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"Der Iran ist nötig für eine Syrien-Lösung"

Andreas Grigo13. Mai 2013

Nach dem Anschlag im türkischen Reyhanli droht der Syrienkonflikt zu eskalieren. Für eine Lösung müsste der Westen auch mit dem Iran verhandeln, so Sebastian Sons vom Orient-Institut gegenüber der Deutschen Welle.

Ein Bild der Verwüstung nach dem Bombenanschlag: Die Feuerwehr ist nahe dem Rathaus reyhanlis im Einsatz. (Foto: STR/AFP/Getty Images)
Der Anschlag mit zwei Autobomben tötete 46 Menschen - und wirft weiter Fragen über die Hintergründe auf.Bild: STR/AFP/Getty Images


DW: Herr Sons, die türkische Regierung spricht recht laut von möglicher Unterstützung durch den syrischen Geheimdienst. Aus dem Assad Regime kam sofort ein ebensolautes Dementi. Wie bewerten Sie den Doppelanschlag und die darauf erfolgte Rhetorik auf beiden Seiten?

Sons: Zuersteinmal muß man sagen: Es war ein großer Anschlag mit vielen Opfern, doch es ist in der Grenzregion immer wieder zu Anschlägen gekommen - und die Rhetorik ist eigentlich auch typisch. Ich denke auch, dass die Hinweise schon deutlich sind, dass es sich um Anschläge handeln könnte, die von Seiten des Assad-Regimes zumindest mit unterstützt wurden.

Sons: "Auch unpoluläre Partner an den Tisch holen"Bild: Deutsches Orient-Institut, Berlin

Was spricht Ihrer Meinung nach dafür?

Es spricht vor allem dafür, dass in dieser Grenzregion viele syrische Flüchtlinge Zuflucht suchen, die zu großen Teilen auch der sunnitischen Konfession angehören und man von Seiten des Assad-Regimes eventuell den Plan verfolgt, Zwietracht zu säen, weiterhin Brutalität auszuüben und so die gesamte Situation weiter zu eskalieren. Das syrische Regime will erstmal Zeit gewinnen. Dazu möchte es versuchen, den Konflikt auszuweiten und bestimmte Gruppen zu schwächen - seien es die Flüchtlinge, sei es die türkische Regierung, oder auch die Regierungen in den anderen arabischen Anrainerstaaten.
 

Jüngst wurde beim aktuellen Zwischenfall und den mutmaßlichen Tätern auch von türkischen Linksextremisten gesprochen, deren großes Ziel ein Sturz der türkischen Regierung ist. Es gibt also möglicherweise Trittbrettfahrer des aktuellen Grenz-Konfliktes. Wie viel Glaubwürdigkeit birgt eine solche These?

Das ist nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Situation in der Türkei hat sich auch verschärft. Es kann immer mal zu Trittbrettfahrer-Aktionen kommen, die darauf hinwirken, die Regierung in Ankara zu destabilisieren und zum Beispiel neue Brisanz in die Kurdenfrage zu bringen.

Wie groß ist also die Gefahr, das individuelle Interessensgruppen den Syrienkonflikt für ihre Zwecke missbrauchen - und eine Lösung erschweren?

Bedauerlicherweise ist das schon längst der Fall. Wir haben mittlerweise so viele heterogene Akteure, die unterschiedlichste Interessen verfolgen, dass es für einen Außenstehenden sehr schwierig ist, das noch zu durchblicken. Wir haben die Regionalakteure, neben der Türkei auch Saudi Arabien und Katar, die die sunnitischen Oppositionellen unterstützen, zum Beispiel mit Waffen, finanziellen Mitteln oder Logistik. Dann haben wir natürlich Israel, das auch ein Interesse hat, dass dieser Konflikt in irgendeiner Weise zu seinen Gunsten gelöst wird.

Wir haben die Russen, die bisher nicht davon zu überzeugen waren, von Assad abzufallen, und wir haben eine momentan recht paralysierte und machtlose internationale Gemeinschaft mit Europa und den USA, die es bisher nicht schaffen, in diesen Konflikt in irgendeiner Weise Ruhe hereinzubekommen, weil es eben so ist, dass unterschiedlichste Akteure ihre Ziele verfolgen.
 

Da geht es um Macht, und auch konfessionelle Gründe, um Ideologie - aber es geht auch schlichtweg darum, Geld zu verdienen: Viele islamistische Akteure und Kriminielle sind jetzt in Syrien eingesickert, um mit Waffenhandel und Schmuggel Geld zu verdienen.

Das Türkische Reyhanli liegt in direkter Nachbarschaft zu Syrien und ist Auffangort für viele Flüchtlinge.

Speziell die deutsche Haltung ist in diesem Fall geprägt von Anteilnahme und Verurteilung der Tat, ansonsten aber auch von großer Zurückhaltung. Wie erklären Sie sich dies?

Die deutsche Haltung ist zu Recht von großer Zurückhaltung geprägt. Es kann hier nicht darum gehen, eine militärische Intervention von Seiten der Deutschen zu fordern. Es muss weiter darum gehen, einen politischen Diskurs in irgendeiner Weise politisch mit zu unterstützen und dabei die Russen mit an einen Tisch zu bekommen, eventuell auch die Iraner. Das ist meines Erachtens der einzige wirklich politische, diplomatische, Weg, der noch zu gehen ist.

Saeed Jalili, Leiter des Iranischen Sicherheitsrates 2012 zu Besuch bei Assad.Bild: picture-alliance/dpa

Die Situation scheint seit einiger Zeit festgefahren, gleichzeitig wird die Rhetorik - siehe möglicher Chemiewaffeneinsatz des Assad Regimes, siehe Reyhanli - schärfer. Wie lang ist die Lunte dieses Pulverfasses noch? Was muss für eine Entschärfung geschehen?

Es bedarf einer großen diplomatischen Lösung und einer ehrlich gemeinten Lösung von allen Parteien. Wenn ich höre, dass Amerikaner und Russen gemeinsam über eine Friedenskonferenz diskutieren, die noch im Mai stattfinden soll, dann halte ich das für sinnvoll. Wenn man allerdings am nächsten Tag hört, dass die Russen von Waffenlieferungen an die Syrer nicht absehen wollen, dann widerspricht sich das doch einigermaßen.


Zudem muss es darum gehen, dass sich die internationale Gemeinschaft darauf konzentriert, auch unpopuläre Partner mit an den Tisch zu holen - zum Beispiel die Iraner. Ihr Land ist die Regionalmacht, die noch den größten Einfluss auf Assad hat und die ihn aus bestimmten Gründen auch nicht fallen lässt. Wenn man den Iranern keine Angebote macht, von Assad abzurücken, werden sie das auch nicht tun. Bisher ist das - meines Wissens nach - noch nicht passiert. Natürlich ist es klar, dass der Atomkonflikt im Iran für viele im Westen und speziell die USA eine wesentliche Rolle spielt, die Iraner nicht an den Tisch zu holen. Aber wenn man darüber nachdenkt, realpolitisch den Syrienkonflikt in irgendeiner Weise in den kommenden Wochen und Monaten beizulegen, dann gehören die Iraner schlichtweg dazu.

Das Interview führte Andreas Grigo

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