Sonnenstürme: Keine Apokalypse, aber gefährlich
1. April 2022Keine Sorge, die Welt geht so schnell nicht unter, auch wenn die Meldungen martialisch klingen: Immer wieder mal rast ein "Kannibalen"-Sonnensturm zur Erde, der auf dem Weg weitere Sonnenstürme aufgefressen hat! Die Handy- und Satellitenkommunikation, sogar die Stromversorgung könnten massiv gestört werden!
Jenseits der reißerischen Überschriften sind die Auswirkungen der regelmäßig stattfindenden Sonnenstürme meistens minimal. Mit viel Glück sind auf der Nordhalbkugel und auch in einigen nordeuropäischen Ländern eventuell Polarlichter zu sehen oder zumindest zu erahnen.
Oftmals nur moderater Effekt
Die jeweilige Intensität der Sonnenstürme wird von der zuständigen US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) in fünf Stufen eingeordnet: G1- G5.
Das G steht für die geomagnetischen Effekte, die durch die Plasmawolke ausgelöst werden. Stufe 5 würde einem sehr starken Effekt entsprechen, die Stufe 2 entspricht einem "moderatem" Effekt.
Deraktuelle Sonnensturm wird als G3, als "stark" eingestuft. Trotzdem werden ihn die meisten kaum bemerken, nur einige wenige registrieren ihn als ein leuchtendes Naturspektakel.
Aber es wäre ein Fehler, die kosmische Bedrohung generell als Alarmismus abzutun.
Höhepunkt erst 2025
Die Sonne steht gerade erst am Beginn eines neuen 11-jährigen Sonnenzyklus, in dem die Eruptionen intensiver und extremer ausfallen. Den Höhepunkt könnte der Sonnenzyklus 2025 erreichen. Und unsere bestehende (Internet-)Kommunikationstruktur ist tatsächlich erschreckend anfällig für wirklich heftige Sonnenstürme. Dies zeigte 2021 eine Studie mit einem ebenfalls sehr reißerischen Titel: "Solar Superstorms: Planning for an Internet Apocalypse".
Fragile Infrastruktur
Die bei einer Fachkonferenz vorgestellten Ausführungen der US-Forscherin Abdu Jyothi von der University of California sind tatsächlich alarmierend: Würde ein besonders starker Sonnensturm die Erde mit geladenen Teilchen bombardieren, dann könnte dies nicht nur die Stromnetze und Satelliten massiv stören, sondern auch das Internet längerfristig lahmlegen und verheerenden Schaden anrichten.
Und eine wichtige Lehre aus den Katastrophenmeldungen der vergangenen Zeit ist sicherlich, dass wir auf globale Pandemien wie auch auf Naturkatastrophen nicht ausreichend vorbereitet sind.
Verheerender solarer Beschuss
Vor allem die Internet-Infrastruktur sei nicht auf schwere Sonnenstürme ausgelegt, so Assistenzprofessorin Jyothi: "Wir haben ein sehr begrenztes Verständnis davon, welches Ausmaß der Schaden annehmen würde." Besonders gefährdet seien die Kommunikation über die ungeschützten Satelliten (zum Beispiel GPS-Navigationssysteme) und die Repeater der Unterseekabel, die alle 50 bis 150 Kilometer verbaut sind, um Kommunikationssignale auf dem weiten Verbindungsweg zu verstärken.
Eine sehr starke elektromagnetische Störung könnte das sensible System komplett lahm legen. Und sollte das Internet in den USA für nur einen Tag ausfallen, würden die Schäden nur in den USA geschätzte 7 Milliarden US-Dollar betragen.
Was passiert bei einem Sonnensturm?
Bei einem Sonnensturm stößt die Sonne große Mengen an Elektronen und Protonen aus, in der Folge fliegt eine Wolke kosmischer Strahlung auf die Erde zu und erreicht sie in wenigen Tagen.
Auch Polarlichter entstehen aus kosmischer Strahlung, weil sich während des Sonnensturms das Erdmagnetfeld verformt. Die geladenen Teilchen des Sonnenwindes werden vom Magnetfeld der Erde abgeleitet und strömen danach an den Feldlinien entlang zu den Erdpolen, wo sie nördlich, beziehungsweise südlich der Polarkreise Lichtbänder oder -bögen in verschiedenen Farben hervorrufen.
Der blaue Planet kam bislang glimpflich davon
Bereits 1843 hatte der Astronom Samuel Heinrich Schwabe herausgefunden, dass die Sonnenaktivität dabei gewissen Zyklen folgt. Etwa alle elf Jahre gebe es einen Höhepunkt.
Der stärkste bisher gemessene Sonnensturm auf der Erde war das sogenannte "Carrington-Ereignis" im Jahr 1859. Damals verursachte das Eintreffen der geladenen Teilchen Ausfälle des Telegrafen-Netzwerks in Nordamerika und Europa, Polarlichter konnten selbst in Rom und auf Hawaii beobachtet werden.
Am 13. März 1989 legte ein Sonnensturm in der kanadischen Provinz Quebec das komplette Stromnetz lahm. Sechs Millionen Menschen saßen neun Stunden lang im Dunkeln, weil es in den elektrischen Verteileranlagen zu Stromüberschlägen gekommen war.
Im Juli 2012 verfehlte ein extrem starker Sonnensturm vom "Carrington"-Kaliber die Erde laut NASA nur knapp. "Wäre die Sonneneruption nur eine Woche früher passiert, wäre die Erde genau in der Schusslinie gewesen", hieß es in der entsprechenden NASA-Studie.
Vorschläge für robusteres Internet
Heutzutage würde eine Eruption wie das "Carrington-Ereignis" vermutlich die digitale Infrastruktur in großen Teilen der Erde innerhalb weniger Minuten komplett lahm legen. Für Monate, wenn nicht für Jahre, schätzt Jyothi, würde es in weiten Gebieten keine Kommunikation und keine Stromversorgung geben, die Folgekosten wäre astronomisch.
Jyothi liefert auch konkrete Vorschläge, wie die Internet-Infrastruktur robuster gemacht werden könnte: Verlagerung der Internet-Infrastruktur auch in den Süden, etwa nach Mittel- und Südamerika, weil die nördlichen Breitengrade anfälliger für Sonnenstürme sind. Kürzere und damit widerstandsfähigere Verbindungen, wie etwa in Europa und Asien. Zusätzliche Überlandkabel, da sie weniger anfällig als lange Unterseekabel sind, die viele Repeater brauchen.
Sich der Gefahr bewusst werden
Das neue Paper der US-Forscherin ist ein Appell, die für uns inzwischen so wichtige Internet-Infrastruktur breiter aufzustellen und auf mögliche Störungen besser vorbereitet zu sein. Störungen, wie Jyothi sie prognostiziert, können ja nicht nur durch gewaltige Sonnenstürme, sondern auch durch andere Naturkatastrophen, oder durch gezielte Angriffe verursacht werden.
Vor allem aber braucht es ein Bewusstsein dafür, wie fragil die bestehende (Internet-) Infrastruktur ist und dass es überzeugende Alternativen und einen einstudierten Notfallplan braucht, damit die Verantwortlichen wie auch die Netzbetreiber wissen, was im Krisenfall zu tun ist. Unabhängig davon, ob solch eine Krise durch Sonnenstürme, durch andere Naturkatastrophen oder durch einen Angriff verursacht wird.