen.
Anders als ursprünglich gedacht, wird jedoch auch das Kohlekraftwerk nach Aussagen der Regierung nicht zu niedrigeren Strompreisen für die Bevölkerung führen. Denn durch die Importe der aufsteigenden Industrien von China und Indien steigen auch die Preise für Kohle auf dem Weltmarkt. China ist vor wenigen Jahren vom wichtigen Kohle-Exporteur zum Importeur geworden. Die beiden großen Kohleexporteure der Region – Australien und Indonesien – können ihre Produktion nur begrenzt steigern.
Asoka Abeygunawardana vom Energy Forum Sri Lanka kritisiert daher auch die Kohlepläne der Regierung „Wir haben keine Kohlereserven auf dem Gebiet von Sri Lanka. Kohle gehört nicht zu unseren eigenen Energiequellen“, erklärt Asoka Abeygunawardana. Der Ingenieur hat die Regierung in Energiefragen beraten. Das Energy Forum setzt sich für eine dezentrale, erneuerbare Energieversorgung ein.
Sri Lanka‘s neue Ressource: Küsten und der Ozean
„Die jüngsten Schwankungen bei den Kohlepreisen zeigt deutlich, dass der Kohlepreis mit dem Ölpreis zusammenhängt. Kohle ist außerdem die dreckigste Form der Energieerzeugung, sie verschmutzt die Umwelt in vielfacher weise und trägt zur globalen Erwärmung bei“, erklärt Asoka Abeygunawardana weiter und mahnt die Regierung zur Zurückhaltung beim Ausbau der neuen Kohleprojekte.
Langfristig könnte Sri Lanka von seiner Geographie profitieren, um erneuerbare Energien in großem Umfang zu nutzen. Das Land ist sonnenreich, die Küsten und der umgebende Indische Ozean bieten großes Potential für Wellenenergie und Windkraft. Erste Testinstallationen für Wellenkraftwerke sollen bald entstehen.
Autor: Hanno Böck
Redaktion: Ranty Islam